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Goethe erhält Post Der Absender ist Beethoven

Weimar, 21. Mai 1822. Johann Wolfgang von Goethe bekommt Post. Aufmerksam beäugt er das Päckchen. Als Absender steht seitlich "Ludwig van Beethoven". Dieser Name lässt bei Goethe gemischte Gefühle aufkommen.

Beethoven und Goethe treffen sich in Teplitz, 1812 | Bildquelle: picture alliance / akg

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(Bild: Goethe und Beethoven in Teplitz)

Im Kurort Teplitz haben sie sich getroffen, Goethe, der feinsinnige Dichterfürst und der nonkonformistische Tondichter Beethoven. Vor zehn Jahren. Geplagt von diversen Zipperlein sind sie gemeinsam durch den Park flaniert. Aber eine echte Männerfreundschaft sieht anders aus als gemeinsam Heilwasser schlürfen: Goethe findet den Komponisten begabt, aber ungehobelt. Und der um einige Jahre jüngere Beethoven findet den größten lebenden Literaten zwar etwas brav aber – trotzdem faszinierend! Jetzt also packt Goethe zwei seiner eigenen Gedichte aus diesem Päckchen, vertont von Ludwig van Beethoven.

Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer.

So beginnt die "Meeresstille". Und der zweite Text ist von Goethe die "Glückliche Fahrt" – "gewidmet Johann Wolfgang von Goethe".

Goethe antwortet nicht

Goethe blättert kurz in den Noten und legt dann den Stapel – zur Seite. Da bleibt er auch liegen. Es folgt keine Zeile des Dankes an den Komponisten. Also hakt Beethoven nach: "Ich hoffe, sie werden die Zueignung erhalten haben. Beide schienen mir ihres Kontrasts wegen sehr geeignet auch diesen durch Musik mitteilen zu können. Wie lieb würde es mir sein zu wissen, ob ich passend meine Harmonie mit der Ihrigen verbunden habe!"

War der Dichter einfach nur hochnäsig?

Aber Goethes Harmoniebedürfnis scheint in Bezug auf Beethoven nicht sonderlich ausgeprägt zu sein. Denn es erfolgt erneut keine Reaktion vom "Einzigen unsterblichen Göthe", wie Beethoven ihn nennt. Sollte der gütige, unsterbliche Goethe ein Ignorant sein? Manche schieben das Schweigen auf Goethes Erkrankung in eben jenem Jahr 1822. Andere vermuten, Beethoven habe Goethe als Bittsteller beim Weimarer Großherzog Karl August einspannen wollen. Und wieder andere halten Goethe einfach für hochnäsig. Den wahren Grund für Goethes Schweigen werden wir nie erfahren.

Ein passenderer Text?

Aber die "Meeresstille" bekommt für Beethoven, mit ein paar textlichen Eingriffen, einen unerwarteten Realitätsbezug – der sich ungefähr so anhören könnte:

Tiefe Stille herrscht bei Goethe
Ohne Regung ruht der Fürst…
Und bekümmert sieht der Ludwig
Glatte Fläche ringsumher
Keine Luft von keiner Seite
Goethes Todestille fürchterlich.

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L. van Beethoven : Meeresstille und Glückliche Fahrt op.112 | Bildquelle: TheNewBaroqueTimesTV (via YouTube)

L. van Beethoven : Meeresstille und Glückliche Fahrt op.112

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Sendung: "Allegro" am 21. Mai 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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