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Die zehn wichtigsten Musikbücher des Jahres Das muss man 2020 gelesen haben

Welche Musikbücher und Musikerbiografien haben uns 2020 begeistert? BR-KLASSIK hat das Jahr Revue passieren lassen. Diese zehn Musikbücher sollten Sie kennen.

Ein Stapel neuer Bücher liegt auf einem Verkaufstisch in einer Buchhandlung. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Frank Rumpenhorst

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Markus Thiel: Mariss Jansons - Ein leidenschaftliches Leben für die Musik

Buch-Cover "Mariss Jansons. Ein leidenschaftliches Leben für die Musik" von Markus Thiel | Bildquelle: Piper Bildquelle: Piper 16 Jahre lang war Mariss Jansons Chefdirigent beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Eine fruchtbare, bereichernde, beglückende Zeit – für ihn, das Orchester und das bayerische Kulturleben. Am 1. Dezember 2019 ist Jansons 76-jährig in seiner Heimatstadt St. Petersburg gestorben. Jetzt hat der Journalist und Musikredakteur Markus Thiel eine Biografie über den Dirigenten geschrieben. Thiels Sprache kommt ohne Klischees aus, biedert sich nicht an, verherrlicht nicht. Sehr berührend ist der dezente Blick auf das allmähliche krankheitsbedingte Verlöschen dieser Musikerpersönlichkeit, dieses Analytikers mit Herz – und auch Humor. Dieses Buch muss man haben, weil es auf sehr noble Weise das Andenken an einen großen Dirigenten wach hält.

Markus Thiel: "Mariss Jansons – ein leidenschaftliches Leben für die Musik" Piper Verlag, 320 Seiten, 25 Euro.

Eleonore Büning: Warum geht der Dirigent so oft zum Friseur?

Buchcover – Eleonore Büning: Warum geht der Dirigent so oft zum Friseur? | Bildquelle: Benevento Bildquelle: Benevento Hatte Richard Strauss etwas gegen Frauen? Wie lang darf eine Fermate sein? Antworten gibt es im neuen Buch der Musikjournalistin Eleonore Büning – mit Fachwissen und Augenzwinkern. Seit 2015 hat die langjährige Musikredakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Kolumne in deren Sonntagsausgabe. Der Titel ist Programm: "Fragen Sie Eleonore Büning". Insgesamt 58 Leserfragen, inklusive ihrer Antworten sind nun in einem Sammelband erschienen. Musikwissen straight und schnodderig, sozusagen. Und wenn es um den Bayreuther Wagner-Klan geht, gern auch mal provokant. Ein Buch, das einfach Spaß macht!

Eleonore Büning: "Warum geht der Dirigent so oft zum Friseur? Antworten auf die großen und kleinen Fragen der Musik". Benevento Verlag, 224 Seiten, 20 Euro.

Nikolaus Harnoncourt: Über Musik

Buchcover – Nikolaus Harnoncourt: "Über Musik" | Bildquelle: Residenz Verlag Bildquelle: Residenz Verlag Er hat die Interpretation Alter Musik neu zugänglich gemacht und die üblichen Hörgewohnheiten infrage gestellt: der vor vier Jahren gestorbene Musiker und Dirigent Nikolaus Harnoncourt. Über seine musikalischen Erkenntnisse hat er auch zahlreiche Bücher verfasst. Jetzt hat seine Witwe Alice Harnoncourt, die Violinistin und Konzertmeisterin des Concentus Musicus, ein Buch mit nachgelassenen Texten ihres Ehemanns herausgegeben: mit Gedanken über die musikalische Interpretation, den Musikbetrieb oder die temperierte Stimmung in der abendländischen Musik seit 1600. So bietet das Buch eine schöne Gelegenheit zur Wiederbegegnung mit diesem funkensprühenden Streiter für das tiefere Verständnis von Musik – auch nach dessen Tod. Und für diejenigen, die Harnoncourt nicht mehr persönlich als Musiker oder Redner erleben durften, eine eindrucksvolle Einführung in sein Denken und Musizieren.

Nikolaus Harnoncourt: "Über Musik – Mozart und die Werkzeuge des Affen", Residenz Verlag, 140 Seiten, 22 Euro.

Dorothée Albers: Nachhall einer kurzen Geschichte

Buchcover: "Nachhall einer kurzen Geschichte" | Bildquelle: © Karl Rauch Verlag Bildquelle: © Karl Rauch Verlag Der junge Mann Jurre soll den Bauernhof seiner Eltern übernehmen. Doch er kehrt dem Hof den Rücken und wird Musiker: ein später Nachhall der heimlichen Liebesaffäre seiner leiblichen Mutter Jet, einer Konzertpianistin. Von ihrer Existenz erfährt der Sohn erst als junger Erwachsener. In ihrem Debütroman "Nachhall einer kurzen Geschichte" verfolgt die niederländische Autorin Dorothée Albers die Geschichte einer Musikerfamilie über drei Generationen: Mutter Jet, Sohn Jurre und Enkelin Fine. Vom Ursprung der Familie, der so tragischen Liebesgeschichte der Großeltern, erfährt nur der Leser. Sohn und Enkelin können das Gewesene nur erahnen, aber nie richtig aufarbeiten. Ihre Sprachlosigkeit kompensieren sie durch die Liebe zur Musik: Sie steht als Lebenselixier der Protagonisten dieser drei Generationen an erster Stelle. Sprachlich gekonnt vermittelt Dorothée Albers in ihrem Erstlingsroman ein Gefühl für diese Leidenschaft. Das Ganze liest sich so spannend, dass man das Buch nicht mehr weglegen möchte.

Dorotheé Albers: "Nachhall einer kurzen Geschichte", Karl Rauch Verlag, 286 Seiten, 22 Euro

Alex Ross: Die Welt nach Wagner

Buchcover – Alex Ross: Die Welt nach Wagner | Bildquelle: Rowohlt-Verlag Bildquelle: Rowohlt-Verlag Es mag erstaunen, dass es in einem Buch über den Einfluss von Richard Wagner nicht um Musiker geht. Doch der Autor und Musikkritiker Alex Ross hat dafür einen einleuchtenden Grund: "Wagners Wirkung auf die Musik war gewaltig, aber seine Wirkung auf andere Kunstformen war beispiellos." Und zwar bis in die Gegenwart. Auf rund 900 Seiten nimmt Ross seine Leserinnen und Leser mit auf eine Reise durch die Wagner-beeinflusste Kulturgeschichte. Sie behandelt Malerei, Psychologie und Philosophie, Literatur und Politik sowie Film und Comic. Alex Ross liefert eine wahrhaft überbordende Materialsammlung. Die Lektüre fühlt sich ein wenig an wie eine Wagner-Oper – ziemlich lang, aber beeindruckend!

Alex Ross: "Die Welt nach Wagner - Ein deutscher Künstler und sein Einfluss auf die Moderne", aus dem Amerikanischen übersetzt von Gloria Buschor und Günter Kotzor. Rowohlt Buchverlag, 912 Seiten, 40 Euro.

Franz Welser-Möst: Als ich die Stille fand

Buchcover zu "Als ich die Stille fand - Ein Plädoyer gegen den Lärm in der Welt" von Franz Welser-Möst | Bildquelle: Brandstätter Verlag Bildquelle: Brandstätter Verlag Eine Dirigentenkarriere plant man nicht, man lebt sie. Im Buch zu seinem 60. Geburtstag erzählt Franz Welser-Möst von den Aufs und Abs in seinem Leben. Mit beeindruckender Offenheit und philosophischer Weitsicht offenbart der zurückhaltend wirkende Künstler seine Seelenzustände, einfühlsam und pointiert notiert von Journalist Axel Brüggemann. Und er hält ein Plädoyer "gegen den Lärm der Welt". Denn laut, oberflächlich, sinnentleert - das ist in Welser-Mösts Realität auch der Klassikbetrieb. Aufs Korn genommen werden schnelle Events und aufgepuschte Karrieren, das Verheizen junger Talente und die überhitzte Maschinerie des Musikmarkts. "Als ich die Stille fand" ist ein erfüllendes und mutiges Buch, das aufhorchen lässt und den Hunger nach Tiefgang stillt.

Franz Welser-Möst: "Als ich die Stille fand - Ein Plädoyer gegen den Lärm der Welt", notiert von Axel Brüggemann, Brandstätter Verlag, 129 Seiten, 22 Euro.

Joachim Mischke: Der Klassik-Kanon

Buchcover: Joachim Mischke: Der Klassik-Kanon. 44 Komponisten, von denen man gehört haben muss | Bildquelle: Hoffmann und Campe Bildquelle: Hoffmann und Campe Joachim Kaiser hat es in den 90ern mit "100 Meisterwerken der Musik" versucht – da konnte man sich einzelne Werke herauspicken. Joachim Mischke, Journalist und Musikwissenschaftler, hat jetzt einen "Klassik-Kanon" zusammengestellt mit "44 Komponisten, von denen man gehört haben muss". Fünf Seiten gibt Mischke jedem Porträt. Mozart kriegt nicht mehr als Luigi Nono, Berlioz nicht weniger als Schubert. Und die ersten Sätze der Portraits sind bisweilen genial. Zu György Ligeti heißt es: "Wer wissen will, wie hochtourig sein Komponistenhirn funktionierte und wie bunt flirrend seine Vorstellungen von Musik waren, muss sich Fotos ansehen, auf denen er einen seiner geliebten wild gemusterten Pullover trägt." Sehr reduziert, mit Witz, immer nachvollziehbar: Joachim Mischke weckt in den Kurzbiografien Neugier auf Komponisten und ihre Musik, sagt aber auch: "Für Werkanalysen und Motivstammbäume wenden Sie sich bitte an den Musikwissenschaftler Ihres Vertrauens."

Joachim Mischke, Lucia Götz (Illustrator): "Der Klassik-Kanon. 44 Komponisten, von denen man gehört haben muss", Hoffmann und Campe - Sachbuch, 288 Seiten, 25 Euro.

Kai-Uwe Garrels, Heide Stockinger: "Dein ist mein ganzes Herz"

Die Operettenwelt feierte 2020 ein bedeutendes Jubiläum: den 150. Geburtstag von Franz Lehár. Pünktlich dazu ist ein neues Buch über den großen Komponisten erschienen, der mit seiner "Lustigen Witwe" die Operettengattung revolutionierte. Zahlreiche Anekdoten über Leben und Werk des Komponisten finden wir in diesem "Franz-Lehár-Lesebuch", so der Untertitel. Auch unbekanntere Werke werden beachtet, wie zum Beispiel Lehárs "italienische" Operette: La danza delle libellule. Einer der Aufsätze entkräftet den mitunter gegen Lehár erhobenen Vorwurf, ein Sympathisant der Nazis gewesen zu sein. Erfreulich auch: Viele jüdische Lehár-Librettisten werden hier gewürdigt. Das Buch richtet sich an alle musiktheaterinteressierten Menschen, die eintauchen wollen in den "bezaubernden Lehár-Kosmos" – so das Geleitwort. Viele historische Fotografien, Karikaturen und eine umfangreiche biographische Übersicht runden die Lektüre ab.

Kai-Uwe Garrels, Heide Stockinger (Hg.): "Dein ist mein ganzes Herz. Ein Franz-Lehár-Lesebuch", Böhlau Verlag, 232 Seiten 23 Euro.

Georg Etscheit: Musizieren gegen den Untergang

Buchtipp: Enoch zu Guttenberg | Bildquelle: Schott Music Bildquelle: Schott Music Dieses Buch war für Georg Etscheit ein Risiko: Er wollte einerseits seine Freundschaft mit Enoch zu Guttenberg nicht gefährden, aber andererseits auch alle Aspekte dieser schillernden Persönlichkeit erfassen. Und tatsächlich ist es ihm gelungen, die vielen Seiten Guttenbergs ungeschönt, humorvoll und mit Empathie zu zeigen: Guttenberg, der adlige Unternehmer und engagierte Umweltschützer, der Chorleiter, Dirigent und Intendant der Herrenchiemsee Festspiele. Zugleich gibt das Porträt in unterhaltsamem Stil einen interessanten Einblick in die vergangenen sieben Jahrzehnte deutscher Kulturgeschichte.

Georg Etscheit: "Musizieren gegen den Untergang – Der Dirigent und Umweltschützer Enoch zu Guttenberg". Verlag Schott Music, 264 Seiten, 30 Euro.

Philippe Jordan: Der Klang der Stille

Buchcover: "Dein ist mein ganzes Herz" – das Lehár-Lesebuch | Bildquelle: Boehlau Verlag Bildquelle: Boehlau Verlag Philippe Jordan, der neue Musikdirektor der Wiener Staatsoper, ist einer der gefragtesten Dirigenten seiner Generation. Er arbeitet an den bedeutendsten Opernhäusern, bei den wichtigsten Festspielen und in den berühmtesten Konzertsälen der Welt. Sein Werdegang liest sich wie eine einzige Erfolgsgeschichte. Pünktlich zu seinem Amtsantritt in Wien hat Jordan eine Autobiografie herausgebracht, in dem er allerdings nicht nur von den Sonnenseiten seiner Karriere berichtet. "Der Klang der Stille" ist ein lebendiger Einblick in das Denken des Musikdirektors: anspruchsvoll, persönlich und doch spannend zu lesen.

Philippe Jordan: "Der Klang der Stille", aufgezeichnet von Haide Tenner, Residenz Verlag, 256 Seiten, 26 Euro.

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