Seit gut einer Woche tourt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks durch Asien. Besonderes Highlight sind die Konzerte in der weltberühmten Suntory Hall in Tokio. Der Architekt Johannes Ernst begleitete das Orchester nach Japan und sammelte dort Inspirationen - denn er wird über die Entwürfe zum neuen Münchner Konzertsaal mitentscheiden. Über 500 Fotos hat er mit dem Handy gemacht - um seine Eindrücke und Gedanken festzuhalten.
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Audio: Werksviertel-Chefplaner Johannes Ernst in der Suntory Hall
Johannes Ernst steht mitten auf der 250 Quadratmeter großen Bühne der Suntory Hall, dort wo das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter seinem Chefdirigenten Mariss Jansons gerade Mahlers 9. Symphonie gespielt hat. Neugierig, wissbegierig und auch ein wenig beeindruckt blickt er in den Zuschauerraum. Die Suntory Hall, wie sie in den 80er Jahren in Tokio gebaut wurde - eingebettet in ein Hotel, mit Büros, Restaurants und Geschäften - beschreibt er als eine Art kleine Idealstadt: "Hier hat man - auf den Rat von Herbert von Karajan - den größten Hotelsaal als Konzertsaal konzipiert", erzählt Johannes Ernst. Dabei legte Karajan größten Wert auf eine gute Akustik. Ein Aspekt, der auch für den neuen Konzertsaal in München entscheidend ist.
Johannes Ernst ist mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nicht nur mit nach Japan gekommen, um sich Konzertsäle anzuschauen. Für ihn ist es auch spannend, die Reise mit dem Orchester zu erleben: zu beobachten, wie mehr als 100 Musiker unterwegs sind, wie sie wohnen, wie sie die Umgebung nutzen und wie sie diese beleben. Über 500 Fotos hat Johannes Ernst mit seinem Handy gemacht: von Landschaften, Brücken, japantypischem Umgang mit stadtplanerischen Problemen. Johannes Ernst macht sich anhand optischer Eindrücke Gedanken darüber, welche Elemente japanischer Bau- und Gestaltungsphilosophie in die Planung eines neuen Münchner Konzertsaals und dessen Umfelds einfließen könnten.
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Alte Wurzel
Bei uns würde man bei einer so alten Wurzel sagen: schmeiß das Ding mal weg. In Japan ist es genau umgekehrt: Da verehrt man die Natur und stilisiert sie auch. Was wir hier sehen, ist die Wurzel eines Baumes aus einer Tempelanlage in Osaka, die wunderschön den Lauf der Geschichte zeigt, zum Nachdenken anregt und dieses Land erklärt - nur dadurch, dass sie da ist. Auch beim neuen Münchner Konzertsaal geht es um Stille, um Linien und um Konzentration - Dinge, die man modellhaft an diesem Naturbeispiel sehen kann. | Bildquelle: © Johannes Ernst
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U-Bahn Netz
Das U-Bahn-Netz hier in der Stadt mit seinen unterirdischen Gängen ist wirklich fantastisch. Aber auch Fremde können die Automaten perfekt bedienen. Es ist unglaublich beeindruckend, mit welcher Sorgfalt, Klarheit und Liebe die öffentlichen Einrichtungen hier in Japan behandelt werden. Auch wir machen uns viele Gedanken über die Erschließung des Werksviertels: Wie kommt man zum neuen Konzertsaal hin? Wie wird das Werksviertel Teil der Stadt? | Bildquelle: © Johannes Ernst
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Hochstraße
Die Japaner können das einfach gut: Dinge übereinander stapeln. In Tokio gibt es vierfach übereinander gestapelte Hochstraßen. Für uns ein Grauen! Hier nimmt man sie mit einer gewissen Begeisterung wahr. Das ist der japantypische Umgang mit einem Problem. | Bildquelle: © Johannes Ernst
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Japanisches Schloss
Das älteste Schloss Japans steht im Örtchen Hymeichi. Es ist komplett aus Holz konstruiert und ein wunderbares Gebäude. Es ist sehr hell und entstand zu der Zeit, in der man bei uns eher dunkle Schlösser gebaut hat. Das Bauwerk liegt auf einem Hügel ... | Bildquelle: © Johannes Ernst
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Japanisches Schloss
... und erinnert unglaublich stark an die Elbphilharmonie in Hamburg. Es gibt zwei unterschiedlich hohe Bereiche, was eine gewisse Asymmetrie reinbringt. Außerdem hat es geschwungene Dächer. Darüber hinaus ist die Verbindung von Naturelementen und Architektur wunderbar gelungen. Auch in Bezug auf den neuen Münchner Konzertsaal müssen wir uns mit diesen Fragen beschäftigen: Wie steht so ein Gebäude da? Wie wird es herausgearbeitet? Inwieweit ist es etwas Besonderes? Und inwieweit wird es Teil einer übergeordneten Struktur? | Bildquelle: © Johannes Ernst
