Am 13. Juni kommt der neue Pixar-Film "Alles steht Kopf 2" in die Kinos, mit Musik von Andrea Datzman. Seit knapp 30 Jahren steht Pixar für Einfallsreichtum, filmisch wie musikalisch. Von "Toy Story" bis "Findet Nemo" - wir präsentieren die gelungensten Soundtracks des Animationsstudios.
Bildquelle: picture-alliance / dpa | dpa-Film
Als erster komplett am Computer entstandener 3D-Animationsfilm revolutionierte "Toy Story" das Kino. Der Film machte den Weg frei für weitere digitale Trickfilme, die den handgezeichneten Zeichentrick ablösen sollten. Wie passend, geht es in dem Film doch um die altmodische Cowboy-Puppe Woody, die fürchtet, von der neuen Astronauten-Actionfigur Buzz Lightyear ersetzt zu werden. Obwohl in Partnerschaft mit Disney entstanden, wendet sich "Toy Story" bewusst vom klassischen Disney-Stil ab, der Jahrzehnte den Zeichentrickfilm dominierte.
Das gilt besonders für die Musik: So weigerte sich Regisseur John Lasseter, aus dem Film ein typisches Disney-Musical zu machen. Als Kompromiss wurde der Komponist und Songwriter Randy Newman engagiert, dessen jazzig-heitere Songs die Filmhandlung kommentierten. Seine Musik für "Toy Story" ist verspielt, aber nicht zu cartoonhaft, warmherzig, aber nicht kitschig, unbeschwert, aber nicht trivial. Und stets durchsetzt mit einem scharfen Zug Ironie. Das Leben als Spielzeug ist eben kein Ponyhof!
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You've Got a Friend in Me
Von "Toy Story" bis "Die Monster AG" (2001) vertonte Randy Newman die ersten vier Pixarfilme und wurde zur Stimme des aufkommenden Animationsstudios – wortwörtlich, da er seine Songs selbst eingesungen hatte. Für "Findet Nemo" wurde er schließlich von seinem Cousin Thomas Newman abgelöst, der musikalisch eine völlig andere Richtung einschlug. Der beste Beweis, dass es bei Pixar um künstlerische Innovation geht, statt die immergleiche Formel zu wiederholen.
In "Findet Nemo" sucht der Clownfischpapa Marlin alle Weltmeere nach seinem verlorenen Sohn Nemo ab. Statt die Abenteuerreise mit ausladendem, ruhelos-expressionistischem Tam-Tam zu vertonen (wie es vielleicht sein Cousin getan hätte), setzt Thomas Newman auf atmosphärische, impressionistische Klangbilder. Eine in sich gekehrte Musik, so tief und unberechenbar wie die See, bei der die verschiedenen Gefühlszustände ebenso fließend ineinander übergehen wie die Filmmusik mit dem Sounddesign.
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Wow
Kein Pixarfilm gleicht dem anderen – dafür sind ihre Zeichenstile und Settings einfach zu verschieden. Dabei spielt die Musik eine zentrale Rolle und so wird der Komponist von Anfang an mit ins Boot geholt, statt erst in letzter Sekunde dazuzustoßen. Für "Die Unglaublichen" ließen sich die Macher vom Look und Sound der 1960er Jahre inspirieren. Ursprünglich sollte sogar James-Bond-Komponist John Barry die Musik komponieren. Als dieser ablehnte, fiel die Wahl auf Michael Giacchino, der Barrys fetzigen Big-Band-Sound perfekt imitierte.
Mit schrillen Blechbläserakkorden und wirbelnden Percussionrhythmen akzentuiert Giacchino die "Pows" und "Kabooms" der temporeichen Superheldengeschichte. Groovige Saxophoneinsätze und gedämpfte Trompeten beschwören alte Spionagefilme und den Glanz vergangener Tage, dem der frühpensionierte Superheld Mr. Incredible nachtrauert. Giacchinos Score für "Die Unglaublichen" ist ein abwechslungsreiches Hörerlebnis, das auch nach 20 Jahren begeistert!
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The Incredits
Neben den Newmans etablierte sich Michael Giacchino nach "Die Unglaublichen" und "Ratatouille" (2007) als Pixars neuer Hofkomponist. Die produktive Zusammenarbeit findet ihren Höhepunkt im bittersüßen Machwerk "Oben". In dem Film begibt sich der rüstige Rentner Carl in seinem an tausenden Luftballons hängenden Haus auf eine letzte Abenteuerfahrt, um den Traum seiner verstorbenen Frau Ellie zu erfüllen.
Für die Musik gewann Giacchino unter anderem einen Oscar, einen Golden Globe und zwei Grammys. Was die Musik so preiswürdig macht, zeigt das Stück "Married Life". Es begleitet eine Montagesequenz zu Beginn des Films, die das lange Eheleben von Ellie und Carl in wenigen Bildern verdichtet. Von einem nostalgischen Walzer getragen, tanzt die Musik mit ihren Figuren durch die Jahre, erlebt Hochs und Tiefs, ist mal schnell, mal langsam, wechselt von liebevollen Streichern zu vollen Orchesterfarben, bis sie mit Ellies Leben in sanften Klavierakkorden ausklingt. Ein rührendes Portrait einer beständigen Liebe und filmmusikalisches Meisterwerk!
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Married Life
Mit ihrer Mischung aus frechem Humor und wehmütiger Nostalgie bringen Pixar-Filme Kleine zum Lachen und Große zum Weinen. Neben "Married Life" aus dem Film "Oben" verdeutlicht dies vielleicht kein Musikstück besser als "So Long" aus Randy Newmans Score zu "Toy Story 3". Der Film beschäftigt sich mit erwachsenen Themen wie Verlust, Abschied und das Älterwerden.
Andy, im ersten Toy-Story-Film noch ein kleiner Junge, ist nun auf dem Weg zum College und gibt seine alten Spielzeugfreunde Woody, Buzz und Co. in neue Kinder-Hände. "So Long" begleitet den emotionalen Abschied mit einer warmen Klaviermelodie, die den runden Americana-Klang von Newmans Toy-Story-Musik ein letztes Mal heraufbeschwört. Die Szene brachte selbst gestandene Erwachsene im Kino zum Weinen, woran Newman nicht ganz unschuldig ist.
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So Long
Mit "Merida" betrat Pixar Neuland: Es ist der erste Film des Animationsstudios mit einer weiblichen Hauptfigur, erdacht von Brenda Chapman, die den Film als erste Regisseurin inszenierte – bis man sie mit einem anderen Regisseur austauschte. Anscheinend war Chapman den Pixar-Bossen ähnlich kompromisslos, wie ihre Hauptfigur Merida, da man sich wegen "kreativer Differenzen" voneinander trennte. Im Film stellt sich die schottische Prinzessin den starren Konventionen ihrer Zeit entgegen. Statt auf Prinzensuche zu gehen, nimmt Merida ihr Schicksal selbst in die Hand und gerät dabei mit ihrer Familie, allen voran ihrer Mutter, aneinander. Kurz: Merida ist so ziemlich das Gegenteil der klassischen Disney-Prinzessin.
Ebenso einzigartig ist die Musik des Films, die vom schottischen Komponisten Patrick Doyle stammt. Mit Dudelsack, Fidel, Blechflöte, keltischer Harfe und schottischen Tanzrhythmen untermalt er die märchenhaften Highlands des 10. Jahrhunderts. Darüber hinaus schrieb Doyle zwei gälische Lieder, die von den Figuren im Film gesungen wurden. Ein Trinklied (bei dem Doyle übrigens selbst mitsingt) und das lyrische Wiegenlied "Mhaighdean Uasal Bhan (Noble Maiden Fair)", welches von Peigi Barker und Emma Thompson, den Originalstimmen von Merida und ihrer Mutter, auf Gälisch eingesungen wurde.
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Noble Maiden Fair (A Mhaighdean Bhan Uasal)
Mit "Coco" traute sich Pixar zum ersten Mal, über den kulturellen Tellerrand hinauszuschauen. Statt auf die Erfahrungswelt und Erzähltradition eines vornehmlich westlich-angloamerikanischen Publikums zurückzugreifen, tauchte man tief in das mexikanische Kulturerbe ein, insbesondere dem Día de los Muertos. Am mexikanischen Totenfest landet der junge Miguel im Land der Toten und sucht nach seinem Ururgroßvater, um einen Weg zurückzufinden.
In der emotionalen Familiengeschichte spielt Musik eine zentrale Rolle, daher war es sehr wichtig, den richtigen Ton zu treffen. Die Filmmusik von "Coco" wurde zum Gemeinschaftsprojekt: Pixar-Veteran Michael Giacchino und Komponistin Germaine Franco schrieben den Score. Franco reiste nach Mexiko, und nahm dort lokale Musikschaffende auf. Zusammen mit Koregisseur Adrian Molina steuerte sie zudem mehrere Songs bei. Der mit dem Oscar ausgezeichnete Song "Remember Me", der in verschiedenen Variationen den Film als roten Faden durchzieht, stammt von dem Songwriterduo Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez.
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Coco - Día de los Muertos Suite
Ludwig Göransson: "Rot" (2022)
Von allen verrückten Musikeinfällen, die uns die Pixarfilme in den letzten drei Jahrzehnten bescherten, dürfte Ludwig Göranssons Score zum Film "Rot" der mit Abstand abgefahrenste sein. In dem Film verwandelt sich die 13-jährige Meilin Lee bei starken Gefühlsausbrüchen in einen roten Panda. Göransson lässt verschiedene Musikstile miteinander kollidieren, um das chaotische Innenleben des kanadisch-chinesischen Teenagers zu vertonen.
Traditionell chinesische Instrumente wie die Bambusflöte, die Erhu, eine zweiseitige Röhrenspießlaute, oder das altertümliche Bianzhong-Glockenspiel treffen auf Hip-Hop-Rhythmen, wabernden Synthesizer und westlicher Orchestermusik. Abgerundet wird der musikalische Culture Clash mit Songs der fiktiven Boyband 4*Town in herrlich überzeichnetem 2000er-Jahre-Vibe, geschrieben von Billie Eilish und Finneas O'Connell. Passt nicht zusammen? Und ob!
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Pandas Unite / Nobody Like U (Reprise)
Sendung: "Cinema - Kino für die Ohren" am 16. Juni 2024 ab 18:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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