Vor 500 Jahren war der wallonische Sänger und Komponist Jacques Arcadelt ein internationaler Star. Die Box mit drei CDs und drei erstklassigen Ensembles, die ihm das belgische Label Ricercar nun zum 450. Todestag widmet, ist eine editorische Großtat. Und sie zeigt: Auch Franz Liszt war ein Arcadelt-Fan...
Bildquelle: © Ricercar
Michelangelo liebte seine Stimme, die Dichter Ronsard und Rabelais feierten seine Musik. Seine Noten waren Verkaufsschlager, seine Arbeitgeber die mächtigsten Männer der Welt: die Medici in Florenz, der König von Frankreich, der Papst in Rom. Vor knapp 500 Jahren war der wallonische Sänger und Komponist Jacques Arcadelt ein internationaler Star.
Heute ist Arcadelts Licht ziemlich verblasst zwischen den großen Leuchttürmen Josquin Desprez und Palestrina. Wer weiß schon, dass er zu den Erfindern des Madrigals gehörte? Wer kennt noch sein berühmtestes Madrigal, "Il bianco e dolce Cigno"? Und so ist es eine editorische Großtat, wenn der belgische Musikwissenschaftler Jérôme Lejeune nun zum 450. Todestag seines Landsmanns für sein Label Ricercar nicht nur eine, sondern gleich drei Arcadelt-CDs produziert hat - in einer Box, aber jede mit einem anderen Spezialensemble: die erste mit Madrigalen und der quirligen Cappella Mediterranea unter der Leitung des argentinischen Dirigenten Leonardo García Alarcon; eine zweite mit den weit ausschwingenden, volltönenden Motetten und dem Choeur de chambre aus Arcadelts Heimatstadt Namur; und die dritte mit dem Ensemble Doulce Mémoire und Arcadelts frechen französischen Chansons.
Gerade die Franzosen unter der Leitung des Blockflötisten Denis Raisin Dadre begeistern mit Witz und Charme, erfinden zu einem Trinklied, von dem nur eine Strophe überliefert ist, flugs noch drei weitere hinzu und sorgen mit Gitarre, Laute und Blockflötenconsort für farbenreiche Begleitung. Aber auch die Cappella Mediterranea hebt den stilistischen Reichtum der Madrigale durch vielfältige Besetzungen hervor: mal mit solistischem Gesang zur Laute, mal im Duett, mal als Ensemble, manchmal sogar von Strophe zu Strophe wechselnd.
Drei CDs also, die nie langweilig werden. Und die sich übrigens nicht auf Arcadelts Originale beschränken, sondern dessen Bedeutung und Wirkung auch in Transkriptionen seiner Musik wieder lebendig werden lassen - von zeitgenössischen Lauten-Intavolierungen bis zu einer kuriosen Orgelbearbeitung von Franz Liszt. Dazu ein über hundertseitiges Booklet, das anhand der Biographie des international vernetzten Arcadelt ein Panorama der europäischen Renaissancekultur entwirft. Alles in allem: eine CD-Box, die die Flut der Alte-Musik-Veröffentlichungen überragt und in jeder Hinsicht preiswürdig ist.
Choeur de chamber de Namur
Cappella Mediterranea: Leonardo García Alarcón
Doulce Mémoire: Denis Raisin Dadre
Label: Ricercar
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 28. Oktober 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK