Anfang und Ende liegen nah beieinander: Berlin etwa feierte Joana Mallwitz 2023 als neuen Klassik-Star, während Nürnberg ihr wehmütig hinterherblickt. München freut sich über Simon Rattles Einstand und auf Lahav Shani. Und an der Staatsoper unter den Linden bestätigen sich die Thielemann-Gerüchte. Die großen Personalwechsel in der Klassikszene 2023.
Bildquelle: BR/Benedict Mirow, picture alliance / Roman Zach-Kiesling, Astrid Ackermann, Ludwig Olah
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Joana Mallwitz verabschiedet sich bei ihrem letzten Konzert im April 2023 von ihrem Orchester. "Ich habe das irre genossen mit Ihnen auf der Bühne zu stehen in den letzten fünf Jahren", sagt sie zu den Musikerinnen und Musikern. Es war eine enge Beziehung zwischen der Staatsphilharmonie und ihrer Chefin. Joana Mallwitz war als Dirigentin in national und international gefragt. Und die Staatsoper Nürnberg zu einem wichtigen Ort auf Deutschlands Opernlandkarte. Leicht gefallen ist Mallwitz der Abschied von diesem Haus also nicht, denn Nürnberg sei für sie zu einer Art Heimat geworden. "Das nehme ich mit, das wird immer so bleiben", sagt sie. Denn die Zusammenarbeit sei eng gewesen, sie seien gemeinsam durch dick und dünn gegangen. "Ich werde Nürnberg mit mindestens einem weinenden Auge verlassen."
Ich werde Nürnberg mit mindestens einem weinenden Auge verlassen.
Umso euphorischer wurde Joana Mallwitz aber auf ihrem neuen Posten in Berlin empfangen: Als erste Chefdirigentin der Hauptstadt wurde ihr Antrittskonzert beim Konzerthausorchester Berlin euphorisch gefeiert. "Berlin hat einen neuen Klassik-Star", urteilte die Kritikerin Maria Ossowski.
Direkt nebenan wird im kommenden Jahr ein weiterer Dirigent seinen neuen Posten beziehen: Christian Thielemann. "Chefsein ist schön", erklärte der schon ein Jahr zuvor, habe aber auch immer den Nachteil, dass man viele Angebote absagen müsse… Da war gerade sein Vertrag als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle zum Ende der Spielzeit 2023/24 ausgelaufen. Doch das Dasein als Chef wird für den 64-jährige Dirigenten in absehbarer Zeit trotzdem nicht enden. Gerüchte gab es schon lange. Ende September wurde es dann gewiss: Von der Spielzeit 2024/25 an wird Christian Thielemann als Generalmusikdirektor der Staatsoper unter den Linden die Nachfolge Daniel Barenboims antreten.
Thielemann sprang schon im Oktober 2022 beim großen Ring-Zyklus in Berlin ein, den Daniel Barenboim wegen seines Gesundheitszustands nicht selbst leiten konnte. Sein Bekanntheitsgrad ist groß genug, um auf die Dirigierlegende Barenboim zu folgen. Und er ist als gebürtiger Berliner und ehemaliger Karajan-Assistent der Musikstadt Berlin eng verbunden. Die Wahl Christian Thielemanns war also erwartbar. Die Reaktionen auf seine Ernennung waren aber dann doch ambivalent. Während die einen seine hochkompetenten Interpretationen des klassisch- und vor allem romantischen Kernrepertoires schätzen, fehlt anderen Innovationsgeist und ein frischer Wind an der musikalischen Spitze des Hauses. Außerdem gilt er als ein schwieriger Charakter.
Die Münchner Philharmoniker kennen Thielemann als Chef bereits. Zuletzt hatte dort Valery Gergiev das Sagen, dem wegen seiner Putin-Nähe gekündigt wurde. Sein Nachfolger wurde 2023 benannt – und ist deutlich jünger: Lahav Shani. Gerade mal 34 Jahre alt der israelische Dirigent, der seinen Posten in München 2026 antreten soll.
Was mir vor allem in München gefällt, ist die Tatsache, dass Kultur so eine große Rolle spielt hier.
Als "Meilenstein in der Münchner Kulturgeschichte" bezeichnet Münchens OB Dieter Reiter die Ernennung Lahav Shanis. Der selbst zeigte sich überrascht, auch weil er derzeit schon zwei Chefpositionen – in Israel und in Rotterdam – habe. Dennoch freut er sich auf die Stadt: "Was mir vor allem in München gefällt, ist die Tatsache, dass Kultur so eine große Rolle spielt hier", äußerte sich Shani euphorisch über seine zukünftige Wirkstätte.
Nicht ganz eins ist Simon Rattle im Jahr 2023 mit der Politik an der Isar. Schon im Jahr vor seinem Antritt als Chef beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks setzte er sich vehement für den Bau des neuen Konzerthauses im Münchner Werksviertel ein. Nach einem euphorischen Einstandskonzert mit Haydns "Schöpfung" im September 2023 im Herkulessaal in München, betont er weiterhin, wie wichtig ein solches Haus für das Orchester, aber auch für das lebendige Musikleben in der Stadt sei.
Ich habe dieses Orchester ja schon vorher geliebt. Jetzt fühle mich als Teil der Familie.
Er selbst ist da sowieso vorn dabei. Im Vorfeld seines Antritts brachte er der Stadt schon symphonische Flashmobs oder lud im Frühjahr 2023 bayerische Blasmusiker zum symphonischen Hoagascht mit dem BRSO ein. Nach seinem Einstand hat sich sein Verhältnis zur Stadt und zum Orchester noch einmal intensiviert: "Wie mich die Musiker begrüßt haben, war natürlich wunderbar. Sie sind so warmherzig. Aber ich habe dieses Orchester ja schon vorher geliebt. Was sich verändert hat: Ich fühle mich als Teil der Familie. Aber es ist ja erst der Beginn einer weiten Reise", erklärte Simon Rattle nach seinem Einstandskonzert in München.
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