Er war Jude – und dennoch ein Freund im Hause Richard Wagners. Hermann Levi dirigierte bei den Bayreuther Festspielen, hielt sich auch in München auf und fand in Garmisch seine letzte Ruhe. Dennoch ist es um die Erinnerungskultur des Dirigenten in Bayern schlecht bestellt.
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Tut er es? Oder tut er es nicht? Cosima Wagner zieht die Mundwinkel nach unten, Richard geht im Wohnzimmer nervös auf und ab. Wenn er es nicht tut, droht ein Skandal, ein erboster König und eine schlechte Uraufführung. Das eine… tut Hermann Levi. Er dirigiert an einem verregneten Julitag im Jahr 1882 die Uraufführung von Richard Wagners Bühnenweihfestspiel "Parsifal". Ein Stück, in dem nach Erlösung geschrien, oder besser gesagt "gesungen" und gerungen wird. Das andere aber, das tut Levi nicht.
"Als er die Uraufführung dirigiert hatte – das war ja die Idee von König Ludwig II.– da wollte der Wagner erst, dass er sich taufen lässt. Und das hat er nicht gemacht", erzählt die Historikerin und Filmemacherin Angelika Weber. Sie hat sich mit dem Nachlass Levis in der Bayerischen Nationalbibliothek auseinandergesetzt. Vor einigen Jahren erschien ihr Film "Ein Solitär namens Levi".
Bis ins 16. Jahrhundert lassen sich die Rabbiner der Familie Levi zurückverfolgen. Auch wenn Hermann Levi kein religiöser Mann ist, bleibt er Jude. Und dieser Jude wird auf ewig mit der wahrscheinlich christlichsten aller Opern verflochten sein. Nicht jedem gefällt das so gut wie dem Levi-Fan König Ludwig II.! Ein Nachwuchskomponist namens Richard Strauss stänkert lautstark herum und beschwert sich nach Wagners Tod bei Cosima über diese "Fehlbesetzung".
Wie empfindet Levi den sich immer wieder aufbäumenden Judenhass? Nach außen hin legt er sich ein dickes Fell zu. Innerlich quält es ihn, weil er doch sein Bestes für Wagners Ruhm gibt! Weil er an dessen künstlerische Radikalität glaubt, was damals längst nicht alle tun.
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"Wagner ist der beste und edelste Mensch", zitiert Angelika Weber aus einem Brief Hermann Levis. "Dass ihn die Mitwelt missversteht und verleumdet, ist natürlich. Es pflegt die Welt, das Strahlen stets zu schwärzen. Aber die Nachwelt wird erkennen, dass Wagner ein ebenso großer Mensch als Künstler."
Hermann Levi, Dirigent und Komponist (1839-1900) | Bildquelle: picture alliance/Heritage-Images Hermann Levi wird von vielen Zeitgenossen als großherzig und gütig beschrieben. In manchem allerdings auch als "unsicher", sagt Angelika Weber. "Der war ja auch Komponist. Und hat ja dann viel vernichtet, weil der Brahms gemeint hat, er soll lieber nicht komponieren." Nur einige wenige Lieder von Levi sind erhalten und der Solopart seines Klavierkonzerts, von dem vor einigen Jahren zufällig das Orchestermaterial in einer Bibliothek entdeckt wurde. Die Freundschaft zwischen Brahms und Levi zerbricht, als Levi zum "Wagnerianer" wird. Ein No-Go für Brahms, dessen Schicksalslied Levi uraufgeführt hat.
Bis 1894 bleibt Levi der "Major" von Cosima Wagner, also ihre rechte Hand bei der Leitung der Bayreuther Festspiele – und vertrauensvoller Freund der Wagner-Kinder. Obwohl sich Hermann Levi an vielen Orten in Bayern aufgehalten hat, abgesehen von Bayreuth, München und Garmisch-Partenkirchen auch in Berchtesgaden, Deichselfurt-Tutzing, Bad Reichenhall und Tegernsee, tut man sich mit einer Levi-Erinnerungskultur immer noch schwer. Die Historikerin Angelika Weber setzt sich hartnäckig für einen Levi-Rundweg in München ein: "Den Weg habe ich jetzt seit Jahren vorgeschlagen, immer wieder die Leute getroffen, das Konzept geschrieben, audioguidemäßig und wo er gewirkt hat, wo er gelebt hat." Bislang ohne Erfolg.
2019 wurde beschlossen, das Grab von Hermann Levi in Partenkirchen endlich herrichten zu lassen. | Bildquelle: Lui Knoll Auch Garmisch, das ja vor allem um die Fixsterne Tourismus und Richard Strauss kreist, hat lange gebraucht, um seinen Ehrenbürger Hermann Levi zu würdigen. In seiner letzten Wahlheimat hat Levi nicht nur den Bau von Wasserleitungen finanziell unterstützt, sondern auch die Libretti der Mozart-da Ponte-Opern ins Deutsche übertragen. Hermann Levis Villa in Garmisch, wo er die letzten vier Jahre seines Lebens verbracht hat, gehört heute einem Scheich aus dem Oman.
Sendung: "Allegro" am 29. Oktober 2024 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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