Welche Einspielungen haben 2020 begeistert? Was waren die besten Veröffentlichungen? BR-KLASSIK-Redakteurinnen und -redakteure haben das musikalische Jahr Revue passieren lassen – und eine Auswahl getroffen. Und vielleicht ist ja auch der ein oder andere Weihnachts-Geschenktipp für Sie dabei.
Anton Bruckner: Symphonie Nr. 8 c-Moll (Live-Mitschnitt von 2019)
Empfehlung von Fridemann Leipold: Er ist Musikredakteur bei BR-KLASSIK und betreut dort das Ressort Symphonik.
Bildquelle: Sony Classical Das breite Dynamikspektrum von Thielemanns Bruckner-Interpretation haben die Tonmeister dieser Aufnahme perfekt abgebildet. Gewaltigen Klangeruptionen stehen wunderbar lyrische Momente gegenüber: Mit ihrem warmen Streicherton und ihrem klangschönen Blech sind die Wiener Philharmoniker ideale Partner für den Dirigenten.
Schuberts Streichquartett Nr. 14 d-Moll, D 810 "Der Tod und das Mädchen"
Empfehlung von Bernhard Neuhoff: Er leitet die Redaktion Aktuelles und Magazine bei BR-KLASSIK.
Bildquelle: Erato
Das Quatuor Arod spielt diese kompromisslose Musik mit atemberaubender Dramatik. Die vier Franzosen beschönigen nichts, runden nichts ab, wo Schubert scharfe Kanten setzt. Großartig auch das Gespür für Farben und Tonfälle. Schuberts verführerische Melodien-Sinnlichkeit darf sich aussingen in dieser erstaunlichen Musik.Auf überragendem Niveau – in einer Liga mit den allerbesten.
Werke von Sergej Prokofjew, Alexander Skrjabin, Igor Strawinsky
Empfehlung von Meret Fortser: Sie leitet die Redaktion Musik und Konzerte bei BR-KLASSIK.
Bildquelle: Deutsche Grammophon Geboren in der russischen Stadt Nischni Nowgorod studierte Trifonov zunächst in Moskau, später in den USA. Sein aktuelles Doppelalbum ist eine Hommage an die Musik seines Heimatlandes. Sympathisch ist die keineswegs nach reinen Popularitätskriterien getroffene Albumzusammenstellung, einzigartig das pianistische Können. Allein die Aufnahme des Skrjabin-Konzerts hat schon jetzt Referenzcharakter.
Modest Mussorgsky/Maurice Ravel: "Bilder einer Ausstellung", Maurice Ravel: "La Valse"
Empfehlung von Oswald Beaujean: Er leitet den Programmbereich BR-KLASSIK.
Bildquelle: Harmonia Mundi Klanglich so aufregend neu und gleichzeitig so schön habe ich das Werk seit meiner ersten Begegnung vor einigen Jahrzehnten jedenfalls nicht mehr gehört. Was Dirigent François-Xavier Roth und die 74 Musikerinnen und Musiker seines Originalklang-Orchesters in ihrer Einspielung bieten, ist schlicht eine Offenbarung. Und eine nicht für möglich gehaltene Wiederentdeckung.
Dmitrij Schostakowitsch: Symphonie Nr. 5
Extra-Empfehlung von Oswald Beaujean
Bildquelle: BR Wer Schostakowitsch verehrt, kommt an den Aufnahmen von Mariss Jansons nicht vorbei – seine Gesamteinspielung der fünfzehn Sinfonien mit acht der weltweit bedeutendsten Orchester ist ein Meilensteinen der Schostakowitsch-Diskographie. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks war seinerzeit mehrfach beteiligt, allerdings nicht mit der Fünften. 2014 holte Jansons das mit "seinem" Orchester nach. Der unlängst veröffentlichte Live-Mitschnitt, mustergültig an Transparenz wie spannungsgeladener Intensität, räumt mit allen Zweifeln an der Doppelbödigkeit dieses Werkes auf: ein Vermächtnis des großen Dirigenten.
Antonio Pappano: "Otello" von Giuseppe Verdi
Empfehlung von Volkmar Fischer: Er ist Opernredakteur bei BR-KLASSIK.
Bildquelle: Sony Classical Jonas Kaufmann hat mit der mörderischen Verdi-Partie des eifersuchtsgeplagten Helden Otello bisher nicht nur an der Bayerischen Staatsoper Erfolg gehabt, sondern auch schon am Royal Opera House Covent Garden 2017. Zwei Jahre danach, im Sommer 2019 in Rom, entstand diese CD: mit Kaufmann in der Titelpartie, und wie zuvor in London liegt die musikalische Leitung bei Antonio Pappano. Jahrzehntelang gab es keine vergleichbar gute "Otello"-Aufnahme.
Lieder von Schumann und Brahms
Empfehlung von Alexandra Maria Dielitz: Sie arbeitet als Musik-Redakteurin bei BR-KLASSIK
Bildquelle: Deutsche Grammophon Mal hell strahlend, mal dunkel glühend – immer mit samtigem Timbre, perfektem Übergang zwischen den Registern, großer Legato-Kultur und einem betörenden Farbspektrum. Dass sie "immer noch flüstern" kann, will Elīna Garanča beweisen, dass die große Bühne sie also keineswegs abgestumpft hat für intime Stimmungen und zarte Ausdrucksnuancen. Der perfekte Partner hierfür ist der schottische Pianist Malcolm Martineau.
Das Debüt-Album von Emily Stewart
Empfehlung von Kristin Amme: Sie ist Redakteurin für Neue Musik bei BR-KLASSIK.
Bildquelle: col legno Emily Stewart spielt nicht nur Geige, Bratsche und Klavier auf ihrem Debütalbum. Sie singt auch. Und sie bewegt sich in unterschiedlichsten musikalischen Kontexten: Pop, Jazz, Klassik. Es sind die leichtherzigen Momente dieser CD, für die Emily Stewart vom alten Melancholie-Forscher Robert Burton den etwas hochtrabenden Titel geklaut hat: "The anatomy of melancholy". Die richtige CD zur richtigen Zeit. Jetzt, wo die einen das Zuhausebleiben romantisieren. Und die anderen es einfach satthaben.
Björn Schmelzer und das Ensemble Graindelavoix mit Musik von Carlo Gesualdo
Empfehlung von Thorsten Preuß: Er ist Redakteur mit Schwerpunkt Alte Musik bei BR-KLASSIK.
Bildquelle: © Glossa Das Ensemble Graindelavoix hat in den letzten Jahren unsere Vorstellungen von Renaissance-Musik gründlich durcheinandergewirbelt. Es hat das Ideal eines makellos homogenen Ensembleklangs in Frage gestellt – mit Gesangstechniken, wie man sie aus der traditionellen Musik des Mittelmeerraums kennt. Bei der verstörenden Musik von Carlo Gesualdo geht dieses Verfahren ganz besonders unter die Haut.
John Williams mit Anne-Sophie Mutter bei den Wiener Philharmonikern
Empfehlung von Matthias Keller: Er ist Redakteur für Film- und Kirchenmusik bei BR-KLASSIK.
Bildquelle: Deutsche Grammophon Es ist ein Konzertabend, der dem Wiener Publikum lange in Erinnerung bleiben wird. Gleich drei Größen der Musikwelt kommen im Großen Musikvereinsaal zusammen: Die Wiener Philharmoniker, Stargeigerin Anne-Sophie Mutter und der Großmeister der Filmmusik, John Williams. Schon vor dem Konzert versammeln sich Trauben von Fans am Künstlereingang, um ein Autogramm von John Williams zu erhaschen. Das Publikum im Saal ist jünger als sonst und bunt gemischt: Anzug und Abendkleid, Jeans und T-Shirt, alles ist vertreten. Als John Williams die Bühne betritt, gibt es Jubel und Standing Ovations – bevor er den Taktstock hebt und zum ersten Mal die Wiener Philharmoniker dirigiert. Ein denkwürdiges Filmmusik-Konzert auf CD.
Werke von Bach, Brahms, Reger und Feldman
Empfehlung von Laszlo Molnar: Er ist Redakteur im Bereich Fernsehen bei BR-KLASSIK.
Bildquelle: Sony Classical Während des Lockdowns spielte Igor Levit zu Hause und übertrug seine Hauskonzerte täglich über Twitter. Ende Mai nahm er dann ein Album auf. Es steht ganz unter dem Eindruck dieses verordneten Rückzugs und der Einsamkeit des Pianisten, dem auf einmal Aufgabe und Publikum fehlten. Lohnenswert, auch weil es die Hörer mit wenig gespielten Stücken bekannt macht.
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