Dieses Bild hat sich für immer eingeprägt: Am 11. November 1989, zwei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer saß Mstislaw Rostropowitsch inmitten des Trubels am Checkpoint Charly und spielte tief in sich versunken Bach - als ein persönliches Dankgebet dafür, dass die Hälften seines zwischen Ost und West geteilten Lebens wieder zusammengefügt wurden.
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"Um mich herum standen etwa 30 Menschen. Ich spielte ganz besonders fröhliche Musik von Bach: C-Dur-Suite, D-Dur-Suite und Es-Dur-Suite. Und die Menschen hörten mir zu. Dann habe ich ihnen gesagt: Wissen Sie, wir empfinden jetzt eine solche Freude. Aber denken Sie daran, dass viele Menschen mit dem Wunsch, diese Mauer zu überqueren, hier ihr Leben gelassen haben. Ich möchte jetzt zum Andenken an diese Menschen die Sarabande in D-Moll spielen. Und ich erinnere mich an das Gesicht eines jungen Deutschen. Er stand in der ersten Reihe; er hatte eine Brille. Und zum Ende der Sarabande habe ich gesehen, dass er geweint hat, ohne die Brille abzusetzen. Und da habe ich verstanden, dass alles was wir da machten, richtig war. Das war einer der glücklichsten Momente meines Lebens."
Rostropowitsch (l.) umarmt den russischen Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn (r). | Bildquelle: picture-alliance/dpa Glücklich zu sein und andere glücklich zu machen - das war eine besondere Gabe von Mstislaw Rostropowitsch. Wegen der Unterstützung des verfemten Schriftstellers Alexander Solschenizyn wurde ihm 1978 die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt. Obwohl mit Leib und Seele Russe, zerbrach Rostropowitsch nicht daran. Er suchte seine Heimat in der Welt. Als langjähriger Leiter des National Symphony Orchestra in USA brachte Rostropowitsch Amerikanern und Europäern Schostakowitschs Musik nahe.
Er spielte sein Cello auf dem arktischen Eis, auf dem Bergpfad in Kuba und vor dem Moskauer Weißen Haus, als er 1991 während des Augustputsches nach Russland flog, um die neugeborene Demokratie zu verteidigen. Er half russischen Kindern mit zahllosen Gesundheitsfonds und Musikprojekten. Die ihm angebotene russische Staatsbürgerschaft hat Rostropowitsch nicht wieder angenommen. Gestorben ist er dennoch in Moskau und wurde am 29. April 2007 auf dem bedeutendsten Moskauer Friedhof neben dem Grab Boris Jelzins beigesetzt.
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