Auf ihn trifft der inflationär gebrauchte Ausspruch "Musik hält jung" tatsächlich zu: Der amerikanische Meisterpianist Herbie Hancock hat sich bis heute eine geradezu jugendliche Musizierfreude bewahrt, so dass man erstaunt ausrufen möchte: Was, schon der 85.Geburtstag? Wenn man aber die lange und erfolgreiche Karriere Herbie Hancocks Revue passieren lässt, könnte man eher umgekehrt denken: Was, erst der 85.Geburtstag?
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"Takin' Off": So heißt Herbie Hancocks Debütplatte von 1962, und der Titel ist Programm. Die Musik hebt ab, mit coolen Grooves und einfachen, aber starken Melodien.
"Takin' Off" – das galt auch für Herbie Hancocks Karriere, als der Trompeter Miles Davis noch 1962 den damals 22-jährigen Pianisten in sein Quintett berief. Bis 1968 blieb Hancock in dieser grandiosen, stets neugierigen und risikofreudigen Band; ein Versuchslabor, in dem Miles Davis den Musikern rund um Hanock freien Lauf ließ, bis an die Grenzen der Auflösung von Rhythmus und Tonalität.
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Geboren am 12. April 1940 in Chicago, gab Herbie Hancock bereits im zarten Alter von 11 Jahren sein Bühnendebüt, nicht als Jazzpianist, sondern mit dem "Krönungskonzert" von Wolfgang Amadeus Mozart, gemeinsam mit dem Chicago Symphony Orchestra.
Nach der Highschool macht er erst einmal eine Ausbildung zum Elektrotechniker. Elektronik sollte später noch wichtig werden für den Musiker Herbie Hancock.
1968 erschien Herbie Hancocks großartige Platte "Speak like a Child" – der Titel könnte als Motto über der gesamten Musik des Pianisten stehen. "Wenn wir älter werden, verlieren wir manche Qualitäten aus der Kindheit", schrieb der Pianist damals in den Liner notes. "Wir verlieren eine gewisse Reinheit und Spontaneität – wenn wir uns die zurückerobern können, geht es uns gut. Dann sind wir wieder kindlich, aber nicht kindisch."
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Herbie Hancock, Ron Carter, Tony Williams / Speak Like A Child (1989)
Einen kindlich-neugierigen Spieltrieb bewies Hancock auch, als er ab Ende der 1960er Jahre den akustischen Flügel zunehmend gegen elektronische Tasteninstrumente tauschte. Schon vor seiner Musikerlaufbahn hatte Hancock Elektrotechnik studiert. Hier ist sein früheres Studium der Elektrotechnik von Nutzen. Als die ersten Keyboards und Synthesizer auf den Markt kommen, ist Hancock sofort Feuer und Flamme.
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Vor allem mit seiner Fusion- und Jazzrock-Band "Head Hunters" wurde Herbie Hancock ab 1973 ein Star weit über das Jazzpublikum hinaus, mit zahlreichen Hits in den Popcharts. Der erste hieß "Chameleon" und beschreibt gut die erstaunliche Fähigkeit des Tastenmagiers, die musikalische Klangfarbe zu wechseln, ohne dass die musikalische Substanz verloren geht. Bis heute ist er ein musikalisches Chamäleon geblieben: Er liebt das funkjazzige Spiel auf den Keyboards und Synthesizern genauso wie die hohe Kunst des feingeistigen Jazzklaviers (übrigens exklusiv an einem Fazioli, dem "Ferrari des Konzertflügels").
Wer einmal bei einem Konzert erlebt hat, wie Hancock zunächst am akustischen Flügel mit komplexem Modern Jazz brilliert, um dann später mit einem umgehängten Keyboard die Bühne zu rocken – etwa mit seinem Sixties-Hit "Cantaloupe Island", der in den 1990er Jahren in der Dancefloor-Szene eine millionenfache Renaissance erlebte – dann kann man einfach nur mittanzen und sich freuen an der kindlichen Spielfreude eines 85-Jährigen.
Ein Hit, der bis heute auf jedem Konzert erklingt, hat schon über 40 Jahre auf dem Buckel: "Rockit" von der Platte "Future Shock". Der Song mit viel Vinyl Scratching (damals noch eine aufregende Neuigkeit) und das dazugehörige Video mit roboterhaften Schaufensterpuppen laufen 1984 bei MTV in Dauerschleife und erreichen ein Millionenpublikum.
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Herbie Hancock - Rockit (Official Video)
Herbie Hancock hat dem Jazzklavier seine ganz eigenen Farben geschenkt, die heute jeder junge Jazzpianist in seinem Improvisationsfarbkasten parat hat: flirrende Harmonien, ungestüm rasende Läufe, geheimnisvoll zwischen Dur und Moll schillernde Akkorde. Aber nur das Original Hancock hat diese gewisse Lässigkeit, das scheinbar Mühe- und Absichtslose – vielleicht auch eine Frucht von über 50 Jahren praktiziertem Buddhismus.
In seiner rund 65-jährigen Karriere hat Herbie Hancock viel, sehr viel erreicht: Für seine Platten gewann er 14 Grammys und einen Oscar für den Soundtrack zum grandiosen Kinofilm "Round Midnight". Hancock ist UNESCO-Botschafter für interkulturellen Dialog und Schirmherr des "International Jazz Day", der seit 2011 an jedem 30. April gefeiert wird.
2019 gibt Hancocks Heimatstadt Chicago dem renommierten "Thelonious Monk Institute of Jazz" einen neuen Namen. Es heißt nun "Herbie Hancock Institute of Jazz". Seinen 85. Geburtstag feiert Herbie Hancock ausführlich auf der Bühne.
In knapp drei Monaten kommt er für eine große Tournee nach Europa mit drei Konzerten in Deutschland: am 1. Juli in Hamburg , am 5. Juli in Stuttgart und am 7. Juli in München, Veranstaltungsort ist hier die Isarphilharmonie.
Jazz und mehr, 12. April, 18:05 Uhr: Die Ikonischen