Nach den "Vier letzten Liedern" schrieb Richard Strauss 1948 in Montreux noch eine Komposition – es wurde seine letzte. Und es war wieder ein Lied, gewidmet der mit Strauss befreundeten Sängerin Maria Jeritza. Die behielt das Manuskript der "Malven", sodass das Lied erst lange nach Strauss' Tod, 1985 in New York, uraufgeführt werden konnte.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Die Sendung zum Anhören
Montreux, 23. November 1948. Richard Strauss ist müde. Er sitzt auf der Terrasse des luxuriösen Montreux Palace Hotels und blickt gedankenverloren auf das glitzernde Wasser des Genfer Sees. Drei Jahre sind er und seine Frau Pauline nun schon im Schweizer Exil. Strauss ist es leid. Die ständigen Umzüge von einem Hotel zum nächsten. Das Gezänk mit dem Personal. Und das Geld reicht hinten und vorne nicht. Er ist mittlerweile 84. Wie gern wäre er jetzt in seinem geliebten Landhaus in Garmisch, hätte wieder einen festen Wohnsitz.
Heute Morgen hat er wieder komponiert. Da war dieses Gedicht, das ihm neulich in die Hände gefallen ist und ihn so tief berührt. Betty Wehrli-Knobel, eine Schweizerin, hat es geschrieben: "Aus Rosen, Phlox, Zinienflor, ragen im Garten Malven empor, duftlos und ohne des Purpurs Glut, wie ein verweintes, blasses Gesicht unter dem gold'nen himmlischen Licht. Und dann verwehen Leise, leise im Wind, zärtliche Blüten, Sommersgesind."
Bald wird es ihm auch so ergehen, denkt Strauss und spürt die kühle Seeluft auf seinem Gesicht. Die Komposition ist fertig. Zwei Seiten. Keine große Orchestrierung diesmal, einfach Stimme und Klavier. Richard Strauss weiß auch schon, wem er das Lied widmen wird. Der Sängerin Maria Jeritza, seiner guten Freundin. Er hätte sich keine bessere Titelpartie in seinen Opern "Ariadne auf Naxos" und "Die Frau ohne Schatten" wünschen können. "Der geliebten Maria, diese letzte Rose ... der schönsten Frau der Welt" – so steht es in der Widmung.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Malven, TrV 297
Was Strauss nicht ahnt: Dies wird seine letzte Komposition sein. Ein Jahr später stirbt er, wieder daheim in Garmisch-Partenkirchen. Sein Autograph verwahrt Maria Jeritza 34 Jahre lang auf, ohne es zu veröffentlichen. Erst nach ihrem Tod werden die Noten schließlich in ihrem Safe gefunden und versteigert. Richard Strauss' letzter Gruß an die Nachwelt.
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 23. November 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK