BR-KLASSIK

Inhalt

Donaueschinger Musiktage 2024 Zurück in die Zukunft

Es ist das älteste Festival für Neue Musik weltweit: die Donaueschinger Musiktage. Dieses Jahr geht es um das Verhältnis des Individuums zur Gruppe, ein Grundbaustein der Kunst. 25 Ur- und Erstaufführungen stehen auf dem Programm.

Ausschnitt aus der Klanginstallation "aussi fragile que possible" von Elsa Biston bei den Donaueschinger Musiktagen 2024  | Bildquelle: Presse_DMT_2024

Bildquelle: Presse_DMT_2024

Das diesjährige Motto der Donaueschinger Musiktage lautet "alonetogether", und die Schreibweise gibt die Richtung schonmal vor: Irgendwie hängt beides untrennbar miteinander zusammen, das Intime und das Öffentliche, das einzelne Musizieren und das Zusammenfügen mit Anderen, das Schreiben im Kämmerlein und das Erklingen vor Publikum. "Jedes Konzert schafft durch sein Format ein spezifisches Dispositiv," schreibt Lydia Rilling, die Künstlerische Leiterin des Festivals, im Vorwort der diesjährigen Ausgabe. Und zwar eines "wie sich Musiker:innen und Zuhörende zueinander verhalten: musikalisch, räumlich, medial und sozial."

Zwischen Japan und Schlosspark, Installation und Konzert

Das ist nun gewiss nichts Neues, war quer durch alle Epochen gleich, ist aber bis heute ein interessantes Spannungsfeld. Man könnte das Motto auch so umschreiben: Mit Gespür für das "gestern", den Mitteln von "heute" und dem Blick auf "morgen". Damit sind die Ankerpunkte gesetzt für insgesamt 15 Konzerte nebst Performances und Installationen unterschiedlicher Natur, die über das "lange Wochenende" zwischen dem 17. und 20. Oktober in Donaueschingen zu erleben sein werden. Manches davon rein digital, wie eine Arbeit von Lucia Kilger: Sie befasst sich mit "immersiver 3-D-Wahrnehmung"und der Gleichzeitigkeit digitaler Wirklichkeiten, die unser Hier und Jetzt längst mitbestimmen. Anderes, wie gewohnt in Donaueschingen, wird im öffentlichen Raum stattfinden, zum Erwandern und hörend Ausloten: Bei nächtlichen Kontrabassklängen im Schlosspark kreuzen sich Elektronik, Natur und Improvisation.

Komponist Robin Minard hat sich auf Spurensuche nach Kaminoyama in Japan begeben, um die Partnerstadt von Donaueschingen klanglich einzufangen: Der Dichter Saitō Mokichi kam vor 100 Jahren aus seiner Geburtsstadt nach Donaueschingen und verarbeitete diesen Besuch literarisch.

Pierre-Laurent Aimard spielt Mark Andre  

Pierre Laurent Aimard (Pianist) | Bildquelle: © Marco Borggreve Zum ersten Mal solo in Donaueschingen: Pierre-Kaurent AImard | Bildquelle: © Marco Borggreve Vor allem verwandeln sich in Donaueschingen im Oktober alle verfügbaren Hallen in ein Mekka der Zeitgenössischen Musikszene. Dazu zählt auch Enno Poppe, der sich Gedanken gemacht hat rund um das vermeintlich solistisch konnotierte Schlagzeug-Set. Pierre-Laurent Aimard, der Grand Seigneur unter den Pianisten mit flammender Passion für "die Moderne", kommt erstmals solo an den Donauursprung, um ein Stück zu spielen, das ihm der Flüster-Magier Mark Andre in die Hände geschrieben hat. Das SWR-Symphonieorchester ist als Festival-Host traditionell umtriebig und vielseitig unterwegs und erkundet das Spannungsfeld zwischen Solo und Tutti auch mit einem Stück für KI, ein Thema, das aktueller kaum sein könnte.

Projekt mit Geflüchteten

Die Einsamkeit des Einzelnen und die daraus resultierenden Möglichkeiten und Ängste schweben wie ein Roter Faden durchs Programm, sei es im Portrait des erstmals vor Ort aufgeführten US-Amerikaners Phil Niblock und seinen frühen Tonband- und Computerexperimenten. Oder sei es in einem Projekt mit Geflüchteten, die ihre individuellen Stimmen zu einem Großen, Neuen bündeln. Und natürlich ist die Politik nicht weit, wenn Schlagwörter wie Ökosystem und Wegwerfgesellschaft fallen. Fraglich, ob ein Festivaljahrgang immer alles auf einmal reflektieren kann und im Hintergrund immer die ganz großen Fragen mitschwingen müssen: Wer bin ich, und warum? Gleichwohl muss auch und gerade die Zeitgenössische Musik, dieser wundersame "Lonely Wolf" unter den Modernen Künsten, sich immer wieder selbst und neu hinterfragen. Sich der breiten Gesellschaft öffnen, ohne in der Bubble zu "vereinsamen". Das ist ja das Wunderbare an Musik: Sie vermag anzuregen, ohne mit dem Vorschlaghammer draufzuknallen, Fragen zu stellen, ohne die Antworten gleich mitzuliefern. In diesem Sinne: Auf ein subtiles Hinterfragen!

Sendung: Leporello, 16.1.2024 ab 16:05 Uhr

Kommentare (0)

Bitte geben Sie höchstens 1000 Zeichen ein. (noch Zeichen)
Bitte beachten Sie, dass Ihr Kommentar vor der Veröffentlichung erst noch redaktionell geprüft wird. Hinweise zum Kommentieren finden Sie in den Kommentar-Richtlinien.

Spamschutz*

Bitte geben Sie das Ergebnis der folgenden Aufgabe als Zahl ein:

Fünf minus zwei ergibt?
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

    AV-Player