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"Walküre" in Bayreuth Festspiel-Debüt für Michael Spyres

Der US-Amerikaner Michael Spyres punktet mit seinem riesigen Stimmumfang und bezeichnet sich selbst als "Baritenor". Jetzt debütiert der 45-Jährige bei den Bayreuther Festspielen: als Siegmund in der "Walküre". Warum das gut zu seiner Heimat passt, erzählt er im Interview.

Michael Spyres | Bildquelle: Marco Borrelli

Bildquelle: Marco Borrelli

BR-KLASSIK: Michael Spyres, Sie geben dieses Jahr ihr Debüt bei den Bayreuther Festspielen und singen den Siegmund in der "Walküre". Siegmund ist ja ein richtiger Wald-Mensch. Die Ozark-Mountains, von wo Sie kommen, werden genauso beschrieben wie die Gegend zu Beginn der Walküre: wild, bewaldet, rau. Ist es so bei Ihnen zu Hause?

Michael Spyres: Ja, ganz genau! Mein Haus in Amerika ist wirklich im Wald, die nächsten Nachbarn wohnen einen Kilometer weiter. Ich kenne diese Geschichte wirklich sehr gut. Die Ozarks sind eine der letzten wilden Regionen in den USA, und alle Leute dort sind ein bisschen verrückt - wie ich. Es ist ein bisschen Wilder Westen, wo ich herkomme, und ich spüre Siegmund wirklich in mir. Ich weiß genau, wer er ist.

BR-KLASSIK: Aber Sie haben nicht zufällig eine Eiche auf Ihrem Grundstück, in der auch noch ein Schwert steckt?

Michael Spyres: Vielleicht schon, ich habe auf jeden Fall eine Axt. Alle in der Gegend haben auch Waffen - außer mir, ich habe nur einen Hund.

Es ist ein bisschen Wilder Westen, wo ich herkomme.
Michael Spyres

Michael Spyres hat die Stimmlage "Baritenor"

BR-KLASSIK: Sie bezeichnen sich selbst ziemlich stolz als Baritenor. Was soll eigentlich so eine Stimmfachbezeichnung aussagen?

Michael Spyres: Es ist wirklich ein echtes Fach. Baritenor waren früher die Sänger, die sowohl Bariton als auch Tenor gesungen haben. Später in der Zeit von Wagner hat sich das zum Heldentenor und jugendlichem Heldentenor geändert. Aber es kommt alles vom Baritenor.

BR-KLASSIK: Gerade der Siegmund ist eine typische Partie, die von den Tenören eine besonders gute Tiefe fordert, vor allem in der Todesverkündung. Aber im ersten Akt ist doch auch der absolute Held, eigentlich der sympathischste in Wagners Werken, hörbar. Worauf fokussieren Sie sich bei diesem Hügel-Debüt hier in Bayreuth stimmlich?

Michael Spyres | Bildquelle: Marco Borrelli Für Michael Spyres geht ein Traum in Erfüllung: Der 45-Jährige gibt sein Debüt bei den Bayreuther Festspielen | Bildquelle: Marco Borrelli Michael Spyres: Es ist wie ein Traum für mich! Ich habe nie im Leben gedacht, dass ich wirklich einmal in Bayreuth singen würde, aber in den letzten paar Jahren ist meine Stimme in diese Richtung gegangen. Ich bin jetzt 45 Jahre alt und denke, ich bin reif dafür, denn ich habe schon viel Belcanto und anderes gesungen. Wagner war wirklich ein Belcantist, er wollte Belcanto-Sänger mit Kraft in der Stimme. Für mich war es natürlich, in diese Richtung zu gehen. Siegmund ist fast eine Bariton-Partitur: Man geht nur für zwei oder drei Noten in die hohe Lage und den Rest kann ein Bariton wirklich singen. Allerdings muss man die hohen Töne schon haben. Für mich ist diese Partie hochinteressant, denn es ist das erste Mal mit ein paar kleinen Ausnahmen, dass ich eine Rolle mit meiner echten Baritenor-Stimme singe.

Ich habe nie im Leben gedacht, dass ich wirklich einmal in Bayreuth singen würde.
Michael Spyres

Umstrittene Inszenierung von Valentin Schwarz

BR-KLASSIK: In der doch viel diskutierten Inszenierung von Valentin Schwarz sind Sie auch darstellerisch durchaus gefordert. Was ist darin für Sie besonders interessant?

Michael Spyres: Wirklich interessant ist, dass ich schon im Vorfeld durchaus eine Meinung hatte, denn ich habe ein paar Ausschnitte in der Online-Übertragung gesehen und es hat mir nicht gefallen. Dann haben wir zwei Proben mit Valentin Schwarz gehabt und über seine Ideen gesprochen, und danach habe ich es doch interessant gefunden. Es ist allerdings schon so, dass diese stark aufs Schauspielerische konzentrierte Art der Regie mehr Energie fordert als das alte "Park and Bark", also das statische Rampensingen. Es lenkt vom Singen ab. Schwarz möchte, dass wir alles durchleben und nach Außen bringen. Das ist nicht vergleichbar mit Wagner-Inszenierungen von früher, wo klar war, wo man steht, wo das Schwert ist und alles vorhersehbar war. Ich weiß, dass es schwerfällt, in eine völlig andere Richtung zu denken, aber seine Ideen vom "Ring" sind dann doch spannend. Die Produktion hat enorm viel Energie und ein bisschen Revolution. Es ist schwer für andere zu sprechen, aber für mich funktioniert das.

Bayreuther Festspiele: Hintergrund und Wagner-Wissen

Wir übertragen sieben Opernproduktionen, begleiten Stars und Neulinge auf dem Grünen Hügel, laden namhafte Kritikerinnen und Kritiker zum Gespräch und machen Sie mit den Wagner-Crashkursen "klassik shorts" fit für die Bayreuther Festspiele. Entdecken Sie hier unser BR-KLASSIK Online-Dossier rund um den Grünen Hügel.

Michael Sypres lobt Zusammenarbeit mit Simone Young

BR-KLASSIK: Musikalisch sind Sie mit der Dirigentin Simone Young verbunden, die für Sie eine wichtige Schaltstelle im Graben ist. Wie fühlt sich das für Sie an in diesem Raum?

Michael Spyres: Toll! Sie ist eine wunderbare Dirigentin. Wir haben vor acht Jahren einmal "Carmen" zusammen gemacht. Sie singt mit und atmet mit, was viele andere eben nicht tun. Hoffentlich geht es in Zukunft auch in diese Richtung, die Simone fordert: genau aufzupassen, was Wagner da geschrieben hat, und das ist nicht nur laut. Für mich ist es so wichtig, hier in diesem Haus Piano und Pianissimi zu bringen und intime Momente über die Sprache zu schaffen. Das geht toll mit Simone, wirklich.

Es freut mich, wenn die Menschen feststellen, dass Oper viel mehr bedeutet als Leute auf der Bühne, die laut brüllen.
Michael Spyres

BR-KLASSIK: Sie sind in Ihrer Heimat künstlerischer Direktor der Ozarks Lyric Opera. Da müssen Sie sicherlich Oper noch einmal anders definieren, nicht nur interpretieren. Oper als ein Statement in der Gesellschaft, können Sie das auch hier in Bayreuth formulieren?   

Michael Spyres: Sicher, aber in meiner Region gibt es gar nicht so viele Leute, die wissen, was Oper überhaupt ist. Ich kann machen, was ich will, aber ich gehe bewusst den traditionelleren Weg. Ich glaube, was vor fünfzig oder sechzig Jahren als Grundlage für unsere Generation mitgegeben wurde, war gut für unsere Entwicklung. Wir müssen aufpassen, was in den Opern geschrieben wurde und die neuen Ideen müssen zur Musik passen. Was ich in Amerika mache, geht fast in eine pädagogische Richtung. Wir spielen viel Mozart, Beethoven, aber auch als erstes Haus im Mittleren Westen den "Black Rider" von Tom Waits. Es freut mich, wenn die Menschen feststellen, dass Oper viel mehr bedeutet als Leute auf der Bühne, die laut brüllen.

BR-KLASSIK: Pionierarbeit in den Ozarks und hochentwickelte, weiterentwickelte Wagnertradition am Grünen Hügel - eine große Bandbreite. Vielen Dank für dieses Gespräch!

BR-KLASSIK überträgt "Die Walküre" live aus dem Bayreuther Festspielhaus: am 29. Juli 2024 zeitversetzt ab 18:05 Uhr.

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