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Kritik – Grigory Sokolov bei den Salzburger Festspielen Das Gegenteil eines Tastenlöwen

Der Intendant der Salzburger Festspiele Markus Hinterhäuser legt bei der Auswahl der Musikinnen und Musiker, die er einlädt, Wert auf eine gewisse Kontinuität und eine gewisse Verbundenheit. Er spricht sogar von einer Art Familie, die es bei den Festspielen gäbe. Zur Familie gehört auch der Pianist Grigory Sokolov, dessen Auftritte seit einigen Jahren fest zum Konzertprogramm der Festspiele gehören. Für viele ist Sokolov einer der letzten ganz großen Vertreter der russischen Klaviertradition. Entsprechend wird er von seinen Fans verehrt. Am Montagabend hat er in Salzburg gastiert.

Der Pianist Grigory Sokolov spielt bei den Salzburger Festspielen 2024 | Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Grigory Sokolovs Auftritte sind eine Inszenierung der Nicht-Inszenierung. Posen und Allüren sind dem russischen Pianisten fremd. Übertriebener Kontakt zum Publikum ebenso. Wenn er den Saal betritt, blickt er starr gerade aus, bis er den Flügel erreicht. Ein kurzes Nicken Richtung Publikum und los geht es mit der Musik. Nach dem letzten Ton: das gleiche Prozedere umgekehrt. Sokolov ist das Gegenteil eines Tastenlöwen. Er ist so introvertiert, dass er sogar das Licht auf der Bühne gedimmt lässt und man ihn kaum sieht. Sokolov will und braucht keine Inszenierung seiner selbst, die Musik ist die Botschaft. Bei seinen Fans ist die Botschaft angekommen, sie lieben ihn auch ohne dass er sie groß beachtet.

Grigory Sokolov wahrt die Balance

Der Pianist Grigory Sokolov spielt bei den Salzburger Festspielen 2024 | Bildquelle: SF/Marco Borrelli Grigory Sokolov bei den Salzburger Festspielen | Bildquelle: SF/Marco Borrelli In den vier Duetten von Johann Sebastian Bach zu Beginn wählte Sokolov einen schlichten, geraden Tonfall ohne jegliche Exzentrik à la Gould oder Richter, wie man es auch nicht anders von ihm erwartet hat. Und doch verfügten die Stücke durch feinsinnige dynamische Abstufungen und markante Themenarbeit über ein beeindruckendes Innenleben. Nichts Konstruktivistisches war hier zu hören, sondern eher Gesangliches, ohne ins Romantische abzugleiten. Schon dieser Auftakt war beeindruckend. In den Chopin-Mazurken op. 30 und op. 50 dann verfeinerter Volksliedton mit melancholischer Grundstimmung. Aber auch hier wahrte Sokolov stets die Balance zwischen fein gezeichneten Linien und romantischem Melos.

Alles über die diesjährigen Salzburger Festspiele, die Radioübertragungen bei BR-KLASSIK sowie Videostreams finden Sie im Salzburg-Dossier.

Grigory Sokolov erzählt Geschichten mit seinem Spiel

Zum Höhepunkt des Konzerts neben Bach gerieten die "Waldszenen" von Robert Schumann. Hier entfaltete Sokolovs klarer, poetischer Ton seine ganze Faszinationskraft mit einer wunderbar ausdifferenzierten Anschlagskultur, die derzeit wohl ihresgleichen sucht. Dabei ist stets der erzählerische Gestus hörbar, evoziert die Musik Szenen und Bilder im Auge des Hörers. Welch unaufdringliche Imaginationskraft Sokolov hier offeriert, grenzt ans Wunderbare. Aber selbst nach einer solch wahrhaft be- und verzaubernden Darbietung entschwindet der Pianist mit stoischem Blick von der Bühne - als wollte er sagen: nicht ich bin es gewesen, sondern Schumann.

Sendung: "Leporello" am 6. August 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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