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Wagners besonderes Instrument Das Gralsglockenklavier im "Parsifal"

Richard Wagner ließ es zur Uraufführung seines "Parsifal" im Jahr 1882 konstruieren: Das Gralsglockenklavier, umgesetzt von der Firma Steingraeber in Bayreuth. Auch heute noch ist die Werkstatt in der Bayreuther Altstadt sozusagen Marktführer. Zur Eröffnung der Wagner-Festspiele kommt jetzt ein technisch optimierter Nachbau zum Einsatz.

In der Mitte zu sehen: Die Gralsglocken aus dem Fundus der Steingraeber Klaviermanufaktur Bayreuth  | Bildquelle: Steingraeber Klaviermanufaktur Bayreuth

Bildquelle: Steingraeber Klaviermanufaktur Bayreuth

Im eigens eingerichteten "Richard Wagner Zimmer" steht es, das Gralsglockenklavier: Hoch und kastenförmig, wie ein Kleiderschrank. Es erinnert mit den senkrecht gespannten Saiten an ein Hackbrett für Riesen. Die Patin für dieses Instrument baumelt im Wiener Stephansdom: Die bronzene Kirchenglocke mit dem Spitznamen "Pummerin", drei Meter zwanzig misst sie im Durchmesser. Für Wagner war klar – er braucht für sein Bühnenweihfestspiel ein mystisches Soundelement, das aber trotzdem einen durchschlagenden und signalartigen Charakter hat. Ihm war aber auch bewußt: so ein echtes Glockengeläut wäre ein paar Tonnen zu schwer für das hölzerne Festspielhaus.

Heute würde Wagner ein Keyboard nutzen

Vor allem die Verwandlungsszene bereitet Wagner Kopfschmerzen. Für die musste er unbedingt irgendeinen Spezialeffekt auftischen. "Allmählich, während Gurnemanz und Parseval zu schreiten scheinen, verwandelt sich die Bühne von links nach rechts hin in unmerklicher Weise", heißt es in der Regieanweisung Wagners. Zwischen Traum, Erleuchtung und Vision spielt sich das alles ab, und als I-Tüpfelchen verschmelzen auch noch Raum und Zeit. Heutzutage hätte Wagner vermutlich psychedelische Soundelemente am Keyboard gemixt. Damals jedoch erinnert er sich an seinen ehemaligen Nachbarn, den Klavierbauer Steingräber. Wagner schickt seine Frau Cosima vor. " Mein Mann lässt sie durch mich höflichst ersuchen, ihn am kommenden Montag um fünf Uhr nachmittags zu besuchen. Er möchte sich mit ihnen behufs Konstruktion eines Instrumentes besprechen."

Eduard Steingraeber konstruiert den Protoyp

Der Glockenklavier-Kasten ist dann, dank des findigen Eduard Steingraeber, überraschend fix konstruiert, mit sechsfach bespannten Flügel-Saiten und vier extra-breiten Klaviertasten. Wagner ist im siebten Himmel! Dieser Prototyp kommt heute vor allem bei Kinderaufführungen des "Parsifal" zum Einsatz. Das Gralsglockenklavier 2.0, wie es an den meisten Theatern gespielt wird, entstand erst etwa 30 Jahre nach Wagners Tod. Der Gewinn dieser Weiterentwicklung: die Töne lassen sich mit der Muskelkraft feiner modulieren, erklärt Klavierbauer Udo Schmidt-Steingraeber. "Wir fangen hier beim höchsten Ton, also dem C, mit zwei, vier, sechs, acht Saiten an, beim tiefsten haben wir nur noch fünf. Und dazu kommt dann dieses Hämmerchen, was aussieht wie so ein XXL-Klavier-Hämmerchen, auch mit Filz verpackt, damit der Ton sozusagen einen warmen Anschlag hat und nicht scheppert."

Richtig sauber gestimmt, wie bei einem Flügel, werden die Saiten nicht. Das erzeugt dann nämlich mehr verzerrte, mehr magische Obertöne. "Heutzutage wird meistens das Instrument zwar genommen, aber gesampelt", so Udo Schmidt-Steingraeber. "Das hat damit zu tun, das es ja von Korrepetitoren geschlagen wird und nicht von Schlagzeugern , und die Korrepetitoren sind es nicht so gewohnt, mit Schlaginstrumenten zu arbeiten und reißen sehr oft und sehr gerne Seiten ab." Je nach Geschmack des Dirigenten werden manchmal zum Gralsglockenklavier Pauken, Kontragafotte, echte Glocken und sogar Elektronik gemischt.

Christian Thielemann an Nachbau interessiert

Die Vibration des Instruments ist im ganzen Körper zu spüren – was ja auch das Prinzip des Bayreuther Festspielhauses ist: "Beim Festspielhaus spüren Sie auch das Forte im Hintern", so Klavierbauer Schmidt Steingraeber. Die legendären Holzsessel des Bayreuther Festspielhauses sind also keine Schikane des Meisters, sondern vervollkommnen das ganzheitliche Klangerlebnis. Übrigens wer von Kopf bis Fuß auf Wagner eingestellt ist, kann sich so ein Gralsglockenklavier anfertigen lassen. Er habe durchaus berühmte Interessenten, so Udo Schmidt-Steingraber: "Ja, es ist halt eine Sonderanfertigung und kostet ein bisschen. Also, Herr Thielemann geht noch schwanger damit. Er war schon ein paar Mal hier, weil er sich einfach verliebt hat, in diese Wucht, diesen Klang, dieses Baden in diesem Motiv."

Sendung: "Piazza" am 21. Juli 2023 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Samstag, 05.August, 23:55 Uhr

Sofie Billmeier

Vorbild für Gralsglockenklavier

Als gebürtige Wienerin "muss" ich bitteschön etwas korrigieren: die wunderbare Glocke am Wiener Stephansdom heisst PUMMERIN und nicht Pommerin. Ich habe sie zigmal gehört, Weihnachten, Sylvester, besondere Anlässe und und und..... Außerdem im "Burgjugendlager" im Sommer als Teenager und bereits großer Wagnerfan für eine Abschlussaufführung auf einem alten Klavier im Rittersaal genau das wunderbare Parsifalmotiv auf Kassette aufgenommen und mit eingebaut in die Aufführung...... Ich spielte den bösen Raubritter ;) ;). Danke für den schönen Bericht und herzliche Grüße

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