Anna Netrebko kommt nach Bayern: Am Freitag singt sie in Regensburg. Auch wenn die russische Starsopranistin wegen ihrer zögerlichen Distanzierung von Putin in der Kritik steht – eine Absage kam für die Schlossfestspiele nicht in Frage, so der Veranstalter Reinhard Söll gegenüber BR-KLASSIK. Und die Oberbürgermeisterin steht hinter ihm. Proteste werden dennoch erwartet.
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In München ist man noch zurückhaltend, was Anna Netrebko angeht. Auch wenn Intendant Serge Dorny gerade erst verlauten ließ, dass die Türen "absolut nicht verschlossen" seien – an der Bayerischen Staatsoper darf sie derzeit nicht singen.
Anders in Regensburg. Dort bereitet man sich momentan auf das Highlight der diesjährigen Thurn und Taxis-Schlossfestspiele vor. Am Freitag gibt Anna Netrebko gemeinsam mit ihrem Mann Yusif Eyvazov einen Arienabend im Innenhof des Schlosses St. Emmeram. Für Reinhard Söll geht damit ein langgehegter Wunsch in Erfüllung. "Wir haben immer davon geträumt, die Netrebko einzuladen", betont der Konzertveranstalter im Interview mit BR-KLASSIK.
Netrebkos Gastspiel in der Oberpfalz sei schon seit Jahren geplant gewesen, lange also vor Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine, so Söll weiter. Die Berichterstattung um Anna Netrebko habe er in den letzten Monaten natürlich verfolgt. Eine Absage habe er jedoch nicht in Erwägung gezogen, stattdessen eine "professionelle Entscheidung" getroffen.
Seit Beginn der Krieges steht Anna Netrebko in der Kritik, weil sie sich nur zögerlich von Wladimir Putin distanzierte. Viele Opernhäuser strichen daraufhin ihre Engagements. Darunter die Met in New York oder die Bayerische Staatsoper. Andernorts singt die Sopranistin inzwischen wieder, trat vor Tagen erst als Aida in der Arena di Verona auf.
In Regensburg wartet nun das nächste Freiluftevent auf sie. Und das Publikum kommt in Scharen. Das Konzert ist fast ausgebucht, und das obwohl schon die günstigsten Karten 144 Euro kosten. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, dass der Veranstalter so entschieden an Netrebko festhält. Den Gastspielvertrag nicht zu erfüllen, würde ihm einen Verlust von 400.000 bis 500.000 Euro bescheren, so Söll. Sämtliche Tickets müsse er in so einem Fall zurückerstatten und trotzdem Netrebkos Gage zahlen.
Auf Anfrage von BR-KLASSIK verteidigt die Regensburger Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) die Entscheidung der Schlossfestspiele. In ihrer Stellungnahme warnt sie vor einer pauschalen Verurteilung aller Russinnen und Russen. "Es ist Putins Krieg, nicht der Krieg des russischen Volkes", so die Bürgermeisterin. In Kontakt zu bleiben, weiter den Austausch zu suchen, das sei in dieser Situation von entscheidender Bedeutung. Das gelte auch für prominente Persönlichkeiten. "Frau Netrebko hat – soweit ich informiert bin – diesen Krieg an keiner Stelle verteidigt oder gerechtfertigt, sondern sich klar dagegen ausgesprochen. Dass sie sich dabei nicht von Putin distanziert hat, ist bedauerlich, aber ihre persönliche Entscheidung, die wir als demokratische Gesellschaft akzeptieren müssen – auch wenn wir sie nicht verstehen und es uns schwerfällt."
St. Emermam in Regensburg: Im Schlosshof singt am Freitag Anna Netrebko | Bildquelle: BR/Bernhard Graf
Doch in Regensburg gibt es auch andere Meinungen zur Causa Netrebko. Unmittelbar vor dem Konzert soll am Emmeramplatz eine Protestkundgebung stattfinden. Bei der Stadt wurde eine entsprechende Versammlung angemeldet. Titel: "Aufmerksamkeit wecken zur politischen Stellung Netrebkos". Das lässt aufhorchen. Immerhin wurde erst kürzlich ein Auftritt von Anna Nebtrebko vor dem Neuen Schloss in Stuttgart abgesagt, weil man Ausschreitungen befürchtete. In Regensburg rechnet man jedoch mit einem friedlichen Verlauf der Demonstration – so das Polizeipräsidium Oberpfalz auf Anfrage. Erwartet werden etwa 30 Teilnehmende.
Reinhard Söll bleibt ebenfalls ruhig. Er habe keinerlei Drohungen erhalten und blicke dem Freitag entspannt entgegen. Auch mit Störern rechnet er nicht. Diese hätten eh keine Chance, so Söll: "Die Karten sind ja nicht ganz billig. Es wird kaum jemand teure Karten kaufen, um Ärger zu machen." Gegen Menschen, die vor dem Konzertgelände demonstrieren möchten, habe er nichts, "aber im Innenhof des Schlosses wird keine Störung geduldet."
Sendung: "Allegro" am 20. Juli ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (4)
Samstag, 23.Juli, 14:29 Uhr
Alexander J.
Toll! Da sieht man, dass die MET und die BSO sich selber in die Beine geschossen haben. Während man Frau Netrebko bald in der Wiener Staatsoper, Opera national de Paris oder Teatro alla Scala hören wird!
Samstag, 23.Juli, 10:56 Uhr
Helmut Stiegler
Angriffskrieg ist ein Verbrechen und nicht Politik
Frau Netrebko hat in ihrem (später gelöschten) Tweet ihre anfangs mangelnde Distanzierung auch damit begründet, dass sie keine *politische* Frau wäre. Auch die Veranstalter haben (laut einem Beitrag in BR-Klassik sinngemaß) damit argumentiert, dass *politische* Haltung und Äußerungen von Künstlern nicht so auf die Waagschale geworfen werden sollten.
Gerade das ist eine unterträgliche Verhamlosung: Denn damit wird suggeriert, dass dieser Krieg ein Mittel der Politik wäre und wird damit nahezu legitimiert. Ist er aber nicht: der Krieg ist ein Verbrechen, ein fundamentaler Verstoß gegen das Völkerrecht und hat mit Politik rein gar nichts zu tun!
Mittwoch, 20.Juli, 11:45 Uhr
Marianne Waldenmaier
Rückkehr zur Kultur
Ich würde es sehr begrüßen, wenn insbesondere Frau Hasselbeck und Herr Neuhoff dazu zurückkehren würden, mir Ihre fachliche Expertise zu vermitteln, statt mir permanent ihre politische Meinung aufzudrängen. Aber: man kann ja einfach abschalten.
Mittwoch, 20.Juli, 09:31 Uhr
Petra Mücke
Das nervt langsam ...
Kann man die Causa Netrebko nicht langsam mal ruhen lassen. Wen interessiert das noch, ob sie singt oder nicht, ob ein Veranstalter finanzielle vor moralische Interessen stellt.
So lange die Putin-Freundin noch so viel mediale Aufmerksamkeit hat, muss sie sich doch im Recht fühlen ...
Erst wenn sie keine Aufmerksamkeit bekommt, fängt sie vielleicht an zu denken?!?