Berlin, 12. April 1929. Gerade einmal 12 Jahre ist er jung, da debütiert der Geiger Yehudi Menuhin mit den drei Bs: In einem Konzert mit den Berliner Philharmonikern spielt er Violinkonzerte von Bach, Beethoven und Brahms. Ein berühmtes Physik-Genie findet darauf seinen Glauben wieder ...
Bildquelle: imago/UIG
Großer Andrang in der Berliner Philharmonie – alle wollen den kleinen Jungen mit den Pausbacken und den kurzen Hosen sehen: das Wunderkind Yehudi Menuhin. Bisher ist er schon in so vielen Städten gewesen, herumgereicht von einem Orchester zum nächsten, und jedes Mal wieder hat er sich beweisen müssen. Vor Kurzem erst musste er noch einen Konzertmeister bitten, ihm vor dem Konzert seine Geige zu stimmen, da die Wirbel zu fest für seine Kinderhände saßen.
Yehudi Menuhin zusammen mit Bruno Walter | Bildquelle: © Rue des Archives/PVDE/Süddeutsche Zeitung Photo Die Erwartungen an ihn sind hoch in Berlin: Das Publikum mit seinen vielen Gesichtern, die zuhören, die lauern, die sich fragen, ob dieser Junge vorne auf der Bühne es auch wirklich kann. Ob das Wunderkind Yehudi den großen Werken, die auf dem Programm stehen, gewachsen ist. Und in seinem Rücken das Orchester. Dieses Mal kein Geringeres als die Berliner Philharmoniker. Sie haben den fast 13-Jährigen sozusagen zur Feuertaufe eingeladen. Drei Violinkonzerte hintereinander soll er am 12. April 1929 spielen. Die großen Drei, die drei Bs: Bach, Beethoven, Brahms – unter der musikalischen Leitung von Bruno Walter.
Yehudi Menuhin tritt auf, bescheiden, ernst und in kurzen Hosen. Die neu geschenkte Stradivari hat er dabei und er spielt so, wie keiner es für möglich gehalten hätte. Das Publikum ist von seinem Spiel zu Tränen gerührt. Als er sich verneigt, springen die Menschen auf: Sie toben, kein einziger bleibt sitzen. Albert Einstein, der musikbesessene Physiker stürmt hinter die Bühne und drückt Yehudi an sich. Seine Worte sind legendär:
Jetzt weiß ich, dass es einen Gott im Himmel gibt.
Nur die wenigsten wissen, dass Yehudi Menuhin sich dieses Konzertprogramm ertrotzt hat. Beethoven wollte er spielen. Beethoven, die große Herausforderung, der Maßstab, das Konzert der Konzerte: das Violinkonzert schlechthin. Schon zwei Jahre zuvor hatte er es gespielt, in New York, unter der Leitung von Fritz Busch. Und auch da war die Reife aufgefallen, mit der das Kind das Meisterwerk durchdrungen hatte.
An jenem 12. April 1929 beweist Yehudi Menuhin der Welt, dass er zum Geiger geboren ist. Und die Welt versteht. "Mayflower-Konzert" nennt Familie Menuhin später diesen Abend. Ein Ereignis bei dem jeder im Nachhinein dabei gewesen sein will – ganz wie die Reise des berühmten Auswandererschiffs "Mayflower", das vor 400 Jahren in die Neue Welt aufbrach.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Bach: Violin Concerto no. 2 in E major BWV 1042 - Yehudi Menuhin, violino; George Enesco, direttore
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 12. April 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK