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OPUS KLassik für Jakub Józef Orliński "Barock ist groovy"

Am kommenden Wochenende wird der polnische Countertenor Jakub Józef Orliński mit dem OPUS KLASSIK ausgezeichnet – als Sänger des Jahres. Im Interview erzählt er, was es für ihn bedeutet, in seiner Heimatsprache zu singen, warum er Barockmusik mag und warum er allen empfiehlt, zur Wahl zu gehen.

Der Countertenor Jakub Józef Orliński | Bildquelle: picture alliance / AAPimages / Timm | AAPimages / Timm

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BR-KLASSIK: Jakub Józef Orliński, das Stück "Bei der Spinnerin" auf Ihrem Album "Farewells" klingt für mich nach einem eine Minute und 20 Sekunden langen, sehr schönen, komplizierten Zungenbrecher. Polnisch ist Ihre Muttersprache. Trotzdem die Frage: Wie gut singt sich die polnische Sprache?

Jakub Józef Orliński: Auf Polnisch zu singen, ist wirklich sehr, sehr schwer. Aber es lohnt sich. Ehrlich gesagt, ist es nicht viel schwerer als auf Deutsch zu singen. Als Sänger muss man die Aussprache vieler Sprachen lernen, aber dann natürlich auch tiefer gehen und die Bedeutung der Worte verstehen, um den Text gut darstellen zu können. In besagtem Stück ist es schwierig, weil es sehr schnell ist, und man hat kaum Zeit zu atmen. Man muss es aber trotzdem verständlich machen. Es ist knifflig.

Die wahre Virtuosität liegt in den langsamen Stellen

BR-KLASSIK: Die Arien des Barocks sind für den Countertenor ja oft mit Glamour verbunden. Ich habe aber trotzdem den Eindruck, wenn Sie diese Arien singen, dann zeigen Sie nicht nur diesen strahlenden Sonnyboy. Sind Sie so etwas wie der Melancholiker unter den Countertenören?

Der Countertenor Jakub Józef Orliński bei der OPUS KLASSIK-Verleihung 2019 | Bildquelle: picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress Jakub Józef Orliński bei der OPUS KLASSIK-Verleihung 2019 | Bildquelle: picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress Jakub Józef Orliński: Ich muss sagen, ich genieße Barockmusik einfach in ihrer Fülle. Ich liebe es, diese schwierigen Koloraturen der Arien zu singen. Gleichzeitig denke ich, dass sich die wahre Virtuosität bei den langsamen Stellen zeigt. Ich sage nicht, dass es einfacher ist, schnell zu singen. Aber ich liebe diese melancholischen Melodien und finde mich darin vielleicht selbst, weil ich als Person auch melancholisch bin. Natürlich tanze ich auch gern und unternehme viel. Aber manchmal brauche ich diese Ruhe. Manchmal muss ich tiefer in mich gehen, traurig sein und nachdenken.

Ich übe jeden Tag, weil es mir wirklich hilft.
Jakub Józef Orliński

BR-KLASSIK: In München konnte man Sie ja zum Abschluss der letzten Spielzeit in Händels "Semele" sehen. Es gab jede Menge Extra-Applaus für die Breakdance-Einlagen. Wie oft trainieren Sie denn?

Jakub Józef Orliński: Ich trainiere sehr viel – Singen natürlich zum einen, aber auch das Tanzen. Ich übe jeden Tag, weil es mir wirklich hilft, sowohl mental als auch körperlich. Denn ich muss ja bereit sein! Als wir an der Bayerischen Staatsoper "Semele" gespielt haben, war es wirklich schwer, diese Ausdauer für dreieinhalb Stunden zu haben. Für die Konzerttouren muss ich bereit sein, mental, körperlich und stimmlich. Solange mein Körper fit ist, kann ich auch gut mit meiner Stimme arbeiten. Wenn ich aber Krämpfe habe oder es mir nicht gut geht oder ich blockiert bin, dann hört man das auch in meiner Stimme.

Musik öffnet neue Türen

BR-KLASSIK: Breakdance und Barock – das klingt ja auch erst mal ein bisschen widersprüchlich. Die Verbindung zwischen diesen beiden Dingen ist, dass im Barock ja auch sehr viel getanzt wurde.

Jakub Józef Orliński: Es gibt viel mehr Verbindungen, als man denken würde. Eigentlich ist Barock sehr "groovy", man kann dazu gut tanzen. Das mache ich auch mit meiner Crew. Musik öffnet neue Türen, und es ist interessant, weil gerade Street-Dance-Elemente in Kombination mit Barockmusik immer mehr sichtbar werden. In vielen Produktionen heutzutage gibt es Regisseure, die mit Choreografen zusammenarbeiten und das vor allem eben bei Barockopern.

Wenn man nominiert wird, ist das spektakulär und schenkt einem viel Freude.
Jakub Józef Orliński über den OPUS KLASSIK

BR-KLASSIK: Sie bekommen jetzt am Wochenende den OPUS KLASSIK verliehen. Was bewirkt denn so ein Preis bei Ihnen? Ist das ein "Trau dich noch mehr"?

Jakub Józef Orliński - Countertenor | Bildquelle: © Jiyang Chen Jakub Józef Orliński | Bildquelle: © Jiyang Chen Jakub Józef Orliński: Ja, auf jeden Fall. Es ist etwas, das mich natürlich sehr glücklich macht. Natürlich produziert man keine Alben, um eine Auszeichnung zu bekommen. Wenn man aber nominiert wird, ist das schon spektakulär und schenkt einem viel Freude. Das zeigt einem, dass die Leute wirklich zuhören und interessiert sind an den Projekten. Wenn man dann eine Auszeichnung erhält und auch noch eine wie den OPUS KLASSIK, eine der wichtigsten Auszeichnungen Europas, dann ist das wirklich großartig. Das heißt auch, dass ich weitermachen muss mit dem, was ich mache, weil es den Leuten anscheinend gefällt.

Verantwortung übernehmen

BR-KLASSIK: Sie haben gesagt, Sie sind gerade in Warschau. Polen ist ja momentan in einer recht komplizierten Lage. Am 15. Oktober wird gewählt. Es gab gerade den "Marsch der Millionen Herzen" gegen die aktuelle Regierung. Wir leben in einer Zeit, in der von Künstlerinnen und Künstlern oft ein politisches Statement verlangt wird. Wie stehen Sie dazu?

Jakub Józef Orliński: In den sozialen Medien teile ich ungerne eine präzise Botschaft oder ein Statement. Ich bin der Meinung, dass Kunst eine Kraft hat und auch Musik Brücken bauen und die Menschen nicht weiter voneinander entfernen sollte. Die Menschen der jungen Generation sind ja Bürger dieser Welt und können überall hinreisen. Sie verstehen aber nicht, dass man sich um die eigene Heimat auch kümmern und sich dafür interessieren muss. Nur dann kann man sich auch um andere Orte kümmern. Man muss Verantwortung übernehmen und zumindest wählen gehen. Ich reise gerne und interessiere mich sehr für die politische Lage in den jeweiligen Ländern. In Polen versuche ich, die Menschen dazu zu überreden, zu wählen, und wenn man mich und meine Arbeit kennt, weiß man auch, was ich wählen würde. Das sage ich jetzt natürlich nicht, nur so viel: Geht wählen!

Sendung: "Leporello" am 05. Oktober 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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