Mit dem Projekt "ROBOTERSINFONIE" feiern die Dresdner Sinfoniker am 12. und 13. Oktober 2024 das Jubiläum ihres 25-jährigen Bestehens. Das Besondere ihres Konzertes im Festspielhaus Hellerau: Der Dirigent Michael Helmrath teilt sich das Dirigentenpult mit einem dreiarmigen Industrie-Roboter. Typisch für die Dresdner Sinfoniker, die immer wieder Grenzen ausloten, für Aufmerksamkeit sorgen und sich politisch positionieren.
Bildquelle: Dresdner Sinfoniker
Man braucht Geduld oder, besser gesagt: Markus Rindt, Intendant der Dresdner Sinfoniker, braucht Geduld, wenn er dem Roboterarm das Dirigieren beibringen will. Im Exzellenzcluster der Technischen Universität Dresden, an dem die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine erforscht und verbessert wird, steht er mit einem Robotik-Experten vor einem großen Bildschirm, der die Partitur zeigt. Daneben ein Computerarm mit sieben Gelenken. Man kann ihn strecken und in alle Richtungen bewegen. Und diese sieben Gelenke wirken schon fast so wie bei einem normalen Arm.
Eng schmiegt sich der echte Arm an den der Maschine, die jeder seiner Bewegungen folgt und sie sich merken soll. Allerdings funktioniert der Roboter nach eigenen Gesetzen. "Wenn ich zum Beispiel mit einer vollen Wucht von oben nach unten schlage, so wie ein Dirigent, der das Orchester mal so richtig inspirieren will, dann stoppt der Roboter, weil er hat diese Sicherheitsmechanismen, dass er eben niemanden verletzt, dass nichts kaputt geht. Und diese Limitation, die war eine große Herausforderung. Ich musste mich dann an den Roboter anpassen und lernen: Was ist hier möglich? Und die Entwickler haben versucht, diese Abschaltautomatik so weit wie möglich zu reduzieren“, so Intendant Markus Rindt.
Bildquelle: Dresdner Sinfoniker Die Idee, ein Orchester von einem Roboter dirigieren zu lassen, beschäftigt Markus Rindt schon seit über 20 Jahren. Auslöser war 2001 ein Konzert der Dresdner Sinfoniker mit Kompositionen von Conlon Nancarrow für "Player Piano", also einen Musikautomaten: hochkomplex, bei der die linke Hand etwas komplett anderes spielt als die Rechte. Um die sich jetzt mit KI eröffneten Möglichkeiten musikalisch auszuloten, wurden für das Jubiläumskonzert Komponisten eingeladen, Stücke zu schreiben. Andreas Gundlach ist einer davon. Für seine Komposition "Semiconductor's Masterpiece“ – ein Wortspiel, das sowohl auf den Halbleiter als auch auf den musikalischen Leiter verweist – lässt er die Dresdner Sinfoniker in einer kleinen Besetzung mit sechzehn Bläsern und vier Perkussionisten von drei Roboterarmen, die jeweils einen andersfarbig leuchtenden Taktstock führen, dirigieren.
In den 25 Jahren, die es die Dresdner Sinfoniker inzwischen gibt, sind ausgefallene Konzerte mit zeitgenössischer Musik zum Markenzeichen des Orchesters geworden. Eines war zum Beispiel 2006 die Hochhaus-Symphonie, ein neuer Soundtrack zu Sergej Eisensteins Stummfilmklassiker "Panzerkreuzer Potemkin", mit dem das Orchester zusammen mit den Pet Shop Boys von den Balkonen eines Plattenbaus in der Dresdner Innenstadt zur Filmprojektion gespielt hat.
Es hat mehrere Anläufe gebraucht, bis Markus Rindt für seine Idee in den Wissenschaftlern der Technischen Universität Dresden die idealen Partner gefunden hatte. Ohne sie wäre das Projekt technisch wie auch finanziell nie zu stemmen gewesen. Aber letztlich ist es auch für ihre Robotik-Forschung ein Gewinn: Wie bekommt man Fähigkeit zum Dirigieren aus einem Menschen in die Maschine – und andersherum? Die Bewegungen, die jetzt durch das Dirigieren in die Roboter hineinprogrammiert wurden, könnten künftig also in der industriellen Fertigung für filigranere Handgriffe eingesetzt werden.
Bleibt noch die Frage, was die Dresdner Sinfoniker außer ihrer Affinität und Begeisterung für technische Spielereien an der Robotersymphonie reizt. Der Mensch als Dirigent mit all seiner nicht zu unterschätzenden Mimik und Gestik soll keinesfalls in Zukunft abgeschafft werden. Aber das war auch nicht der Ansatz von Intendant Markus Rindt. Er vergleicht die Weltpremiere der Robotersinfonie vielmehr mit dem Aufkommen der Synthesizer in den 1960er-Jahren: Damals habe man einen neuen Klangkosmos eröffnet. Nun ist hier nicht das klangliche, sondern das rhythmische Neuland, das man betritt.
Markus Rindt kann sich jedenfalls weitere Robotersinfonien vorstellen. Und so kann man die beiden Konzerte zum 25. Jubiläum der Dresdner Sinfoniker durchaus als einen ersten Impuls verstehen, in diese Richtung musikalisch wie technisch weiter zu experimentieren.
Sendung: "Leporello" am 11. Oktober 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK