Wie zwei überdimensionale Möwen sitzen die beiden Gebäude der Tongyeong Concert Hall auf einem Hügel am Pazifik. Und die Hafenstadt im Süden Südkoreas, die seit 2003 jährlich einen internationalen Musikwettbewerb ausrichtet, ist die Heimat von zwei ganz Großen ihres Fachs: Komponist Isang Yun und Bayern Münchens neuer Verteidiger Minjae Kim.
Bildquelle: Christoph Hiller
Ob der Warschauer Chopin-Wettbewerb, der Van Cliburn in Texas oder die renommierten Wettbewerbe in Brüssel, Genf und dem ARD-Musikwettbewerb – unter den Preisträgern finden sich zahlreiche Musikerinnen und Musiker aus Südkorea. Doch über Musikwettbewerbe in Korea wird selten berichtet. Dabei findet in Tongyeong seit nun bereits 20 Jahren ein internationaler Musikwettbewerb statt. Die Hafenstadt mit knapp 140.000 Einwohnern im Süden Südkoreas, circa fünf Busstunden von der Hauptstadt Seoul entfernt, liegt sehr schön gelegen auf einer Halbinsel mit vielen kleinen vorgelagerten Inseln. Und diese Stadt hat sich vom Fischerdort zum Mekka für klassische Musik in Südkorea entwickelt. Mit einem jährlich stattfindenden internationalen Klassikfestival und eben der "ISANGYUN Competition", benannt nach dem großen Komponisten, der in Tongyeong geboren wurde.
Begonnen hat das Ganze genau 2003 als Cello-Wettbewerb, denn der Komponist Isang Yun war auch leidenschaftlicher Cellist. Danach kam das Fach Geige hinzu, und dann schließlich auch die Kategorie Klavier. Diese drei Gattungen wechseln nun jährlich ab und ziehen junge Musikerinnen und Musiker aus aller Welt an – auch wenn heuer Kandidaten aus Fernost das Teilnehmerfeld dominieren.
Überzeugte die Jury im Finale: Kyubin Chung, der derzeit in München studiert und großer Fan des FCB-Verteidigers Minjae Kim ist. | Bildquelle: ISANGYUN Competition Unter den 17 Eingeladenen in der ersten Runde waren lediglich zwei aus Europa. Das Orchesterfinale war dann eine reine Männerrunde aus einem Chinesen und drei Koreanern. Wobei alle von ihnen derzeit in den USA bzw. Europa studieren. Gewonnen hat dann schließlich der 1997 geborene Koreaner Kyubin Chung.
Er ist sogar Wahlmünchner und studiert seit drei Jahren an der Musikhochschule der bayerischen Landeshauptstadt bei Professor Antti Siirala. Für den ersten Preisträger Chung ist es eine wichtige und unabdingbare Erfahrung seiner musikalischen Ausbildung, auch in dem Land zu studieren, wo viele berühmte Komponisten herkommen.
Hier aufzutreten ist sehr aufregend und macht mich auch nervös. Aber es war toll, Brahms' erstes Klavierkonzert für das koreanische Publikum zu spielen.
Die vier Finalisten wurden vom Tongyeong Festival Orchestra begleitet. Und auch hier gibt es eine Verbindung nach München: Denn dieses Projektorchester wurde 2011 von Musikern des Münchener Kammerorchesters und seinem damaligen Leiter Alexander Liebreich initiiert.
Der Komponist Isang Yun | Bildquelle: picture-alliance/dpa Auch der Namensgeber des Wettbewerbs, Isang Yun, hatte eine sehr enge Beziehung zu Deutschland. 1957 kam er ins damalige West-Berlin, um sein Kompositionsstudium zu vertiefen. Weit weg von der Heimat hat er sich weiterhin vehement für die Wiedervereinigung der beiden koreanischen Staaten eingesetzt. Das brachte ihn bei der Südkoreanischen Regierung unter massiven Verdacht, was so weit ging, dass er vom südkoreanischen Geheimdienst über die Botschaft in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn nach Seoul entführt wurde. In Korea sollte ihm der Prozess gemacht werden – mit einer lebenslange Haftstrafe als Konsequenz.
Das rief international große Proteste hervor. Doch dank der Unterstützung von Musikerkollegen wie Herbert von Karajan, Bernd Alois Zimmermann oder Karlheinz Stockhausen konnte er Ende der 60er-Jahre wieder nach West-Berlin zurückkehren – und hat auch schließlich die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und zeitlebens keinen koreanischen Boden mehr betreten.
Der große Saal der Tongyeong Concert Hall mit seiner hervorrangenden Akustik bietet rund 1.300 Zuhörern Platz. | Bildquelle: Christoph Hiller Nach seinem Tod 1995 wurde Isang Yun zunächst in Berlin beigesetzt. Vor fünf Jahren hat man seine Urne aber vor in seine Geburtsstadt Tongyeong gebracht und gleich neben der Konzerthalle der Stadt beigesetzt. Diese wurde 2014 nach siebenjähriger Planungs- und Bauzeit fertiggestellt. Heute ist sie das Wahrzeichen der Gegend: auf einem Hügel direkt am Pazifik gelegen mit zwei Dächern in Form von überdimensionalen Möwen. In einem Gebäudeteil des Komplexes befindet sich der große Konzertsaal mit rund 1.300 Plätzen, direkt daneben steht die Black Box mit rund 200 Sitzen.
Seit 2023 beim FCB: Minjae Kim aus Tongyeong | Bildquelle: picture-alliance/dpa In Tongyeong ist man stolz auf die großen Namen, die dort geboren wurden und in der Stadt ihre ersten Erfolge gefeiert haben. So kommt neben dem Komponisten Isang Yun auch ein weltberühmter Fußballstar aus der südkoreanischen Hafenstadt am Pazifik: der vom FC Bayern München gerade erst neu verpflichtete Minjae Kim.
Der Spieler hat beim Drittligisten seiner Heimatstadt Tongyeong seine Fußballerkarriere begonnen. Seit der Saison 2023/2024 spielt er in München als Innenverteidiger – und in Kyubin Chun, dem frischgekürten ersten Preisträger der ISANGYUN Competition, hat er einen bekennenden großen Fan.
Sendung: "Leporello" am 3. November 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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