Vor knapp zwei Wochen ist es sozusagen ans Netz gegangen: das neue Bergson Kunstkraftwerk in München-Aubing. Zum Aufwärmen gab es unter anderem eine Reihe von "Housewarming" Partys. Am vergangenen Wochenende hat das Bergson erstmals volle Betriebstemperatur erreicht. Im Kunstkraftwerk sollen nicht nur Konzertgastspiele stattfinden, sondern auch eigene Produktionen gezeigt werden - vor allem mit der Jazzrausch Bigband, der Hauskapelle des Bergson. Und die lud am Samstagabend zur großen Eröffnungskonzert-Premiere unter dem Titel "Bergson’s Rise".
Bildquelle: Bergson / Sebastian Reiter
Kunstnebelschwaden durchziehen den Raum des ehemaligen Heizwerks bis hinauf zur 25 Meter hohen Betonkassettendecke. Scheinwerferkegel durchschneiden den Dunst und malen Lichtkreise an die Backsteinmauern mit ihren schlanken, hohen Fenstern, die dem Atrium, der zentralen Halle des Bergson, die Anmutung eines Kirchenschiffs verleihen. Und so, wie sich die Leuchtpunkte über sämtliche Wände verteilen, erklingen auch aus allen Ecken und Enden des Bergson Töne.
Bildquelle: Bergson / Sebastian Reiter Diese Klänge kommen von unten, wo es eine Bühne und Bar gibt, von der breiten Treppe, die hinauf führt auf eine Galerie, die den Raum u-förmig umschließt oder von einer Stahlbrücke, die ihn vor der Fensterfront in luftiger Höhe durchschneidet. So wie das Bergson über verschiedene Sanierungsphasen hinweg seine jetzige Gestalt angenommen hat, setzen sich auch die Töne nach und nach zu Soundflächen zusammen, bilden Klangmuster und Rhythmen.
"Bergson’s Rise" ist gelabelt als "Immersives Party-Konzert". Immersion – in der Kulturszene ist das seit einiger Zeit ein populäres Schlagwort. Es bezeichnet, grob gesagt, Kunst, in die man eintauchen kann. Deshalb gebe es auch keine Bestuhlung, erzählt Maximilian Maier, Programmdirektor des Bergson Kunstkraftwerks. "Das Publikum kann sich frei bewegen, kann auch Getränke mitnehmen in diesen Raum, der nicht nur akustisch, sondern auch visuell inszeniert wird."
Das Ziel ist, den Raum erlebbar zu machen.
Feierte ordentlich: Das Publikum beim immersiven Jazzrausch Bigband-Konzert im Bergson | Bildquelle: Bergson / Sebastian Reiter Die Musikerinnen und Musiker der rund 20-köpfigen Jazzrausch Bigband tauchen ihrerseits ein ins Publikum, mischen sich unter die Zuhörenden, um diese dann wiederum einzuhüllen in ihre halb-elektronischen, halb-analogen technoiden Tonwelten. Das Ergebnis ist bestechend. Selten war die Idee der Immersion, die oft genug leeres Versprechen bleibt, überzeugender. Das ganze Kunstkraftwerk beginnt zu pulsieren. Ein Klangerlebnis, neben dem sich Dolby-Surround-Sound fast so ausnimmt wie ein Super-8-Film gegen 3D-Kino.
Das Bergson ist angetreten, um Konzertkultur neu zu denken, sagt Roman Sladek, Bandleader der Jazzrausch Bigband und Teil des künstlerischen Leitungsteams im Kunstkraftwerk. "Bergson's Rise" ist dabei die erste Zündstufe. Im modernen Anbau ans alte Industriegebäude entsteht gerade noch ein Konzertsaal, wie ihn München noch nicht gesehen oder besser erlebt hat. Die Akustik des "Elektra Tonquartiers", so der Name des neuen Saals, werde auf elektro-akustisch verstärkte Formate spezialisiert sein, erzählt Sladek, sodass Genres wie Techno, Jazz, Metal, Rock oder Pop professionell angeboten werden können.
So sieht er aus, der neue Konzertsaal im Bergson: Elektra Tonquartier. Im Oktober soll Eröffnung sein. | Bildquelle: Bergson Die Eröffnung dieses außergewöhnlichen Saals ist für Oktober geplant. Die immersive Konzert-Premiere am Wochenende war mehr als nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was dort alles noch möglich werden soll. Im Münchner Westen, wo die Sonne über der Stadt untergeht, ist ein Kunstkraftwerk auferstanden aus einer Industrieruine. Ein erhebender Abend in jedweder Hinsicht, auch ganz buchstäblich, wenn Roman Sladek das Publikum bittet, sich zu erheben. Die Aufforderung wäre freilich nicht nötig gewesen. Die maximal tanzbare Musik reißt ohnehin alle unweigerlich von den Sitzen. Eine jazzrauschende Einweihungssause war das.
"Bergson’s Rise" im neuen Kunstkraftwerk in München-Aubing ist noch zu erleben:
am 25., 26. & 27. April 2024, jeweils ab 20:00 Uhr im Bergson Kunstkraftwerk.
Sendung: "Allegro" am 22. April ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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