Sie galten in ihrer türkischen Heimat als die "begabten Zwillinge": Ferhan und Ferzan Önder. Seit Jahren leben die beiden klavierspielenden Schwestern in Österreich, und bis heute stehen sie regelmäßig zusammen auf der Bühne. Auch am Klavier sind sie unzertrennlich: Soloplatten haben sie noch nie gemacht, auch den Echo Klassik für ihre Debüt-CD "Vivaldi Reflections" erhielten sie 2002 als Duo.
Bildquelle: © Nancy Horowitz
"Ferhan ist Liszt, Ferzan ist Chopin." So hat schon der Klavierlehrer in der Türkei die beiden Zwillingsschwestern charakterisiert: Ferhan etwas temperamentvoller, Ferzan hingegen eher zurückhaltend. Die Stimmen der beiden kann man allerdings kaum voneinander unterscheiden. "Meine Schwester Ferhan spricht eher die meiste Zeit", sagt Ferzan. "Sie redet gerne." Vielleicht liegt es daran, dass Ferhan die ältere der beiden ist - genau genommen 10 Minuten. Beide werden am 2. Oktober 1965 in einem kleinen nordtürkischen Dorf bei Tokat geboren. Als die Schwestern sieben Jahre alt sind, zieht die ganze Familie nach Ankara, dort beginnt der ältere Bruder Klavier zu studieren. Drei Jahre später beginnen auch Ferhan und Ferzan, dieses Instrument zu lernen.
Das Klavierduo Ferhan und Ferzan Önder | Bildquelle: © Nancy Horowitz "Unsere Familie wollte unbedingt, dass wir uns mit klassischer Musik beschäftigen" erläutert Ferhan. "Natürlich war das nicht einfach für sie zu organisieren, aber wir haben das Konservatorium besucht - neun Jahre sind wir geblieben." Mit ihrem Engagement für die europäische klassische Musik mussten sie in ihrer Heimat erst Anerkennung finden: "Damals haben wir unsere Konzertplakate selber gezeichnet" erinnert sich Ferzan. "Die wurden oft zerrissen, und wir mussten sie dann noch mal machen - die Leute waren nicht begeistert von diesen Klassische-Musik-Programmen." "Es war nicht einfach, auch finanziell nicht", ergänzt ihre Schwester, "und auch das Üben zu Hause machte Probleme: Oft waren die Nachbarn sehr verärgert. Es gab auch nicht viele Konzerte, wir hatten nur ein einziges Orchester damals. Aber mit der Zeit hat sich das geändert: Jetzt gibt es viele Orchester und Festivals."
1984 gewinnt Ferhan einen Klavierwettbewerb. Der Preis: ein Konzert in Wien. So machen beide Schwestern in Wien die Aufnahmeprüfung an der Universität für Musik und darstellende Kunst und studieren dort. Seitdem haben sie ihren Lebensmittelpunkt in Österreich gefunden. Schon seit den Anfängen treten sie fast ausschließlich als Klavierduo auf. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, gibt es da nicht auch mal Streit wegen verschiedener Interpretationsansichten? "Nein, wir tauschen uns aus", sagt Ferhan. "Und natürlich reden wir auch über unsere Vorstellungen über die Musik und deren Interpretation angeht."
Wir proben, und am Ende haben wir eine Meinung. Und das geht sehr friedlich.
Zwillinge: So ähnlich und doch so verschieden. Ferzan mag Zugaben überhaupt nicht, Ferhan hingegen liebt sie. Als die Temperamentvollere von beiden spielte Ferhan schon zur Studienzeit mehr Strawinsky, Ferzan hingegen bevorzugt Mozart und Chopin. Trotzdem finden beide eine gemeinsame Harmonie: "Wir haben immer darauf geachtet, dass jede von uns sich individuell entwickelt", sagt Ferhan. "Auch in der Musik: Wenn man uns hört, kann man die Unterschiede sehen. Jede von uns hat ihre eigene Ausdrucksweise, aber wir ergänzen uns sehr gut."
Mittwoch, 24. August, 20:03 Uhr
Festival de Radio France et Montpellier
Ferhan und Ferzan Önder (Klavier)
Martin Grubinger, Martin Grubinger, sen., Alexander Georgiev (Schlagzeug)
Kammerchor canticum novum
Fazil Say:
"Wintermorgen in Istanbul"
Tan Dun:
The Tears of Nature"
Anonymus:
"Topkapi", Musik aus dem Osmanischen Reich des 16. und 17. Jahrhunderts
Steve Reich:
Quartett für zwei Klaviere und zwei Vibraphone
Aufnahme vom 18. Juli 2016