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Kritikerumfrage der "Opernwelt" - Kommentar Es trifft die Richtigen

Stuttgart ist unter seinem uneitlen, bravourös im Hintergrund und im Team agierenden Intendanten Jossi Wieler zu Recht "Opernhaus des Jahres" geworden, meint BR-KLASSIK Redakteurin Annika Täuschel. Genauso wie der im russischen Perm arbeitende Grieche Teodor Currentzis, der zum "Dirigenten des Jahres" gewählt wurde. Doch auch die Musikstadt München hat bei der diesjährigen Kritikerumfrage der Zeitschrift "Opernwelt" wieder in vielen Kategorien gepunktet.

Annika Täuschel | Bildquelle: © Felix Hentschel

Bildquelle: © Felix Hentschel

BR-KLASSIK-Redakteurin Annika Täuschel

Das Bayerische Staatsorchester ist zum dritten Mal in Folge zum "Orchester des Jahres" gekürt worden. Eine verdiente Auszeichnung für den traditionsreichen, extrem versierten und stilistisch flexiblen Klangkörper, der mit den Bühnen-Klassikern von Wagner, Verdi, Strauss und Mozart ebenso selbstverständlich auf höchstem Niveau vertraut ist, wie er Lust und Neugier auf komplexes Randrepertoire hat - in der vergangenen Saison fulminant bewiesen zum Beispiel mit Arrigo Boitos "Mefistofele", Sergej Prokofjews "Feurigem Engel" oder in den Akademiekonzerten auf der Bühne mit Prokofjews 3. Sinfonie sowie Branford Marsalis und dem "Tallahatchie Concerto".

Natürlich steckt hinter dieser Auszeichnung indirekt auch Beifall für den Generalmusikdirektor Kirill Petrenko (in der Umfrage auf Platz 2), der dem Bayerischen Staatsorchester seit 2012 mit seiner Präzisionsarbeit und Liebe zum Detail zu weiteren interpretatorischen Quantensprüngen verholfen hat.

Regisseur des Jahres: Barrie Kosky

Barrie Kosky | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa "Regisseur des Jahres" ist der Australier Barrie Kosky. Kosky ist erfolgreich Intendant der Komischen Oper Berlin und wurde in diesem Jahr mehrheitlich für seine Züricher Lesart von Verdis "Macbeth" gelobt (wie in derselben Produktion auch Teodor Currentzis). Doch auch München und sein Stammhaus Berlin verdanken Kosky in der vergangenen Spielzeit große Würfe: Prokofjews musikalisch und inhaltlich exzentrisches Kammerspiel "Der Feurige Engel" deutete er als 24-Stunden-Wahn einer leidenschaftlichen "amour fou" in einem Hotelzimmer - klaustrophobisch, grenzgängig und rauschhaft zugleich.

Ein überquellender Bilderreigen, ganz im Dienst des Werks. Und in Berlin arbeitet Kosky weiter an seinem Operetten-Zyklus, etwa mit der Musical-Revue von Oscar Strauss: "Eine Frau, die weiß, was sie will". Dagmar Manzel und Max Hopp stemmen die Kosky-Version zu zweit und schlüpfen virtuos und temporeich in 20 verschiedene Rollen. Eine atemlose Tour de Force, aktuell und modern!

Dirigent des Jahres: Teodor Currentzis

Teodor Currentzis | Bildquelle: Anton Zavyalov Bildquelle: Anton Zavyalov "Dirigent des Jahres" ist der junge Grieche Teodor Currentzis, der vor wenigen Jahren in Nowosibirsk und jetzt in Perm die Musikwelt aufmischt - mit seinem Ensemble MusicAeterna, und seinen eigenwilligen, wilden, ruppigen, durchaus auch ganz verhaltenen, jedenfalls immer leidenschaftlichen Interpretationen. Für seinen Züricher "Macbeth" wurde er aktuell prämiert.

Currentzis hat aber vergangene Saison zum Beispiel auch bei der Ruhrtriennale künstlerisch Farbe bekannt und ein begeisterndes Rheingold gezaubert (auch wenn die modernen Montage-Effekte die Produktion nicht aufgewertet haben). Aufsehen hat auch seine jüngste CD-Veröffentlichung mit russischem Repertoire erregt: Tschaikowskys fast schon überstrapaziertes Violinkonzert liest er mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja ganz neu (fast aus der Sicht von Tschaikowskys Opern-Heldinnen Lisa und Tatjana). Man kann über diese Interpretationen streiten, das macht das Votum für Currentzis aber gerade doppelt spannend.

Sänger des Jahres: Christian Gerhaher

Christian Gerhaher | Bildquelle: © Thomas Egli Bildquelle: © Thomas Egli "Sänger des Jahres" ist der Bariton Christian Gerhaher, dem die Oper Zürich ein fulminantes Rollen-Debüt als "Wozzeck" verdankt. Der Münchner Bariton, im Erstberuf gefühlt Lied- und Konzertsänger, steht nicht allzu oft auf der Opernbühne. Wenn, dann sind es aber wie in München beim "Orfeo" oder in Frankfurt beim "Don Giovanni" Sternstunden, sängerisch und darstellerisch. Im Mai 2017 steht an der Bayerischen Staatsoper unter Leitung von Kirill Petrenko der Wolfram in Wagners "Tannhäuser" an.

Kritiker vs. Publikum

Neu bei der aktuellen Umfrage der Zeitschrift "Opernwelt" war diesmal, dass neben den 50 Musikkritikerinnen und -kritikern auch das Publikum abstimmen konnte. Traditionsgemäß raunt durch die Foyers der Opernhäuser die mehr oder weniger ernsthafte Klage (in jüngerer Zeit gern auch von Künstlern erhoben, die sich mit kritischem Feedback auseinandersetzen müssen): Kritiker und Publikum würden sich in der Einschätzung von künstlerischer Arbeit massiv unterscheiden - durchaus subkutan mit dem latenten Vorwurf an die schreibende Zunft verbunden, sie sei verwöhnt und immer nur auf Neues, Schrilles, Extravagantes aus.

Auf den ersten Blick haben die Leser der "Opernwelt" ein anderes Votum abgegeben: mit der Bayerischen Staatsoper, Kirill Petrenko sowie den Gesangs-Stars Anja Harteros und Jonas Kaufmann auf Platz 1. Schaut man genauer hin, stellt sich heraus, dass die Genannten auch bei den Musikkritikern ganz vorne landen. Von Kluft und divergierender Wahrnehmung keine Spur. Komplett einig, und das nicht von ungefähr, sind sich alle bei Barrie Kosky als "Regisseur des Jahres". Zeit wird's also für sein Wagner-Debüt mit den "Meistersingern" 2017 bei den Bayreuther Festspielen!

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