Kann künstliche Intelligenz komponieren – und was kann der Mensch der Musik dann doch Einzigartiges geben? Solche Fragen werden gerade weltweit von Musikerinnen und Musikern, von Komponierenden oder IT-Spezialistinnen gestellt. An der Münchner Musikhochschule gab es im vergangenen Sommersemester ein Seminar dazu: Kompositionsstudierende entwickelten zusammen mit einer künstlichen Intelligenz ein mehrteiliges Programm. Darunter auch ein Klavierkonzert, dessen Solostimme von einem künstlichen Klavier gespielt wird.
Bildquelle: AI generated by Midjourney / prompted by BR-KLASSIK
"Das sind alles Stücke, die wir sonst so nicht geschrieben hätten", sagt einer der Studierenden, ein Experiment, anstrengend, aber irgendwie auch inspirierend. Die Münchner Philharmoniker führen diese Werke nun auf. Doch so ganz normal läuft die erste Probe nicht ab. Ist der Solist überhaupt ein Solist? Ein Wesen? Geisterhaft wirkt der Steinway Flügel, dessen Tasten ohne menschliches Zutun gespielt werden.
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Ein selbstspielendes Klavier und ein Laptop erzeugen diese Musik, die von einer Künstlichen Intelligenz geschrieben wurde. Dahinter aber stehen Menschen. Etwa der Komponist und Softwareentwickler Ali Nikrang, der das Programm geschrieben hat sowie die Kompositionsstudierenden Leon Zmelty, Fabian Blum und Minami Nagai. Sie haben dieses Klavierkonzert aus Vorschlägen, die ihnen das Computerprogramm gemacht hat, herausdestilliert. Pro Phrase sind das um die 200 Sounddateien, die sie durchhören mussten. Oft gäbe es dann auch gewisse Stellen, bei denen man eine sehr genaue Vorstellung hat, wie man das Stück selber weiterschrieben würde – die KI aber einfach nicht das liefert, was man eigentlich haben möchte. Entstanden ist dennoch ein dreisätziges Werk: die Klavierstimme von der KI, die Orchesterstimme von den Menschen.
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Bei der Probe sitzen dann dem selbstspielenden Klavier das erste Mal echte Musikerinnen und Musiker gegenüber. Ein Kammerorchester der Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Hankyeol Yoon, daneben der stoische Flügel und dahinter Fabian Blum, der den an den Flügel angeschlossenen Laptop bedient. Die Probe läuft in weiten Teilen so wie eine Orchesterprobe in der Regel abläuft und es wird über einzelne Stellen gesprochen, wenn manchmal auch in etwas ungewöhnlichem Wortlaut: "Kann man das Klavier eigentlich so einstellen, dass es zwanzig Prozent langsamer wird?"
Damit bringt es ein Geiger im Orchester auf den Punkt. So etwas spürt nämlich dieses künstliche Klavier nicht – und für eine fünftönige Melodie braucht man dann schon auch zwei Minuten, um diese richtig zu phrasieren.
Irgendwie ist es auch schön zu hören, wie dieses Klavier im Vergleich zum Menschen ein bisschen zu störrisch klingt. Weniger flexibel, weniger weich, weniger atmend als die Menschen – und mit absolut keiner Anpassungsfähigkeit. Doch genau so etwas braucht die Musik eben auch. Und so zeigt diese erste Probe eine sehr spannende, sehr aktuelle Dualität: Musikerinnen und Musiker, die sich mit all ihrem menschlichen Einfühlungsvermögen musikalisch gegen die virtuose Hohlköpfigkeit des Computers stemmen.
Sendung: "Leporello" am 11. Oktober 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Mittwoch, 16.Oktober, 14:59 Uhr
Beate Schwärzler
Rumprobieren mit KI
Ich halte das für gefährlich, Alles ausprobieren zu wollen,
was hybride Hirne sich erdacht haben.
Sie wissen ja: "Die Büchse der Pandora..."
Und: Gibt es nicht längst von Allem viel zu viel ?
M.E. d a r f die Kunst bei der Schaffenskraft und Geschwindigkeit des Menschen bleiben.
M i r - reicht das.