Es ist ihr Debüt in Bayreuth: Elīna Garanča singt die Kundry im "Parsifal". BR-KLASSIK hat die Mezzosopranistin kurz nach dem zweiten Aufzug bei der Premiere besucht.
Bildquelle: © Enrico Nawrath
BR-KLASSIK: Frau Granača, der größte Teil ist geschafft. Vielen Dank, dass wir Sie in ihrer Garderobe besuchen dürfen, im Allerheiligsten sozusagen. Die typische Fußballer-Frage gleich zu Anfang, weil es ihr Debüt ist: Wie war’s?
Elīna Garanča: (lacht) Ich weiß gar nicht, ob ich da viel sagen kann. Es ist wirklich ein Wahnsinnsort, eine unglaubliche Verantwortung, es ist ein Traum, der wahr wird. Und einfach die ganze Energie, die zu spüren ist. Eine große Last ist jetzt von meinen Schultern gefallen, und ich bin tatsächlich erleichtert.
BR-KLASSIK: Wagner hat eine Zeit lang in Riga gelebt. Sie sind die erste lettische Sängerin, die überhaupt am Grünen Hügel singt. Sie sind eine Einspringerin. Das ist untypisch für Sängerinnen, die so berühmt sind wie Sie, aber es war sozusagen nicht im Kalender vorgesehen. Dementsprechend wenig Vorbereitungszeit gab es. Aber es war unfassbar. Ich saß im Publikum - und die Leute haben getobt. Wie machen Sie das?
Elīna Garanča: Das ist, muss man sagen, jahrelange Erfahrungen, auch in anderen Produktionen. Aber ich hatte eine sehr kurze Nacht (lacht), auch das muss man sagen.
BR-KLASSIK: Also sind Sie schon auch nervös?
Elīna Garanča: Ja sicher! Beim Frühstücken ist mir heute der Teebeutel aus der Hand gefallen, dann die Gabel und das Messer. Und dann bin ich noch in die Tür reingelaufen. Es war schon ein bisschen eng (lacht). Aber die Erfahrung hilft. Man singt sich ein. Und in dem Moment, wo man absichtlich abschaltet und sich sagt: "Ich bin jetzt einfach mal zu Hause und singe mit Kollegen und lebe den Charakter“, dann nimmt irgendwie auch die Anspannung ab. Und wenn man hört, dass das Publikum wirklich an deine Lippen hängt – buchstäblich – das erfüllt einen so. Und man will nur geben, nur geben, nur geben.
BR-KLASSIK: Cosima Wagner hat in ihrem Tagebuch vermerkt, dass die Kundry der originellste Frauencharakter ist, den Wagner geschrieben hat. Es war auch von Ihnen lange Zeit eine Wunschrolle. Was macht diese Rolle so besonders?
Bildquelle: © Enrico Nawrath Elīna Garanča: Man findet einfach alles in ihr. Es ist stimmlich eine Herausforderung. Die kleinsten Pianos, die zartesten Töne und dann ein riesen Vulkanausbruch, samt hoffentlich gelunger Textdeutlichkeit, mit geschlossenen Ohs und Ehs und Ähs.
Und dann ist da die Intensität, das Wachstum der Partie. Die letzten 14, 15 Seiten sind wirklich ein Marathon auf Sprint-Niveau. Für den braucht man Erfahrung. Ich habe die Partie auch sehr lange vorbereitet, und das hat sich ausgezahlt.
Aber ohne Team und ohne die Unterstützung von allen, die dabei waren und sind in dieser Produktion - ohne sie würde es nicht gehen. Sie haben mir wirklich alles auf einem goldenen Tablett serviert und meine Wünsche von den Lippen abgelesen. Wenn man außerdem Vertrauen hat, macht es das ganze Leben etwas einfacher. Aber so ein kurzfristiges Einspringen mache ich nie wieder (lacht). So was Verrücktes! Ich hab meinen Kollegen gesagt, entweder bin ich blöd oder verrückt.
BR-KLASSIK: Noch eine abschließende Frage zur Akustik, die ja hier sehr besonders ist. Berühmt ist auch der Graben, der sehr viel Klang auf die Bühne wirft. Auch da hatten sie gar nicht viel Zeit, sich reinzufinden.
Elīna Garanča: Ich war drei Stunden vor der Aufführung schon da, bin auf die Bühne gelaufen , habe (schnalzt mit der Zunge) gemacht [Anmerkung der Redaktion, also die Akustik getestet], um mich selber ein bisschen zurechtzufinden. Aber ich hatte tatsächlich nicht allzu viele Orchesterproben. Man vertraut auf das, was man jahrelang studiert hat. Ich habe eine Probe der Kollegen gehört, um den Klang zu erkunden. Aber wenn man gut singt und das Orchester eine so unglaubliche Erfahrung hat, kann nichts schief laufen. Ich glaube, für den Dirigenten ist es tatsächlich viel schwieriger. Aber ich kann wirklich nur Komplimente für das Team und für Maestro Heras-Casado aussprechen: Ich wurde wahnsinnig gut aufgenommenen - und getragen.
Kommentare (4)
Sonntag, 30.Juli, 23:11 Uhr
Masaya Higashigaito
El?na Garan?a
@ Prof. Siebert-Freund
Parsifal hat Einspringer Andreas Schager gesubgen.
Garan?a's nächster grosser Auftritt mit TV-übertragung: 7. Dezember 2023 Mailänder Scala, Don Carlo neben Anna Netrebko
Sonntag, 30.Juli, 08:06 Uhr
Prof. Christa Siebert-Freund
Parsifal
Ich habe gestern Abend im Fernsehen den 2. Akt von Parsifal gesehen und gehört. Sowohl El?na Garan?a als auch Joseph Calleja waren sensationell!
Umso mehr, als beide ja mit ganz andern Partien aufgewachsen sind. Beide sind schon seit 20 Jahren im Geschäft und sie haben ihre Stimmen klug und professionell gepflegt! Bravo! Bravo!
Donnerstag, 27.Juli, 11:30 Uhr
Herbert Neubacher
Kundry
Schade das ein solches Talent in einer solch saumässigen Inszenierung verheizt wird. Kommen sicher andere Tage an seriösen Theatern mit guten Regisseuren und nicht solchen Spinnern wie im aktuellen Bayreuth
Mittwoch, 26.Juli, 21:19 Uhr
Renate Eglhuber
Parsifal persönlich
Gestern videoübertraging...heute Wiederholung 2. Aufzug Mediathek:
Bin berührt und fasziniert am meisten von Elina G. und Zeppenfeld. Ausdruck und Mimik der Kundry haben neben ihrem Schöngesang meinen Atem fast "stocken" lassen. Danke Elina und allen Mitwirkenden!