Berühmt wurde er als Wunderkind, während der Nazizeit emigrierte er in die USA, als er 1957 starb, war er fast vergessen. Sein Leben lang wurde er angefeindet: als Kind, weil er von seinem einflussreichen Vater protegiert wurde, von den Nazis wegen seiner jüdischen Herkunft und von der Avantgarde wegen der Soundtracks, die er für Hollywood schrieb. Inzwischen aber erlebt Erich Wolfgang Korngold mit seiner Musik eine Renaissance. Seine berühmteste Oper, "Die tote Stadt", feiert am 18. November an der Bayerischen Staatsoper in einer Neuinszenierung Premiere. BR-KLASSIK ist live dabei.
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Es dürfte nicht oft vorgekommen sein, dass an der Wiener Hofoper das Werk eines Elfjährigen aufgeführt wurde. Doch Erich Wolfgang Korngolds Ballettpantomime "Der Schneemann" versetzte 1910 Publikum und Kritik in Wunderkind-Schwärmereien vom „Mozart des 20. Jahrhunderts“. Puccini und Strauss priesen den genialen Musterknaben, Gustav Mahler schickte ihn tief beeindruckt zu Zemlinsky in die Lehre, Bruno Walter brachte in München die beiden Einakter "Der Ring des Polykrates" und "Violanta" zur Uraufführung – Opern, die Korngold im Alter von 16 und 17 Jahren komponiert hatte. Und als er mit "Die Tote Stadt" einen Sensationserfolg landete, da war der frühreife Meister 23. Der Psycho-Thriller um die Doppelgängerin einer toten Geliebten, der verblüffende Parallelen zu Hitchcocks Filmklassiker "Vertigo" aufweist, wurde binnen weniger Jahre an achtzig Theatern in aller Welt nachgespielt.
Natürlich gab es Leute, die dem jungen Korngold diese sensationelle Karriere neideten und sie auf die Machenschaften des alten Korngold zurückführten. Denn Julius Korngold war Wiens einflussreichster Musikkritiker, Nachfolger des legendären Eduard Hanslick bei der "Neuen Freien Presse". Dass nur seine publizistische Macht den Sohn im Wiener Musikhimmel etabliert hätte, darüber wurde viel getuschelt.
Ein Wiener Pianist zu einem Kollegen: Sie spielen die Sonate des jungen Korngold. Ist sie dankbar? – Die Sonate nicht, aber der Vater!
Erich Wolfgang Korngold. Foto um 1910 | Bildquelle: picture alliance / akg An Sottisen wie dieser lässt sich ablesen, dass der Einfluss des Vaters sich keineswegs nur positiv auswirkte. Julius Korngold war ein ausgesprochen militanter Gegner der Moderne und nahm mit manch einer Formulierung ausgerechnet den Verfemungs-Jargon der Nazis vorweg, dem wenig später sein Sohn zum Opfer fallen sollte. So sagte er der "internationalen Intellektuellenmusik" den Kampf an zugunsten einer "musikalischen Volksgesundheit", die Erich Wolfgang offenbar idealtypisch vertrat. Als Retter des Abendlandes vor der Atonalität und als Speerspitze eines intoleranten Traditionalismus lanciert zu werden, hat Erich Wolfgang Korngold manche unverdiente Feindschaft eingebracht.
Die Wiener Premiere seiner Mysterienoper "Das Wunder der Heliane" 1927 wurde von einer beispiellosen Pressekampagne des Vaters begleitet, der äußerst undiplomatisch gegen die Aufführung von Ernst Kreneks Jazz-Oper "Jonny spielt auf" hetzte und intrigierte. Der Versuch, die unliebsame Konkurrenz des Sohnes aus dem Lager der modernen Zeitoper zu unterbinden, ging allerdings nach hinten los und brachte Krenek im öffentlichen Meinungsstreit viele Sympathiepunkte ein. Sogar die Austria Tabak-Regie beteiligte sich an dem Wiener Opernkrieg durch die zeitgleiche Produktion zweier Zigaretten: der kräftigen, ungefilterten "Jonny" und der in lila Papier und Golddose gelieferten "Heliane". Dass letztere die Teurere war, dürfte Korngold wenig getröstet haben, denn dass er mit der opulenten "Heliane" nicht an den Sensationserfolg der "Toten Stadt" sieben Jahre zuvor anknüpfen konnte, stand außer Frage.
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Renée Fleming - Ich ging zu ihm - Das Wunder der Heliane,E.W.Korngold
Ein stilistischer Gegenentwurf musste her: Auf die üppige Fin-de-siècle-Ästhetik der "Heliane" sollte etwas Populäres, Volksnahes folgen: "Die Kathrin" ist über weite Strecken tatsächlich von einem schlichten, bisweilen operettenhaften Romanzenton geprägt. Erzählt wird die Liebesgeschichte zwischen einer Schweizerischen Dienstmagd und einem französischen Musiker, die in Südfrankreich ihren Ausgang nimmt und nach jahrelanger, abenteuerlicher Trennung und Wanderschaft in den Schweizer Bergen zum idyllischen Happy-End findet. Weniger glücklich war das Schicksal der Oper, deren Uraufführung an der Wiener Staatoper für März 1938 angesetzt war, jedoch durch den "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland hinfällig wurde.
Der wegen seiner jüdischen Herkunft gefährdete und verfemte Korngold war wenige Wochen zuvor dem Ruf von Warner Brothers gefolgt, die Musik zum Film "The Adventures of Robin Hood" zu schreiben – ohne zu ahnen, dass er sich für Jahre ins amerikanische Exil begab. Korngold verfügte in Hollywood bereits über gute Kontakte, seit er dort 1934 für Max Reinhardts Filmkomödie "Ein Sommernachtstraum" die Musik Mendelssohns bearbeitet hatte. So war er längst etabliert, als all die anderen europäischen Emigranten kamen, gewann mit seinen großartigen Filmmusiken zwei Oscars und prägte den symphonischen Hollywood-Sound, den Meister wie John Williams oder Hans Zimmer bis heute fortführen.
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The Adventures Of Robin Hood | Soundtrack Suite (Erich Wolfgang Korngold)
Korngold selbst hatte seine Soundtracks als willkommenes Intermezzo betrachtet, doch seine Rückkehr nach Europa und zur absoluten Musik stand für ihn stets außer Frage. Doch hierzulande disqualifizierte ihn seine Hollywood-Karriere als Komponisten ernstzunehmender Klassik. Überdies ließen der verständliche Nachholbedarf in Sachen Moderne und eine Avantgarde-Ideologie mit Ausschließlichkeitsanspruch Korngolds Musik in der Nachkriegszeit als gestrig erscheinen. Die 1950 endlich erfolgte Wiener Aufführung der "Kathrin" wurde kein Erfolg, selbst die "Tote Stadt" wollte niemand mehr sehen. Das einst gefeierte Wunderkind war nicht mehr willkommen und einsam, denn fast alle Freunde waren tot oder emigriert. Korngold kehrte enttäuscht in die USA zurück und musste zusehen, wie sein Werk langsam vergessen wurde. Die heutige Korngold-Renaissance war noch nicht zu erahnen, als er am 29. November 1957 im Alter von sechzig Jahren einer Herzattacke erlag. Auf seinem schlichten Grabstein in Los Angeles steht ein Notenzitat aus der "Toten Stadt", laut Marcel Prawy die letzte Melodie einer deutschen Oper, die Weltruhm erlangt hat: "Glück, das mir verblieb!"
Musikalische Leitung: Kirill Petrenko
Inszenierung: Simon Stone
Premiere: Montag, 18. November
Informationen zu Terminen und Besetzung erhalten Sie auf der Homepage der Staatsoper.
Die Premiere am 18. November wird ab 18:30 Uhr live auf BR-KLASSIK übertragen.