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Asiatische Gasse
In einer Gasse in Osaka sieht man unten kleine Läden, oben drüber gibt es noch ein oder zwei Stockwerke. Trotzdem gleicht das Ganze einer Maschine - mit Entlüftungsrohren, Konstruktionsträgern, dahinter ein geheimer Gang ... Man sieht, dass auch unwirkliche Strukturen und Gebäude bei der richtigen Bearbeitung einen sagenhaften Ort formen können. Und das hat ganz viel mit dem Werksviertel zu tun. Auch hier kann man ein bisschen "dirty realism" zulassen und aus Dingen etwas machen, die auf den ersten Blick nicht schön sind. | Bildquelle: © Johannes Ernst
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Kyoto - Tempel mit Tor
Kyoto ist eine japanische Stadt mit unendlich vielen Tempeln. Einfach wunderbar. Was mich wirklich begeistert, ist die große Verehrung und die Hingabe, die die Menschen hier ihren alten Kultstätten entgegenbringen. | Bildquelle: © Johannes Ernst
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Zehensteingarten Tokio
Im Zen-Steingarten von Tokio sind 15 Steine so gruppiert, dass kein Mensch sich erklären kann, warum sie so stehen. Zugleich kann sich niemand der Wirkung dieser Steine entziehen. Es ist ein Raum, der totale Leere und Konzentration zugleich inszeniert. Und das ist genau das, was wir auch in unserem Werksviertel machen wollen. Die Verdichtung innen und die Konzentration außen brauchen natürlich auch eine Schnittstelle. Und diese Schnittstelle ist im Grunde der öffentliche Raum. Wir müssen darauf achten, dass der auch bespielt wird. | Bildquelle: © Johannes Ernst
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Suntory Hall
Die Suntory Hall ist eine Art kleine Idealstadt, die Anfang der 80er Jahre entstand. Die Firma Suntory hatte die Idee aufgegriffen und fügte Hotel, Büros und Läden zusammen. Dort hat man dann - beraten durch Herbert von Karajan - den größten Hotelsaal als Konzertsaal gebaut, zusammen mit dem Akustik-Meister Toyota. Karajan hat gesagt, er bringe alles Gute aus der Philharmonie in Berlin hierher und alles, was dort nicht so gut funktioniere, würde er hier weglassen. Die Vorgaben von Toyota und Karajan wurden perfekt umgesetzt. | Bildquelle: © Johannes Ernst
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Auch beim Münchner Konzertsaal kommt es am Ende natürlich auf die Akustik an. Die Qualität des Saales ist zentral. Denn auch ins beste Fußballstadion kommt keiner, wenn immer nur die zweite Liga dort spielt. So wird es auch mit dem neuen Konzertsaal in München sein. Wenn der Saal nicht wirklich die akustische Topqualität hat, kann er von außen noch so toll aussehen. Dann werden die besten Orchester der Welt ihn meiden. | Bildquelle: © Johannes Ernst
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Werksviertel am Münchner Ostbahnhof
Der kulturelle Beitrag, den der neue Münchner Konzertsaal liefert, geht weit über das eigentliche Konzert hinaus. Er strahlt in das gesamte Werksviertel aus. Ich habe die große Hoffnung, dass wir im Werksviertel - mit der Umgebung, die wir da entwickeln - einen Ort schaffen, wo die Musiker gerne hinkommen und sich danach auch noch unten in die Bar setzen. | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Die Suntory Hall ist weltweit berühmt für ihre gute Akustik. Auch das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks selbst ist von dem Saal total begeistert. "Es war ein atemberaubendes Erlebnis", schwärmt Klarinettist Werner Mittelbach nach dem Konzert. "Das hier ist unter den Konzertsälen der Olymp." In München läuft gerade ein Architektenwettbewerb, in dem über die Konzeption des neuen Konzertsaals entschieden werden soll. Werner Mittelbach hätte am liebsten einen nach dem japanischen Vorbild der Suntory Hall.
Packt das Ding hier ein und baut es in München wieder auf.
Annekatrin Schnur berichtet in ihrem Reisetagebuch über die Tournee des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks durch Asien. Das Orchester macht Station in Japan, Südkorea und Taiwan.