Giovanni Bottesini wurde 1821 in Cremona geboren, studierte in Mailand und folgte später einem Ruf ans Teatro Tacón in Havanna. Weil ihn dort die Stelle als erster Kontrabassist nicht ausfüllte, arbeitete er als Korrepetitor. Und er begab sich auf Reisen - als Virtuose und Dirigent: Unter seiner Leitung wurde in Kairo Verdis "Aida" uraufgeführt. Nebenbei schuf er vier Kontrabasskonzerte. Am bekanntesten ist das zweite in h-Moll. BR-KLASSIK hat mit dem ungarischen Kontrabassisten Ödön Rácz über dieses Starke Stück gesprochen.
Bildquelle: Ian Webber
Die Sendung zum Nachhören!
Wenn Ödön Rácz sich von seinem Dienst bei den Wiener Philharmonikern frei nimmt, um Solokonzerte zu geben, wird die Arbeit für ihn besonders sportlich. Vor allem, wenn Giovanni Bottesinis Zweites Kontrabasskonzert auf dem Programm steht. Es ist ein Stück, das für den Solisten nach einer kurzen Orchestereinleitung zunächst mit einer schwelgenden Melodie in hoher Lage beginnt. Dann aber führt es rasch in virtuosen Partien über das ganze Griffbrett. Da habe man, erklärt Rácz, auch als ausgefuchster Profi immer wieder großen Respekt davor: mit dem Kontrabass quasi Geige zu spielen.
Bei Aufnahmen muss man mit den Flageoletttönen extrem aufpassen.
Der erste Satz dieses Konzerts ist sehr klassisch gebaut. Das Orchester nimmt lediglich Begleitfunktion ein. Dafür ist der Solopart umso herausfordernder gestaltet – nach Ansicht von Ödön Rácz durchaus mit den Violinkonzerten von Niccolò Paganini oder Henry Wieniawski vergleichbar. "Was bei diesem Konzert besonders wichtig und schwierig ist, sind die Flageolett-Töne", erklärt Ödön Rácz. "Da muss man die Saiten ein bisschen daneben ziehen, so ungefähr einen halben Zentimeter. Wenn man während eines Konzerts nicht so hundertprozentig aufpasst, ist das nicht so schlimm. Aber bei Aufnahmen muss man mit den Flageoletttönen extrem aufpassen."
Für Ödön Rácz, in dessen Familie seit vier Generationen Kontrabass gespielt wird, begann die Auseinandersetzung mit dem Bottesini-Konzert schon früh. Unzählige Male hat er sich mit der Interpretation von Ludwig Streicher beschäftigt, einem seiner Vorgänger am ersten Kontrabassisten-Pult der Wiener Philharmoniker. Manche technisch herausfordernde Stelle hat Rácz versucht, mit immer wieder anderen Fingersätzen zu bewältigen und zu optimieren.
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Der Kontrabassist Ödön Rácz | Bildquelle: © Lukas Beck Der langsame Satz von Bottesinis h-Moll-Konzert ist für den Solisten wie eine große romantische Arie. Das verführe, sagt Ödön Rácz, manchen Interpreten dazu, beim Lagenwechsel mit schmachtendem Pathos in die Töne hineinzugleiten oder mit dickem Vibrato aufzutrumpfen. "Ich habe viele Bottesini-Aufnahmen gehört", sagt Rácz, "und leider klingt es sehr, sehr oft übertrieben. Lagenwechsel und Vibrato werden oft sehr kitschig eingesetzt. Für mich war es ein Ziel, dieses Stück einfach so zu präsentieren, wie David Oistrach oder Leonidas Kavakos Tschaikowskys Violinkonzert interpretieren: sehr fein, schön und elegant." Trotz des langsamen Tempos, oder gerade deswegen, ist der zweite Satz nicht zu unterschätzen, sagt Rácz. Weil eben doch manch delikate Stelle zu bewältigen ist, bei der sich der Kontrabassist weit über sein Instrument recken muss: "Das geht so weit nach oben, dass man auf die Fussspitzen steigen muss, damit man den Ton erreichen kann."
Das Finale von Bottesinis Konzert ist, salopp gesagt, ein schmissiges Allegro. Hier kann sich der Solist, nachdem er im Satz vorher sein Talent für Belcanto unter Beweis stellen durfte, mit Raffinesse austoben. Nach einer längeren Passage, in der Solist und Orchester in polonaiseartigem Rhythmus um die Wette eifern, entsteht zwischen beiden ein Dialog gegenseitiger abwechselnder Melodielinien. Das wirkt alles leicht und geschmeidig, aber den Interpreten erwarten pikante Stellen, an denen er zeigen muss, wie gut er sein Instrument beherrscht - ähnlich wie im ersten Satz. Besonders unangenehm sind auch hier die Flageoletttöne. Das muss man eben üben, sagt Rácz. Für ihn ist das Bottesini-Konzert ein großartiges Stück, das seiner Meinung nach öfter auf dem Konzertplan stehen sollte: "Ich habe Bottesinis h-Moll-Konzert schon als 16-Jähriger mit Orchester gespielt", sagt er. "Das war immer ein Traumstück von mir. Mein Vater hatte die Schallplattenaufnahme von Ludwig Streicher. Und wir haben das viel gehört. Ich musste bei dem Stück weinen, weil es einfach so beeindruckend und tief ist."
Giovanni Bottesini:
Konzert für Kontrabass und Orchester Nr. 2 h-Moll
Ödön Rácz (Kontrabass)
Franz Liszt Kammerorchester
Label: Deutsche Grammophon
Sendung: "Das starke Stück" am 01. Oktober 2024, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK