Kulturstaatsministerin Claudia Roth will die Bayreuther Festspiele diverser und jünger machen. Dabei scheut sie keine Tabus: Auch Opern von Wagners Nachfolgern und Bewunderern sollen aufgeführt werden – zum Beispiel "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck. Hoffentlich hält das die örtliche Infrastruktur aus.
Bildquelle: picture-alliance / allOver | Karl Thomas
Knusper, knusper, Knäuschen: Jetzt werden sie in Bayreuth wohl bald Zuckerwatte und gebrannte Mandeln bereithalten müssen, vielleicht zieht auch bald der Duft von Popcorn über den Grünen Hügel, denn das Publikum muss deutlich jünger werden, fordert Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth.
Wie jung genau, das sagte sie zwar nicht, aber offensichtlich will sie ans Taschengeld der Grundschüler, sonst hätte sie nicht den Vorschlag gemacht, im Festspielhaus Engelbert Humperdincks "Hänsel und Gretel" aufzuführen. Spricht ja vieles, wenn nicht sogar alles dafür: Die Oper ist total romantisch und kommt den meisten zu lang vor, was einigen amerikanischen Gästen als Kunsterlebnis völlig reicht. Und die acht Fehler in der "Walküre" werden sie schon rechtzeitig finden, wenn plötzlich gesungen wird: "Ja, lasst uns fröhlich sein und tanzen im Feuerschein/ und halten im Knusperhaus herrlichsten Freudenschmaus!"
Humperdinck statt Wagner auf dem Grünen Hügel? Der Vorschlag von Ministerin Claudia Roth, nicht nur Wagner-Opern bei den Bayreuther Festspielen aufzuführen, um "jünger und diverser" zu werden, sorgt für Diskussionsstoff.
Wenn die Bayreuther Tourismusbehörde in den Pausen Waldbaden mit anschließender Zimtstern-Verkostung anbietet, dürfte die Begeisterung groß sein. Außerdem geht's auch bei Humperdinck um Erlösung, wenn auch nur von der Hexe. Okay, die ist nicht ganz so intellektuell wie die Kundry im "Parsifal", aber es kann nicht jeder Abitur haben und finanziell unabhängig sein. Claudia Roth hat schon recht, Engelbert Humperdinck war ein ausgesprochener Wagner-Bewunderer und gehört unbedingt nach Bayreuth, sonst hätte er nicht die geniale Zeile vertont: "Mir ist so wohl, ich weiß nicht wie! So gut wie heute schlief ich noch nie!"
"Schubbidubidubi" statt "Hojotoho": Wie wär's mal mit dem "Dschungelbuch" im Bayreuther Festspielhaus? | Bildquelle: picture-alliance / dpa | Bert Reisfeld Und wenn der Wald schon mal auf der Festspielbühne steht, kann natürlich auch gern der "König der Löwen" vorbeipirschen. Sollte irgendjemand zwischendurch das "Dschungelbuch" aufschlagen, hätte Richard Wagner sicher nichts dagegen, denn der probierte es bekanntlich gern mal mit Gemütlichkeit. Und Brünnhilde wird sich nach all dem anstrengenden "Hojotoho" sicher nach einer lässigen Runde "Schubbidubidubi" auf dem Affenfelsen sehnen.
Wieder einmal zeigt sich, dass man sich in der Politik stets auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt: Es würde nicht wundern, wenn Claudia Roth die Durchschnittsgröße der Festgäste auf einen Meter festlegt, so dass ältere Wagner-Pilger auf ganz flache Schuhe angewiesen wären. Das berühmte Kneippbecken am Festspielhaus müsste natürlich umgehend geschlossen werden. Das deutlich verjüngte Publikum kann meist noch nicht schwimmen und bevorzugt sowieso Hüpfburgen oder Schlammstationen, der Rote Main ist ja nicht weit.
Wir übertragen sieben Opernproduktionen, begleiten Stars und Neulinge auf dem Grünen Hügel, laden namhafte Kritikerinnen und Kritiker zum Gespräch und machen Sie mit den Wagner-Crashkursen "klassik shorts" fit für die Bayreuther Festspiele. Entdecken Sie hier unser BR-KLASSIK Online-Dossier rund um den Grünen Hügel.
Hilft bei der Festivalplanung für ein junges Zielpublikum sicher gerne weiter: Rolf Zuckowski. | Bildquelle: picture alliance / BeckerBredel | BeckerBredel Friedrich Nietzsche hätte die Umwidmung des Grünen Hügels zur Kindertagesstätte wahrscheinlich köstlich gefunden. Nicht zuletzt deshalb, weil die Verwandtschaftsverhältnisse in Wagner-Opern ungefähr so unübersichtlich sind wie in Entenhausen, nur ohne Tick, Trick und Track. Das muss nicht so bleiben, zumal Nietzsche argwöhnte, dass sich Wagner ausschließlich für die Probleme der "kleinen Pariser" interessiere. Eine genaue Altersangabe ist diesbezüglich nicht überliefert, aber Nietzsche vermutete, keiner der Betroffenen sei weitergekommen als "fünf Schritte vom Hospital", was nahelegt, dass eine Stillgruppe gemeint war.
Schön, dass Claudia Roth direkt daran anknüpft. Bei Rolf Zuckowski dürfte schon bald das Telefon klingeln. Wenn einer Ahnung hat vom neuen Bayreuther Zielpublikum, dann ja wohl der Schöpfer der "Weihnachtsbäckerei" mit der riesengroßen Kleckerei. Humperdinck kann ja keiner mehr fragen.
Mag sein, dass der Freundeskreis der Bayreuther Festspiele mit Programmheften zum Ausmalen hadert und die Schaukelpferde im Restaurant missbilligt, aber gegen ein paar Bauklötze im Parkett wird niemand was einwenden können, solange Claudia Roth den dazu passenden Spielplan beisteuert: "Starke Scheite schichtet mir dort am Rande des Rhein's zu Hauf'." Die mit den Noppen sind wunderbar!
Sendung: "Leporello" am 17. Juli 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (9)
Dienstag, 23.Juli, 11:12 Uhr
Störzel Alexander
"Hänsel und Gretel im Festspielhäuschen"
Verehrter Herr Jungblut,
ich äußere mich nicht über den sachlichen bze künstlerischen Gehalt dazu - es geht um Satire, aus dieser Sicht ist Ihnen der Beitrag gut gelungen.
Da Sie ja sicher am Donnerstag anwesend sind:
Wären Sie bereit in den Pausen mit Claudia Roth ein ernsthaftes Gespräch zu diesem Thema zu führen? Die Sache von mehreren Seiten beleuchten.
Ich würde mich freuen und wünsche Ihnen und Frau Roth eine intessante und schöne
Aufführung von Richard Wagners persönlichsten Werk.
Montag, 22.Juli, 13:11 Uhr
Gaby Röhler
Senf in the Clowns
Wunderbar, Herr Jungblut!
Was habe ich gelacht!! Weiter so! Nur solch fundierte Kommentare machen die Dummheit in der Welt erträglich! Herzliche Grüße aus Bayreuth!
Gaby Röhler
Kulturamtsleiterin im Ruhestand
Sonntag, 21.Juli, 15:07 Uhr
B. Meyer
Erstmal das Liebesverbot
Mal halblang. Warten wir erstmal ab, wie Rienzi ankommt. Nach nochmal fünfzig Jahren Nachdenken dann vielleicht das Liebesverbot.
Donnerstag, 18.Juli, 22:45 Uhr
Johann
Vermeintliche Satire
Ich bin wahrlich kein Anhänger von Frau Roth und ihrer Partei. Hier wird allerdings aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Um die Bayreuther Festspiele steht es nun wirklich nicht zum Besten, an vielen Häusern wird Wagner um einiges besser interpretiert und inszeniert. Da ist es durchaus legitim, sich Gedanken über die Zukunft der Bayreuther Festspiele zu machen. Man kann über die einzelnen Vorschläge sicherlich unterschiedlicher Meinung sein, aber bitte auf einem gewissen Niveau. Die vermeintliche Glosse von Herrn Jungblut ist meines Erachtens ziemlich abstoßend und alles andere als intelligent oder lustig. Was hat z. B. "Hänsel und Gretel" von Humperdinck mit dem "König der Löwen" oder Rolf Zuckowski zu tun? Alle, die nur etwas von klassischer Musik verstehen, sollten die Unterschiede, vor allem hinsichtlich der Qualität, eigentlich erkennen. Auch sollte im 21. Jahrhundert nun wirklich nicht mehr so herablassend und von oben herab über Kinder gesprochen werden.
Donnerstag, 18.Juli, 22:14 Uhr
Helmut Zimmermann
Bayreuth nicht mehr ausschließlich mit Wagner-Oper
Der Vorschlag von Frau Claudia Roth ist für mich unfassbar. Herr Jungblut hat deren Auslassungen in seiner Satire wunderbar auf den Punkt gebracht. Es ist nicht die erste Fehlentscheidung von ihr. In meinen Augen tappt Frau Roth zielsicher in jedes kulturelle Fettnäpfchen, das sich ihr bietet. Ihr Problem ist dasjenige von Politikern und Politikerinnen, die fachfremd, also ohne ausgewiesene Kompetenz, auf Positionen gehoben werden, denen sie intellektuell nicht gewachsen sind. Sie hat überhaupt nicht wahrgenommen, wie einzigartig die Bayreuther Festspiele sind. Frau Roth als Kulturstaatsministerin? Da fehlt meiner Ansicht nach die Vorsilbe "Un" vor ihrem Titel.
Donnerstag, 18.Juli, 21:05 Uhr
Bear.Denali
Humperdinck in Bayreuth
Ich verstehe die ganze Aufregung nicht: Musik von Humperdinck wurde doch bereits vor 144 Jahren im Bayreuther Festspielhaus aufgeführt.
Donnerstag, 18.Juli, 17:14 Uhr
Herbert Frübing
Satire über Claudia Roth und Bayreuth
Herzlichen Dank für diese wundervolle Satire.Besser kann man es nicht beschreiben.Sie sprechen mir aus der Seele.Einfach wunderbar Herr Jungblut
Donnerstag, 18.Juli, 12:28 Uhr
Michael Müller
Danke für die Satire
Vielen Dank für die kluge Satire! Ich war fassungslos, als ich von dem Vorschlag von Claudia Roth gehört habe. Es ist schon fatal, mit wie viel Unkenntnis man sich so wichtig machen kann als Politiker*in. Nun hat Claudia Roth mit dem neuerlichen Vorschlag derart übertrieben, dass es einfach nur noch komisch ist. Danke also für die gelungene Satire, Herr Jungblut!
Donnerstag, 18.Juli, 11:05 Uhr
Michael Füting
Jungbluth / Claudia Roth
Satire kann schon etwas klüger sein...