Eine Münchner Erfolgsgeschichte: Das Bayerische Staatsorchester feiert 500 Jahre. Im Bärenreiter-Verlag ist nun ein großer Sammelband erschienen. Anekdotisches trifft auf Hintergrundberichte. Ein äußerst gelungener Band, der das persönliche Erlebnis in der Oper noch intensivieren wird.
Bildquelle: Bärenreiter Verlag
Die Erfolgsgeschichte der Münchner Weißwurst – wäre sie denkbar ohne Senf? Die Erfolgsgeschichte der Münchner Hofkapelle – wäre sie denkbar ohne Senfl? Auch wer es ablehnt, Äpfel mit Birnen zu vergleichen oder Scherze zu treiben mit Eigennamen, wird staunen über diese Jahreszahl: Schon 1523, bevor sich Instrumentalmusik überhaupt etabliert hat, kommt es zur Geburtsstunde des Bayerischen Staatsorchesters! Vor 500 Jahren hat der einstige Chorknabe und spätere Tonsetzer Ludwig Senfl der Münchner Hofkapelle den Weg in die Zukunft gewiesen. Lustbetonte Lieder liefert er, deutschsprachige Vokalkompositionen als Spiegelbild der höfischen Welt. Und ausgeprägte Lust am Musizieren ist dem Staatsorchester bis heute wichtig, ob in der Oper oder bei seinen Akademiekonzerten.
Der für überbordende Musizierlust berühmten Dirigentenlegende Carlos Kleiber ist im Jubiläumsband ein besonders lesenswertes Kapitel gewidmet. Schließlich lässt dieser Magier des Taktstocks im Münchner Nationaltheater seit Ende der 1960er Jahre so manches Repertoirestück auf unverwechselbare Weise erglühen: "Rosenkavalier", "Fledermaus", "Traviata" und auch Symphonisches von Brahms oder Beethoven. Alles klingt plötzlich wie neu.
Die Wesenszüge der Bayerischen Generalmusikdirektoren werden im Buch sehr individuell von kritischen Beobachtern gewürdigt: Felix Mottl und Bruno Walter, Hans Knappertsbusch und Joseph Keilberth, der mitten in Wagners "Tristan" zusammenbricht und stirbt. Programmstrategische und interpretatorische Verdienste eines Wolfgang Sawallisch oder Zubin Mehta, Kent Nagano oder Kirill Petrenko – sie alle lassen sich, so verschieden sie auch gewesen sein mögen, in Ruhe nachvollziehen. Der aktuelle Amtsinhaber, Vladimir Jurowski, hebt im Gespräch "tausend Masken" hervor: die stilistische Wandlungsfähigkeit seiner Leute, die zwischen Frühbarock und Spätromantik, Monteverdi und Prokofjew switchen können als wär's ein Kinderspiel. Neben Dirigentenporträts stehen auch Artikel, die das Selbstverständnis der Orchestermitglieder schildern, ihre physiologischen und mentalen Höchstleistungen. Da werden Spielstätten als "Orte der Macht, Orte der Pracht" ausgeleuchtet, "Identitätsfragen im Wandel der Zeit". Kein Beitrag enttäuscht.
"Der Blick auf ein halbes Jahrtausend Orchestergeschichte kann mitunter lückenhaft oder gar verstellt sein – so wie auch die goldenen Buchstaben unseres Buchcovers die eigentlichen Worte nur erahnen lassen." So beschreibt Herausgeber Florian Amort den ersten Eindruck vom grafischen Erscheinungsbild der Publikation. Das zeigt ein gesundes Maß an Bodenhaftung. Und dienende Bescheidenheit gehört auch zur DNA des Staatsorchesters, das den größten Teil seiner Zeit nun mal abseits des Rampenlichts im Graben verbringt. Wer das Buch gelesen hat, wird diesem komplexen sozialen Organismus des geschichtsträchtigen Ensembles bei nächster Gelegenheit noch mehr Respekt entgegenbringen als bisher. Und das intensiviert nur das persönliche Erlebnis.
Buch zum Jubiläum, herausgegeben von Florian Amort, erschienen im Bärenreiter-Verlag Kassel 2023, 39,90 Euro.
Sendung: "Allegro" am 12. Dezember ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Dienstag, 12.Dezember, 15:03 Uhr
Rall, Hubert
Preis?
Warum geben sie da keinen Preis an?
Ist das Buch so exclusiv?
39,90€ ist doch nicht so viel...