München, 14. Juli 1865: Ludwig Nohl kopiert Beethovens "Für Elise". Und zwar grade noch rechtzeitig. Bevor eine gewisse Frau Bredl das Original verschlampt hat. Man möchte es ja nicht für möglich halten, dass jemand ein Beethoven-Autograph verschlampt. Das gute Stück ist bis heute nicht mehr aufgetaucht.
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Babett Bredl: eine pensionierte Münchner Lehrerin. Wie kommt so jemand zu einem Original von Beethoven? Das ist nicht schwer. Babett Bredl hatte einen unehelichen Sohn. Der Vater: ein Wiener namens Schachner. Der Sohn, Rudolph Schachner, hat sich mit zwanzig Jahren in Wien mit einer – um einiges älteren – Dame angefreundet: Therese von Droßdik, geborener Malfatti. Die wiederum war eine sehr gute Bekannte von Beethoven. Schachner hat ihre musikalischen Habseligkeiten geerbt, darunter auch das Notenblatt, das – fünfzehn Jahre später – Professor Ludwig Nohl in München im Haus von Schachners Mutter gesehen hat. Als gewiefter Wiener Klassik-Spezialist hat Nohl sofort erkannt, was er da vor sich hatte: ein unbekanntes Werk von Beethoven.
Man hat ihm zwar nicht erlaubt, es mitzunehmen, aber abschreiben durfte er es. Frau Bredl hat es ihm sogar schriftlich gestattet: "Das vorstehende Klavierstückchen habe ich Herrn Prof. Dr. Nohl hier nach Beethovens eigenhändigem Originalmanuscript copiren lassen und gestatte ihm jedwede Verwendung und Publicirung desselben. München, 14. July 1865. Babeth Bredl."
Bei der Publizierung hat Nohl dann auch die Widmung Beethovens angegeben. So wie er sie gelesen hat: "Für Elise – zur Erinnerung".
Wer aber war Elise? Das ist die große Frage. Man findet unter Beethovens Frauenbekanntschaften keine "Elise". Hat Nohl sich verlesen? Stand da in Wirklichkeit, in Beethovens Krakelhandschrift, nicht "Für Elise", sondern "Für Therese"? Könnte er jemanden namens Elisabeth gemeint haben? Oder hat gar der Herr Nohl das Stück selber komponiert? Alles Theorien, die – einmal in die Welt gesetzt – kaum zu widerlegen sind, weil ja, wie gesagt, Babett Bredl das originale Blatt nach Nohls Abschrift irgendwo hingelegt und dann nicht mehr wiedergefunden hat. Irgendwo muss es noch sein. Vielleicht sogar: hier irgendwo, ganz in Ihrer Nähe. Vielleicht hat es ja ein entfernter Verwandter von Ihnen damals aus Versehen mitgenommen, und jetzt liegt es in einem alten Koffer auf dem Dachboden. Gehen Sie doch mal hin und schauen Sie nach. Vielleicht finden Sie ja was. Das wäre ziemlich spannend. Für Sie und die ganze Musikwelt.
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"Für Elise" Performed by Lang Lang
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Sendung: "Allegro" am 14. Juli 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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