Musik weckt Gefühle, immer. Ohne Worte. Ohne Erklärung. Ohne Kontext. Musikjournalistin Carolin Pirich versucht in ihrem Buch "Das Vorspiel“ diesen Zauber der Musik in Worte zu fassen.
Bildquelle: Berenberg
Carolin Pirich stellt in ihrem Buch ein Zitat von Igor Strawinsky voran: "Die Musik ist der einzige Bereich, in dem der Mensch die Gegenwart realisiert.“ Die Autorin nähert sich dem Phänomen des Musik-Erlebens aus mehreren Perspektiven: über Musikerinnen und Musiker, über Werke und Situationen. Sie sucht keine theoretische Erklärung für die Wirkung von Musik. Sie nähert sich dem Phänomen über die Praxis. Über Anekdoten. Etwa wie sie selbst ein Konzert auf einer Insel in der Havel in Berlin-Reinickendorf organisierte, noch während der Corona-Beschränkungen. Ein Flügel, der auf einem Boot über das Wasser geschafft werden muss. Hürden, die gegangen werden müssen, damit Musik entsteht.
Es ist eine Sammlung von Versuchen, der Musik nahezukommen.
Pirich nimmt die Leserinnen und Leser an die Hand, nimmt sie mit zu Besuchen bei Joana Mallwitz oder Igor Levit, bei der Geigerin Franziska Pietsch oder Michael Weßels, der seit 1988 Platzanweiser in der Deutschen Oper Berlin ist: 500 Mal hat er Mozarts "Zauberflöte“ live gehört hat. Eine "Oper für Einsteiger“ wie Weßels sie in dem Buch nennt. Familien mit Kindern würden kommen, Senioren, aber auch viele Opern-Erstlinge.
In drei Teile hat Carolin Pirich ihr Buch untergliedert. In Teil 1 geht es grob um die Genese von Musikerinnen und Musikern, um die Ausbildung. Man begleitet einen Kontrabassisten zum Vorspiel für das Konzerthausorchester Berlin. Oder erlebt Pirichs eigenen ersten Klavierunterricht mit und ihre Entscheidung sich einen Flügel anzuschaffen. Teil 2 erzählt vom professionellen Musikbetrieb mit Stars wie Joana Mallwitz, die sich an Mahlers Symphonie Nr. 1 abarbeitet, um sie mit dem Bayerischen Staatsorchester aufzuführen. Oder David Garrett, der vor 6400 Menschen in der Messehalle Erfurt keine Lust mehr hat David Garrett zu sein. In Teil 3 rückt sie schließlich die Werke in den Vordergrund. Besonders beeindruckend ist hier die Begegnung mit Vladimir Jurowski – als er zu Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine das Konzert mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin mit der ukrainischen Nationalhymne eröffnete und das Programm von Tschaikowsky zugunsten des ukrainischen Komponisten Mychajlo Werbyzkyj verschob.
Carolin Pirich schreibt klar. Reportagig. Journalistisch. Es geht hier nicht um eine kunstvolle Sprache, sondern um eine direkte. Die Texte, die zum Teil auch schon einzeln in verschiedenen Medien erschienen sind, wollen nur eines: Ihre Leserinnen und Leser möglichst ohne Umschweife mit in die Situation hineinnehmen. Pirich sucht keine sprachliche Entsprechung für die Musik, sie lässt die Musik durch ihre Protagonistinnen und Protagonisten erscheinen, erklingen und erklären. Ihre Annäherung an diese so abstrakte, so faszinierende und oft intellektuell so schwer greifbare Kunst, wird so auch erstaunlich menschlich und unterhaltsam.
Carolin Pirichs Buch "Das Vorspiel“ ist im Berenberg Verlag erschienen. Es kostet 20 Euro und ist im örtlichen Buchhandel erhältlich.
Sendung: "Allegro" am 28. April 2023 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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