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Barbara Vinkens Sachbuch "Diva" Eine Fantastische Opernverführerin

Frisch, lässig und kenntnisreich: Barbara Vinken schreibt so lustvoll über die Oper, dass der Untertitel "Opernverführerin" mehr als verdient ist. Mit "Diva" legt die Romanistin ein Buch vor, das zeigt, dass die Oper schon früh eine Gegenwelt zur männerdominierten Wirklichkeit geschaffen hat. Für unsere Autorin eine unbedingte Empfehlung.

Maria Callas als Medea | Bildquelle: EMI

Bildquelle: EMI

Frauen sterben bekanntlich gerne mal auf der Bühne, meistens mit einer superschönen Arie auf den blassen Lippen. Lucia di Lammermoor, eine Gattenmörderin, findet im Wahnsinn den Tod, Norma geht auf den Scheiterhaufen, Gilda läßt sich erdolchen, Tosca stürzt von der Engelsburg und Mimi hüstelt sich geschmeidig via Schwindsucht ins Jenseits.

Die Opernhäuser sind Kathedralen der Moderne, aber ihr Erlöser ist weiblich
Barbara Vinken in 'Diva. Eine etwas andere Opernverführerin'

Diese und einige weitere starke Frauen leuchtet Barbara Vinken in ihrer "Opernverführerin" aus, schaut hinter die Fassade, ob nicht doch mehr in den weiblichen Bühnentoden steckt, als der theatralische Tränendrüseneffekt. Und natürlich wird sie fündig!

Die Oper als Alternative zum Patriarchat

Dafür taucht die Wissenschaftlerin tief in unsere Kulturgeschichte ein. Und zwar sehr tief. Mein Tipp darum: Lexikon der Antike griffbereit halten, wer nicht sattelfest ist bei den Machenschaften von Adonis, Venus, Mars, Amor, Aphrodite und Eros. Die These, die Barbara Vinken auf über 400 Seiten entwickelt, klingt noch etwas steril: "Die Opernhäuser sind Kathedralen der Moderne, aber ihr Erlöser ist weiblich. Durch die Stimme der Diva, in der die Liebe triumphiert, wird der patriarchale Männerbund übertönt."

Klicktipp – Biografie über Maria Callas

Maria Callas war die größte Tragödin der Operngeschichte. Als Mensch war sie immer auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit. Die neue Biografie "Maria Callas. Die Stimme der Leidenschaft" erzählt vom Drama ihres Lebens. Hier geht's zum Artikel.

Die Belege allerdings, die sie für ihre These sammelt, also der Sieg der weiblichen Liebe und Lust über die dümmlichen Männer, die schöpft Barbara Vinken aus den Libretti, aus der Kulturgeschichte, aus der Musik, aus eigenen Opernbesuchen und aus ihrer Lebenserfahrung. Was die Münchner Romanistikprofessorin da so fleißig wie klug zusammen trägt, das kleidet sie nicht in nüchterne Satz-Sackkutten, sondern passt ihren Schreibstil immer wieder dem Metier, also Oper-Liebe-Eros-Sex an. Was das Lesevergnügen um ein Vielfaches steigert!

Vinken überzeugt durch sprachliche Leichtigkeit

Prof. Dr. Barbara Vinken (Professorin für Allgemeine Literaturwissenschaft und Romanische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München). | Bildquelle: BR/Philipp Kimmelzwinger Romanistin und Opernverführerin Barbara Vinken | Bildquelle: BR/Philipp Kimmelzwinger "Brutal-sadistische, geile Schwarze haben in diesem tyrannisch-orientalistischen Setting nur die schwärzesten Gedanken: nämlich nichts anderes im Kopf, als an die weiße Frau zu kommen", schreibt Vinken etwa über den Monostatos aus Mozarts "Zauberflöte" – eine der schlimmsten rassistischen Karikaturen der Operngeschichte. Das Kapitel über die "Zauberflöte" ist sprachlich eines der stärksten im Buch "Diva". Allein die Frische, die Direktheit mit der Barbara Vinken diese schrägste und wahrscheinlich beliebteste aller Opern anpackt, macht das Buch lesenswert.

Man müsse die "Zauberflöte" eben "gegen den Strich ihrer Oberflächenideologie bürsten", schreibt Vinken. Und dazu gehört – manch einer mag nun gerne aufstöhnen – auch die in unserer Zeit viel diskutierte Genderthematik. Für Barbara Vinken ist die Oper der Ort, wo Wokeness und Gender Fluidity schon vor Jahrhunderten vorgedacht und ausgelebt wurde: hier schlüpfen Männer in Frauenrollen, dort befriedigen Jünglinge ältliche Schnepfen und wieder woanders verkleidet man sich, um an den Mann oder die Frau zu kommen. Wieder wirft die Autorin Argumente und Belege in die Runde – so leicht und heiter, als würde sie eine Handvoll Konfetti in die Luft schmeißen, oder eine Koloratur trällern.

Fantasievolle und freche Opern-Lesarten

"Wenn Mozart im Sopran der Königin der Nacht ostentativ den strahlenden Kastraten-Sopran der Opera seria durchklingen lässt", so Vinken, "übersetzt er die Cross-Gender-Kulte der Isis in Musik. Was von der Zauberflöte im Ohr bleibt, ist die künstlichste, nicht-binäre Stimme der Königin." Die Auflösung für diese wilde Behauptung, liest sich schlüssig, so viel sei verraten. Diese und noch viele weitere freche, fantasievolle Lesarten von Opern machen die Opernverführerin "Diva" von Barbara Vinken zu einem unterhaltsamen, drallen Buch, das permanent Ping Pong spielt zwischen totaler Verkopftheit und sabbernder Lüsternheit.

Zum Buch "Diva. Eine etwas andere Opernverführerin"

Barbar Vinkens "Opernverführerin" ist im Verlag Klett-Cotta erschienen und kostet 30 Euro.

Sendung: "Allegro" am 23. März ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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