Paris, 3. März 1875. Als Georges Bizets Oper "Carmen" uraufgeführt wird, ist das Pariser Publikum schockiert: eine Handlung im Randmilieu, ohne Happyend und eine Hauptrolle aus der unteren Gesellschaftsschicht! Doch alle Kritik kann dem Erfolg der Oper nichts anhaben. Bis heute ist sie eine der meistgespielten weltweit.
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"'Carmen' ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Meisterwerk, eine jener seltenen Schöpfungen, die die Bemühungen einer ganzen musikalischen Epoche in sich vereinen (...) Ich bin überzeugt, dass 'Carmen' in zehn Jahren die populärste Oper auf der ganzen Welt sein wird."
So schreibt Peter Tschaikowsky nach einer Aufführung von Bizets Oper. Wie Recht er mit seiner Prophezeiung haben sollte, war in den Tagen nach der Uraufführung nicht absehbar. Ganz im Gegenteil. Das Pariser Publikum war richtig schockiert, dass Bizet Personen aus den unteren Gesellschaftsschichten ins Rampenlicht stellt. Dazu eine Handlung, die im Randmilieu spielt, ohne Happyend und mit einer weiblichen Hauptrolle, die in keiner Weise einer anständigen Dame der Gesellschaft entspricht! So etwas hatte die Opernwelt noch nicht gesehen.
Ludovic Halévy, einer der beiden Librettisten, erlebt den Uraufführungsabend so: "Der erste Akt endet gut, mit Beifall und Hervorrufen. Viele Leute strömen auf die Bühne, Bizet wird umringt und herzlich beglückwünscht. Der zweite Akt verläuft weniger glücklich. (...) Das Publikum scheint verwundert (...) Die Glückwünsche wirken etwas gezwungener, tragen vielmehr den Charakter der Förmlichkeit. Während des dritten Aktes nimmt die Kälte zu (...) und nach dem vierten Akt (...) bleibt die Bühne leer, nur drei oder vier wahre Freunde stellen sich bei Bizet ein. Sie versuchen ihn zu beruhigen, zu trösten, aber aus ihren Blicken spricht deutliche Niedergeschlagenheit: "Carmen" ist durchgefallen."
Aller anfänglichen Kritik zum Trotz steigen nach kurzer Zeit die Zuschauerzahlen in Paris. Die Wiener Hofoper meldet bald Interesse an einer deutschsprachigen Fassung an. Bizet unterschreibt einen Vertrag, und im Oktober 1875 feiert seine "Carmen" in Wien eine umjubelte Premiere.
Ab da tritt "Carmen" ihren Siegeszug um die Welt an. Das Libretto wird in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Und an der Pariser Opéra comique, dem Ort der zunächst erfolglosen Uraufführung, wird sie in der Urfassung um die 3000mal gegeben. Bis heute ist "Carmen" mit ihren Ohrwurmmelodien wie der berühmten "Habañera" eine der meistgespielten Opern überhaupt.
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Sendung: "Allegro" am 3. März 2025 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK