BR-KLASSIK

Nichts ist weniger haltbar als die guten Vorsätze zum Jahresanfang. Das weiß auch BR-KLASSIK-Moderator Michael Atzinger. Und nimmt sich dennoch was vor für das Musikjahr 2024: Mehr Mut zum Experiment!

Als man vor kurzem Hunderte von Deutschen über ihre guten Vorsätze für 2024 befragt hat, kam Erwartbares: mehr Geld sparen, mehr Sport treiben und gesünder essen. Wie langweilig! Hab’ ich außerdem schon alles durch. Kein Mensch gab bei der Umfrage an: "Ich nehme mir ganz fest vor, öfter in die Oper oder ins Konzert zu gehen!" Das war zum Ankreuzen wahrscheinlich gar nicht vorgesehen. Warum eigentlich nicht?

Vorsatz 1: Mut zum Experiment

Mehr Mut zum Experiment! Das rufe ich mir für 2024 selber zu. Dazu gehört die Kammeroper "Hanjo" von Toshio Hosokawa, die im Frühjahr 2023 im Münchner Haus der Kunst für Begeisterung gesorgt hat und die das Münchner Kammerorchester im Mai wieder aufnimmt. Dazu gehört auch die Oper "Die Passagierin" von Mieczyslaw Weinberg im März an der Bayerischen Staatsoper. Und dazu gehört mindestens einer dieser famosen, immer wieder überrumpelnden Jazzabende im "Schwere Reiter".

Unter den Begriff "Experiment" fällt nicht unbedingt eine Neuinszenierung von Puccinis "Tosca". Ich gehe im Mai trotzdem hin, wegen Anja Harteros. Und vielleicht überrascht uns ja Regisseur Kornél Mundruczó mit einem frischen Blick auf abgenudelte römische Schauplätze.

Vorsatz 2: Mehr Frauen am Pult

"Frauen am Pult" wäre mein nächster Vorsatz – doch der nützt mir wenig, denn Dirigentinnen muss man nach wie vor mit der Lupe suchen, ob in München oder Augsburg, in Bamberg oder Nürnberg, Zumindest Marie Jacquot und Joana Mallwitz sind bei den Münchner Philharmonikern zu Gast. Joana Mallwitz leitet auch zwei Akademiekonzerte im April im Münchner Nationaltheater.

Wagner, Brahms und Schumann, Beethoven und Strawinsky, Beethoven und Richard Strauss, Beethoven und Beethoven, Brahms und Brahms, dazu eine Prise Sibelius – so liest sich (ein bisschen überspitzt) das Konzertprogramm der großen bayerischen Orchester. Die Augsburger Philharmoniker haben immerhin Musik von Kaaja Saariaho im männlich dominierten Programm; das Münchner Kammerorchester setzt seine verdienstvolle Komponistinnen-Reihe fort - und in irgendeinem Kammerkonzert in Bayern hat sich bestimmt Clara Schumanns Klaviertrio versteckt. Aber wenn ich das Klavierkonzert der Schwedin Laura Netzel oder eine der großartigen Sinfonien der Amerikanerin Florence Price hören will, lasst ihr mich, liebe Veranstalter, liebe Orchester, mit meinen Vorsätzen schmählich allein.

Vorsatz 3: Mut zur Nostalgie

"Mut zur Nostalgie" steht noch auf meinem "Vorsätze"-Zettel. Auftakt war vor kurzem ein Opernabend – im Kino: eine Dokumentation über die Callas bei ihrem Debüt 1958 an der Oper in Paris. Arien im ersten Teil – und danach der ganze zweite "Tosca"-Akt. Und das im edelsten Filmtheater von München – Balkonloge, mit Tischchen und der Möglichkeit, die Beine hochzulegen. Dazu ein Glas Weißwein und eine Etagère namens "Das Leben ist schön" – mit Käse und Tessiner Feigensenf, Brotsticks und Weintrauben. Musikalisch-kulinarische Glücksmomente. Davon, das nehme ich mir vor, soll’s 2024 mehr geben. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Vorsatz länger hält ...

Sendung: "Allegro" am, 29. Dezember ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK