Die Gitarre ist ein noch recht junges Instrument: Ihre erste Blütezeit erlebte sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Aus diesen "Anfangstagen" stammt das Gitarrenkonzert Nr. 1 von Mauro Giuliani. Neben Rodrigos "Concierto de Aranjuez" oder der "Fantasía para un Gentilhombre" zählt es zu den absoluten Highlights des genres und reißt das Publikum stets zu Begeisterungsstürmen hin. Gitarrist Alvaro Pierri erklärt, warum.
Bildquelle: BR/Annika Svitil
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"Am 3ten dieses Monats gab Mauro Giuliani, vielleicht der erste aller Gitarre-Spieler, welche bisher existieren, im Redoutensaal eine Akademie mit verdientem Beyfalle. Man muss diesen Künstler durchaus selbst gehört haben, um sich einen Begriff von seiner ungemeinen Fertigkeit und seinem präcisen, geschmackvollen Vortrage machen zu können." So schrieb die "Allgemeine musikalische Zeitung" im Mai 1808 über den Gitarrenvirtuosen Mauro Giuliani. Aus Bari in Italien stammend, hatte er sich zwei Jahre zuvor nach Wien aufgemacht, dem damaligen Musikzentrum Europas. Hier fand Giuliani den richtigen Nährboden für seine stupende Virtuosität. Er bewegte sich schnell im gleichen gesellschaftlichen Umfeld wie Hummel, Moscheles oder Diabelli. In Giulianis umfangreichem Schaffen für Solo-Gitarre, Kammer- und Hausmusik gibt es auch drei große Konzerte. Das berühmteste ist das erste, op. 30 in A-Dur, das schon bei seiner Uraufführung 1808 gefeiert wurde.
Zu Beginn dieses Werks muss man allerdings etwas auf das Solo-Instrument warten: Die Gitarre setzt erst nach einer längeren Orchester-Einleitung ein. Alvaro Pierri ist international einer der renommiertesten Konzertgitarristen und seit 2002 ordentlicher Professor an der Universität für Musik und darstellenden Kunst in Wien. Er schätzt diese besonders lange Wartezeit. "Das ist so schön, so gut gemacht – ich habe dabei immer viel Spaß! Und dann denke ich manchmal: Hm, jetzt komme ich; hoffentlich ist das auch gut (lacht)!"
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Mauro Giuliani | Bildquelle: picture alliance / Heritage Images Das Instrument Gitarre hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts seine maßgebliche Umgestaltung zum Vorläufer der heutigen Gitarre gerade erst hinter sich. Mauro Giuliani gehörte zu den Gitarristen, die die neuen technischen Möglichkeiten am wirkungsvollsten inszenierten: Akkordbrechungen, schnelle Läufe, rasante Doppelgriffe in Terzen oder Oktaven, Triller und latente Mehrstimmigkeit. Im Konzert Nr. 1 werden die speziellen Fähigkeiten der Gitarre im besten Licht gezeigt.
Es ist eine tolle Mischung von Haydn und Rossini.
Die Musik seiner Heimat prägte Giuliani sehr stark. Italien war zu dieser Zeit – wieder einmal – der Oper verfallen, Giulianis Held hieß Gioachino Rossini. Andererseits gab es aber auch noch die "großen" Klassiker, in deren Wirkungskreis sich Mauro Giuliani in Wien ganz direkt befand. "Es ist eine tolle Mischung von Haydn und Rossini", sagt Alvaro Pierri. "Es ist sehr interessant, das auf der Gitarre zu spielen. Ich finde es auch sehr lustig, sehr operativ, es ist sehr rossini-haft. Ja, es ist ein tolles Stück."
Der typische charmant-virtuose Stil von Giuliani zieht sich durch alle drei Sätze des Konzerts: Das größte Gewicht hat der erste, Allegro maestoso. Giuliani hat hier gleich zwei Solo-Kadenzen untergebracht. Dadurch wird die formale Struktur aufgelockert und das Stück kurzweilig gestaltet. Die Polonaise-Allegretto schließt als Gegenpol das Konzert mit federndem Polacca-Rhythmus ab. Beide umrahmen den langsamen mittleren Satz. Ein ganz besonderer Zauber scheint über diesem Andantino zu liegen, einem anmutigen Siciliano, in dem der klassische Stil und die mediterrane Leichtigkeit miteinander vereint werden.
Der Gitarrist Alvaro Pierri | Bildquelle: © Brigitte Zaczek Bei Gitarrenkonzerten ist die geringe Lautstärke des Soloinstruments fast immer ein Thema. Zu Giulianis Zeiten waren die Orchesterklänge zwar noch nicht so massiv wie heute und die Sääle eher kleiner. Aber auch die Schreibweise trägt viel dazu bei, den Klang der Gitarre nicht zu sehr mit anderen Instrumenten zu überdecken. Alvaro Pierri erklärt: "Jetzt können wir auch die Hilfe von einem guten Mikrofon und von einer guten Verstärkungsanlage bekommen. Aber in der damaligen Zeit war das unmöglich: Ich benutze die Verstärkung – zum Beispiel bei Giuliani – nur, wenn der Saal sehr groß ist. Dann hat es das Orchester bequemer – und ich auch. Man kann zwar am Anfang denken: Mit Verstärkung klingt das nicht wirklich natürlich. Doch eine gut gemachte Verstärkung auf der Bühne ist perfekt."
Die gute Balance zwischen Orchester und Solist, die intuitive, zugängliche Musikalität und nicht zuletzt genau die richtige Mischung aus technischer Bravour und musikalischer Finesse machen das Giuliani-Konzert bis heute zu einem der gelungensten und meistgespielten Gitarrenkonzerte der Welt.
Mauro Giuliani:
Konzert für Gitarre und Orchester Nr. 1 A-Dur, op. 30
Alvaro Pierri (Gitarre)
Ensemble Amati
Leitung: Raymond Dessaints
Label: Analekta
Sendung: "Das starke Stück" am 25. April 2023, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK