Wien, 20. Februar 1924. Gerade hat er seine 23. Operette "Cloclo" vollendet, da tut Franz Lehár etwas, womit niemand mehr gerechnet hat: Er heiratet seine langjährige Lebensgefährtin Sophie Meth. Vor 20 Jahren hat sie seinetwegen ihren Mann verlassen und lebt seitdem mit dem berühmten Operettenkomponisten zusammen. Dass er ihr Verhältnis doch noch legalisiert, wird später ihr Leben retten, denn Sophie Lehár ist Jüdin – und ihr Mann einer von Hitlers Lieblingskomponisten.
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Zwei Wochen später – nach der Uraufführung von "Cloclo" – geht die Hochzeitsreise nach Italien. Dort besucht Lehár ein letztes Mal seinen Freund Giacomo Puccini, dirigiert die 100. Aufführung von "Frasquita" in Rom und wird von Benito Mussolini empfangen, der ihm die Serenade aus dieser Operette auf seiner Geige vorspielt. Immer an Lehárs Seite: Sophie. "Ich habe ja den ganzen Aufstieg meines Mannes mitgemacht und es immer als meine Aufgabe betrachtet, ihm die Misshelligkeiten des Lebens fernzuhalten", erinnert sie sich später. "Ich bin einmal drei Monate lang nicht ausgegangen, weil ich immer damit zu tun hatte, acht zu geben, dass niemand meinen Mann stört."
Kennen gelernt haben sich die beiden im Sommer 1903 in Bad Ischl. Am Ende des Sommers sind sie ein Paar: Franz Lehár, 33 Jahre alt, aufgehender Stern am Wiener Operettenhimmel, und Sophie Meth, 25 Jahre alt, attraktive Tochter des jüdischen Kaufmanns Sigmund Paschkis. Allerdings hat die Sache einen Haken. Sophie ist verheiratet mit dem 13 Jahre älteren Teppichhändler Heinrich Meth. Doch sie schert sich nicht um bürgerliche Konventionen und trennt sich von ihrem Mann, um fortan Lehárs Leben zu teilen. Das ist nicht ganz einfach, besteht er doch auf getrennten Wohnungen. Während er sich nach dem Erfolg der "Lustigen Witwe" also ein großes Mietshaus in der Theobaldgasse zulegt und dort auch einzieht, bleibt sie in ihrer bescheidenen Wohnung in der Paulanergasse.
Nur in der Ischler Villa ist es anders: Da bewohnt er das repräsentative Vorderhaus, sie das "Stöckl" genannte Rückgebäude. Und sorgt auch hier für ihn: "Wenn er in Ischl komponiert, sorge ich vor allem dafür, dass mein Mann ordentlich isst, lasse ihm seine geliebten ungarischen Speisen kochen und höre die neuesten Melodien an. Im Grunde sind doch alle diese Männer, die nur von ihrem schöpferischen Geiste erfüllt sind, große Babys!"
Erst 1932 bezieht das Ehepaar Lehár ein gemeinsames Domizil, das Schickaneder-Schlössl in Nußdorf, erbaut vom Textdichter der "Zauberflöte". Kurz darauf überredet Lehár seine Frau, sich taufen zu lassen. Trotzdem bekommt sie nach dem deutschen Einmarsch in Österreich Probleme mit den Nazis und Lehár sieht sich gezwungen, bei Hitler persönlich zu intervenieren. Seitdem lässt er seine Frau nicht mehr allein und verhilft ihrem Bruder zur Flucht in die USA. Als sie nach Kriegsende an einer schweren Angina erkrankt, übersiedeln Lehárs nach Zürich, wo sie im Nobelhotel Baur Au Lac ein Appartement beziehen. Dort stirbt Sophie am 1. September 1947.
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»Cloclo« | Trailer
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Sendung: "Allegro" am 20. Februar 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK