Wegen seiner liedhaft-melodiösen Themen gilt Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 als sein populärstes. Als sich der 27-jährige Rachmaninow im Jahr 1900 daran macht, hat er denkbar schlechte Voraussetzungen. Seine erste Symphonie ist beim Publikum kläglich durchgefallen. Ulrich Möller-Arnsberg hat sich mit der Pianistin und Rachmaninow-Spezialistin Anna Vinnitskaya über das Klavierkonzert unterhalten.
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Wegen des Misserfolgs seiner ersten Symphonie hätte der zu Depression neigende Sergej Rachmaninow das Komponieren beinahe an den Nagel gehängt. Er benötigte ärztliche Hilfe. Gott sei Dank gibt es den Neurologen Nicolai Dahl, bei dem sich Rachmaninow der Hypnose unterzieht. Die Behandlung hat Erfolg, wie auch sein zweites Klavierkonzert, das dann doch entsteht.
Mit dunklen, samt schwingenden Glockenklängen beginnt das Soloklavier in Rachmaninows Konzert. Spektakuläre, kraftvoll strotzende Akkorde – wie zu Beginn des dritten oder vierten Klavierkonzerts – findet man hier nicht. Rachmaninow bettet das Klavier behutsam in einen symphonischen Gesamtklang ein. Dass sich der Solist an den Tasten kapriziert, ist für Rachmaninow nicht das Entscheidende. Als er den Satz im privaten Kreis vorspielt, habe er erstmal Kritik geerntet, sagt die Rachmaninow-Spezialistin Anna Vinnistkaya.
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Das Klavier beginnt anfangs allein, doch dann entwickelt sich ein gewaltiger melodischer Strom des Solisten im Zusammenspiel mit dem Orchester. Dieser Strom birgt eine Menge Dramatik in sich, treibt nach vorne, hält zurück, verweilt in wundervoller Melodik. Doch Rachmaninow hält sich in der Klangpracht, die den ersten Satz seines zweiten Klavierkonzertes bestimmt, in keinem Moment mit Nebensächlichkeiten auf. Mit "Maestoso alla marcia" ist dann der Kulminationspunkt überschrieben. Der Höhepunkt ist erreicht.
Ich bekomme immer Gänsehaut ... Ich würde sagen, dieses Werk ist ein Teil von mir geworden.
Nach diesem Höhepunkt passiert das Umgekehrte wie zuvor. "Meno mosso" heißt es nun, und "Moderato". Am Ende gibt es noch einmal ein kleines Accelerando, bevor die große Melodik des ersten Satzes ausklingt.
Der zweite Satz "Adagio sostenuto" bringt gleich zu Beginn eine Überraschung. E-Dur? Auf c-Moll? Die Paralleltonart wäre nach den Moll/Dur-Gesetzen eigentlich Es-Dur. Pianistin Anna Vinnitskaya erinnern diese ersten Takte an den menschlichen Atem. Gewidmet sei es seinem Arzt, der ihn zu dieser Entspannung gebracht habe. "Er hat ja mit seiner psychischen Gesundheit was gemacht. Rachmaninow war so verzweifelt nach der ersten Symphonie, dass er nicht so weitergekommen ist", so die Pianistin.
Im Finale des Konzerts wird klar, wie Rachmaninow als komponierender Pianist sehr viel symphonisches Gespür zeigt. Der letzte Satz, wieder in c-Moll, ist das Gegenteil des dunkelgebeizten, melancholischen ersten Satzes. Ein Allegro scherzando, mit dem Rachmaninow eine heitere Seite zeigt.
Sergej Rachmaninow: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 fis-Moll, op. 18
Anna Vinnitskaya (Klavier)
NDR Elbphilharmonie Orchester
Leitung : Krzysztof Urbanski
Label: Naxos
Sendung: "Das starke Stück" am 22. Oktober 2024 um 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK