BR-KLASSIK

Inhalt

Claus Guth über "Die Liebe der Danae" Eine ungewöhnliche Strauss-Oper

Mit den Opern von Strauss ist der Regisseur Claus Guth bestens vertraut. Jetzt bringt er eine selten gespielte Wiederentdeckung auf die Bühne der Bayerischen Staatsoper. Im BR-KLASSIK-Interview erzählt er, warum es auch eine ungewöhnliche Strauss-Oper ist.

Claus Guth | Bildquelle: picture alliance / Foto\ Wildbild / Wild & Team

Bildquelle: picture alliance / Foto\ Wildbild / Wild & Team

BR-KLASSIK: Herr Guth, Sie sind mit Strauss bestens vertraut. "Die Liebe der Danae" ist keine typische Strauss-Oper. Ist das jetzt aus der Erfahrung von sechs Wochen Probenzeit und intensiver Beschäftigung ein Glücksgriff oder eine schwere Geburt?

Claus Guth: Beides. Letztlich war es meine Idee, das Stück auf die Bühne zu bringen, weil ich bei einem Komponisten wie Strauss immer davon ausgehe, dass alles, was er geschrieben hat, eine eingehende Untersuchung wert ist. Das hat sich für mich früh bestätigt. Schon beim Hören des dritten Akts spürt man die Tiefe der Musik, die meisterhafte Orchestrierung und die vollständige Identifikation mit der Figur des Jupiter. Dieses Szenario einer Welt am Abgrund steht in seiner Intensität und Qualität Werken wie "Die Frau ohne Schatten" in nichts nach.

Der bucolische Aspekt, den der Untertitel andeutet ("Heitere Mythologie in drei Akten"), suggeriert eine komische Oper, doch das trifft nicht zu. Auch wenn Strauss für manche Figuren, wie die Königin, leichtere Musik geschrieben hat, bleibt das Werk insgesamt komplex und vielschichtig. Es ist kein kompaktes Meisterwerk wie "Elektra" oder "Salome". Wir bringen hier eine seiner komplexeren und merkwürdigeren Geburten auf die Bühne, ein Werk, das auch in der Stilistik gar nicht ganz klar ist und vielleicht auch gar nicht sein will.

BR-KLASSIK überträgt live aus der Bayerischen Staatsoper

Hören Sie die Premiere der Neuinszenierung von "Die Liebe der Danae" von Richard Strauss aus der Bayerischen Staatsoper - am 7. Februar 2025 ab 19:00 Uhr auf BR-KLASSIK.

Jupiter hat eine Alterskrise

BR-KLASSIK: Ist es denn eine Komödie oder eine Tragödie?

Claus Guth: Es bewegt sich souverän zwischen den Genres. Vom reifen Strauss ist da eine gewisse Wurschtigkeit drinnen, da ist keiner, der etwas beweisen will. Da ist einer, der einen Spaziergang macht durch das, was er kann.

BR-KLASSIK: Sie sind hier in München auf den Jupiter fast schon abonniert, auch in der Händel-Oper "Semele", die Sie 2023 hier inszeniert haben, gibt es einen Jupiter. Hier ist er jetzt ganz anders. Welche Charaktereigenschaften hat diesmal dieser Ober-Gott?

Claus Guth: Das ist schon irre, was Strauss und seine unterschiedlichen Berater auf der Libretto-Seite da veranstalten. Weil wir es eigentlich von Anfang an mit einem ziemlich demontierten Jupiter zu tun haben. Es ist ein Jupiter, der offensichtlich unter der Fuchtel von Juno steht, sich sehr mühsam konstruierte Tricks überlegen muss, um sie noch zu überlisten. Wir kriegen dann aber sehr schnell mit, dass eigentlich die ganze andere Götterschaft da oben sich todlacht über auch sein Misslingen.

Lesen Sie auch

Vorbericht zur Premier "Die Liebe der Danae" an der Bayerischen Staatsoper

Es wird permanent thematisiert, dass Jupiter ja nicht mehr der Jüngste ist und dass alles nicht mehr so ganz klappt. Die ehemaligen Eroberungen von ihm, Semele, Europa, Alkmene, die machen sich darüber lustig, dass er es jetzt immer noch mal probiert, wo er doch sichtlich eigentlich mal aufgeben sollte aufgrund seines Alters. Es ist rundum fast eine lächerliche Figur. Und dann gibt es diese verrückte Entwicklung, die er macht: Dass hier dieser Chauvi und Aufreißer, der eigentlich nur das nächste Abenteuer sucht, plötzlich durch die Ablehnung der Danae zu großer Selbsterkenntnis geführt wird. Im Sinne von: Was heißt das vielleicht in einen neuen Lebensabschnitt zu gehen? Was heißt das, was er eigentlich da Menschen angetan hat? Was kann vielleicht auch Glück sein, was man nicht nur egoistisch für sich selber erzielt, sondern indem man andere betrachtet bei ihrem Glück oder es ermöglicht. Und insofern sehen wir dann im dritten Akt einen Jupiter, der voll von Strauss ist.

Strauss ist entsetzt über die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs

BR-KLASSIK: So könnte und muss sich Strauss wohl auch gefühlt haben, als er sich spätestens 1944 weitgehend an seinen Schreibtisch zurückzog. Spiegelt sich da vielleicht auch eine Altersweisheit wider? Und ist das der Grund, dass man im dritten Akt den Eindruck hat: Viel passieren tut nicht, viel gedacht vielleicht schon.

Claus Guth: Das hat mich am Anfang, als ich mich vorbereitet habe, sehr geschreckt, dass ich mir dachte: Wie soll ich denn diesen dritten Akt um Gottes Willen inszenieren? Da passiert ja gar nichts mehr. Bis ich dann irgendwann für mich verstanden habe, dass vielleicht das genau das Wesen ist. Der dritte Akt ist plötzlich ein Gemälde. Das hat wahrscheinlich mehr mit einem Oratorium oder einem Klangbild zu tun, mit einer Symphonie. Das ist ein ganz anderes Genre, was er da plötzlich aufmacht. Und das habe ich eigentlich jetzt als Chance genutzt, dass auch ich stilistisch völlig anders reagiere. Ich versuche da eigentlich einen Bogen zu schlagen. Einerseits eine Perspektive in eine düstere Zukunft und gleichzeitig auf die Entstehungszeit, weil das vielleicht relativ ähnlich ist. Es geht um Zeiten, die kriegsgeprägt sind, um Zeiten, wo kulturelle Werte zusammenbrechen, wo Glaube, zumindest hier in der westlichen Region, massiv an Bedeutung verliert. Strauss thematisiert da zum einen sein eigenes Loslassen müssen, aber auch im Grunde eine tiefe Depression über das, was aus seiner geliebten Kulturwelt geworden ist. Dazu die Staatsoper München in Trümmern. Da gibt es von Strauss auch sehr ausführliche Berichte, wie ihm das so den Rest gegeben hat.

Das könnte Sie auch interessieren

Lesen Sie hier über Richard Strauss und seine Spuren in Bayern.

Strauss hat vorher versucht, sich mit dem Regime zu arrangieren, was tragisch schief lief. In der Oper ist eigentlich auch die Erfahrung dieser Zeit, in der er komponiert hat, mit drinnen. Man spürt, dass er eigentlich mit einem ganz anderen Impetus gestartet ist. Er hat den Entwurf von Hoffmannszahl aus der Schublade gezogen, der aus einer völlig anderen Zeit stammt, aus den 20er Jahren. Und plötzlich ist um ihn herum gar nichts mehr heiter und das lässt er immer mehr zu. Ich finde, man spürt richtig, dass Strauß während des Komponierens zu sich kommt. Und das ist dann im dritten Akt wirklich hörbar.

Wirklich mal eine Strauss-Oper mit Happy End?

BR-KLASSIK: Die Frauenfiguren bei Strauss, die in den Titeln der Opern auftauchen - sie heißen Elektra, Salome, Daphne, aber dann: die Liebe der Danae. Da steckt eine Emotion drinnen und gar nicht mehr nur der Charakter, sonder schon eine charakterliche Entwicklung. Was glauben Sie steckt dahinter?

Claus Guth: Das ist mir noch gar nicht so aufgefallen. Aber das stimmt. Und es weist darauf hin, dass Strauss hier etwas sehr Ungewöhnliches macht. Er geht sehr weit vom Mythos weg. Normalerweise ist Danae ja auch ein Opfer von Jupiter. Und hier erleben wir eine am Anfang junge Frau, vielleicht ähnlich wie eine Salome, die aber gleichzeitig völlig in diesem Funktionieren müssen in der Familie, im System, noch nicht wirklich eine Persönlichkeit oder eine Meinung bilden konnte. Und wir erleben dann die Entwicklungsstudie von einem Mädchen zu einer Frau, die Entscheidungen fällt gegen ihr gesamtes männlich dominiertes Umfeld. Und sie entdeckt für sich die Liebe. Liebe in ihrem radikalsten Sinn, für die sie alles andere loslässt und Armut und vielleicht den Tod riskiert. Insofern ist das eigentlich das zentrale Thema, dass auch Jupiter von dieser Entscheidung so überrascht ist, so aus dem Konzept gerät, dass das bei ihm eben diesen riesigen Erkenntnisprozess auslöstt. Insofern ist diese, die Liebe der Danae tatsächlich das Zentrum des Stücks.

BR-KLASSIK: Dann ist es ja eigentlich auch mal eine Strauss-Oper mit Happy End?

Claus Guth: Naja, so wie ich es auf der Bühne zeige, ist es die Gleichzeitigkeit: Dass man zehn Zentimeter vom Untergang der Welt entfernt steht, aber gleichzeitig die Utopie der Liebe sieht - die Möglichkeit der Liebe, die eventuell auch gerade erst in so einer Situation wirklich sichtbar wird.

Kommentare (0)

Bitte geben Sie höchstens 1000 Zeichen ein. (noch Zeichen)
Bitte beachten Sie, dass Ihr Kommentar vor der Veröffentlichung erst noch redaktionell geprüft wird. Hinweise zum Kommentieren finden Sie in den Kommentar-Richtlinien.

Spamschutz*

Bitte geben Sie das Ergebnis der folgenden Aufgabe in Ziffernschreibweise ein:

Drei minus eins ergibt?
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

Mehr zum Thema

Neu in BR-KLASSIK

    AV-Player