Ein bislang unbekannter Walzer von Frédéric Chopin wurde jetzt entdeckt. Wie die New York Times berichtet, tauchte das Manuskript in einer New Yorker Bibliothek auf. Vieles deutet darauf hin, dass es sich wirklich um ein Stück handelt, das Chopin vor rund 200 Jahren geschrieben hat. Doch letzte Zweifel bleiben.
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Jahrelang lag das Notenmanuskript im Tresor des Morgan Library & Museum: klein, etwa so groß wie eine Karteikarte. Und demensprechend kurz ist das Musikstück, nur 48 Takte. Es dauert etwa 80 Sekunden. Notiert ist es in a-Moll und weist eine große dynamische Bandbreite auf. Über den Noten steht "Valse", in einer Ecke der Name "Chopin".
Wie die New York Times berichtet, fand der Morgan-Kurator Robinson McClellan das Notenpapier im Spätsommer. Er zeigte es dem Chopin-Foscher Jeffrey Kallberg und ließ Handschrift, Tinte und Papier untersuchen. Die Bibliothek geht jetzt davon aus, dass es sich wirklich um eine bislang unbekannte Komposition von Chopin handelt.
Charakteristisch für Chopin ist der musikalische Stil des Stücks. Auch enthält das Stück das für Chopin so typisch verschnörkelt geschriebene Bassschlüssel-Symbol und eine kleine Zeichnung des Komponisten. Das Manuskript stammt vermutlich aus den 1830-er Jahren. Chopin hat es mit Anfang 20 geschrieben, so die Vermutung. Auch das verwendete Büttenpapier und die Eisengallustinte stimmen mit den Materialien überein, die Chopin in der Zeit üblicherweise verwendete. Das Museum betrachtet den Fund als Sensation. Immerhin sind von Chopin nur rund 250 Kompositionen erhalten, fast alle für Klavier solo.
Der Starpianist Lang Lang hat das bislang unbekannte Stück in der Steinway Hall in Manhattan aufgenommen. Er sagt, das Werk fühle sich für ihn wie Chopin an: "Es ist einer der authentischsten Chopin-Stile, die man sich vorstellen kann." Die Aufnahme ist im Artikel der New York Times verlinkt.
Chopin verschenkte gelegentlich kleine Kompositionen an bestimmte Personen. Eventuell handelt es sich auch bei diesem Walzer um so ein persönliches Geschenk. Es blieb wohl über Jahrzehnte in den Händen von Sammlern, bis es 2019 in den Besitz des Morgan Library & Museum gelangte. Fünf Jahre lang war das Stück noch nicht katalogisiert worden.
Das Expertenteam vom Morgan Library & Museum geht davon aus, dass das Werk wirklich von Chopin stammt. Auffällig ist allerdings der recht stürmische Beginn dieses Walzers. "Es gibt so viele höchst ungewöhnliche Elemente, dass man sich fragen muss: Ist das wirklich Chopins Musik?", sagte John Rink, Musikprofessor an der Universität Cambridge. Er war bei den Untersuchungen von Morgan nicht beteiligt, räumt aber ein, letztlich seien Handschrift, Papier und Tinte die "kritischen, entscheidenden Faktoren". Allerdings stammt der Name "Chopin" auf dem Notenpapier nicht von Chopin selbst, wie eine Handschriftenanalyse ergab. Möglicherweise unterzeichnete Chopin den Walzer nicht, da er mit seiner eigenen Komposition nicht zufrieden war.
Sendung: "Leporello" am 29. Oktober 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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