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Die Klarinette Vielseitiges Klangwunder

Die Klarinette ist das einzige Instrument, auf das man mit den Schneidezähnen beißt. Was ihren Charakter angeht, ist sie allerdings kein bisschen verbissen. Sie ist eher sowas wie eine anschmiegsame Allrounderin mit multipler Persönlichkeit: Ganz gleich, ob Jazz, Klassik, zeitgenössische Musik, Klezmer, Blasmusik. Überall taucht sie auf, mal triumphierend, mal verwegen im Untergrund.

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Instrumentenwissen

Die Klarinette

Gleichmäßig strömt die Luft in die schwarze Röhre aus Grenadill-Holz. Mit der Atmung bringt Caroline Rajendran Leben in ihre Klarinette. Und damit so ein konstanter Luftfluss überhaupt erst möglich ist, arbeitet die Musikerin mit der Atemstütze, also einer tiefen Zwerchfellatmung, an der ziemlich viele Muskelgruppen beteiligt sind. Das klingt jetzt erst mal recht technisch. Dazu kommt auch noch, dass für die Musik 24 Tonlöcher und mindestens 17 silbernen Klappen zum Einsatz kommen. Und da gibts dann gleich eine kleine Besonderheit: Die Klarinette überlässt nicht in die Oktave wie die Blockflöte, sondern in die Duodezime. Heißt: die Griffe sind etwas komplizierter. Aber das zahlt sich aus, denn damit läßt sich der wirklich beachtliche Umfang von knapp vier Oktaven meistern. Allein schon deshalb ist die Klarinette quasi der Häuptling der Holzbläser, weil so viele Töne, das schafft keiner außer ihr.

Der Klang kommt der menschlichen Stimme sehr nahe, würde ich für bestimmte Lagen behaupten.
Caroline Rajendran, Klarinettistin

Weltgewandtes Instrument

Auch was die Dynamik angeht, ist sie ein Ass. Im pianissimo tönt sie zart wie Nebelschwaden, im fortissimo markerschütternd schrill wie eine Sturmmöwe. Und damit schaukelt und schunkelt sie sich durch so ziemlich alle Genres: im Jazz zeigt sie sich cool und weltgewandt, im Klezmer erzählt sie alte Geschichten aus dem Schtetl, in der Blasmusik ist sie der gemütliche Kumpel, mit dem man noch ein Bier trinken geht. In Klassik ist sie bei Komponistinnen und Komponisten sowieso Everybody´s Darling, egal ob in einer Sinfonie von Haydn, wo sie dezent mit Klangfarben tupft oder im berühmten Mozart A-Dur Klarinettenkonzert, wo sie im zweiten Satz Steine zum Erweichen bringt. Dazu noch Musical, Oper, Operette, Schlager und nicht zu vergessen: die zeitgenössische Musik.

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Kein Barock für die Klarinette

Aber eins kann die Klarinette gar nicht: Barockmusik! Man muss jedoch zu ihrer Verteidigung erwähnen: Im Barock gab es noch gar keine Klarinetten. Der Leipziger Instrumentenbauer Johann Christoph Denner hat rund um das Jahr 1700 so lange am Chalumeau getüftelt, bis er den Großvater der Klarinette entwickelt hatte. Der Name kommt vom italienischen Wort clarinetto, was soviel bedeutet wie "kleines Clarino", das wiederum war eine Signaltrompete. Dass die Welt über diese "Clarinetto" laut "Hurra" gebrüllt hätte, wäre etwas übertrieben. Vielmehr krebste die „Neue" herum, bis sie sich etwa ab 1750 einen festen Platz in der Orchesterliteratur erspielt hatte.

Verschiedene Typen des Instruments

Einzelteile der Klarinette | Bildquelle: picture alliance / Bildagentur-online/Leitner-McPho Bildquelle: picture alliance / Bildagentur-online/Leitner-McPho Raffinierte Instrumentenbauer haben sich die Klarinette immer wieder vorgeknöpft und sie verbessert, im Klang, in der Spielweise. So ist sie mittlerweile zu einem Clan herangewachsen: es gibt unterschiedlich gestimmte. Die wichtigsten sind die in  A, b, Es, Alt, Bass, Contra. Dazu entwickelten sich auch noch unterschiedliche Spielsysteme: Deutsch und Böhm. Da allerdings verwischen sich die Grenzen immer mehr. Was alle gemeinsam haben, ist der Biss!

Gefühlvoll zubeißen

Beim Klarinette spielen werden die Schneidezähne fest auf einem kleinen Mundstück geparkt. Etwa 20 cm lang ist der schwarze Kunststoffkolben. Die Unterseite hat eine geöffnete Bahn. Darauf wird ein hauchdünnes Bambusblatt gespannt. Und hier wird auch der Charakter geformt.

"Der Charakter des Tons ist total abhängig vom Mundstück, das man spielt. Das ist eine Wissenschaft für sich." Caroline Rajendran, Klarinettistin

Die Lippen weisen jede Menge Nervenenden auf und sind extrem feinfühlig. Genau das kommt der variantenreichen Tonbildung zugute. Je nachdem, wie die Mundmuskulatur eingesetzt wird, springt der Ton an. Dann ist eben die Frage, ob eher ein Trabbi-Ton gewünscht wird oder ein Ferrari-sound. "Man muss auf die Zähne sehr gut aufpassen, weil man durch die Zähne ein bestimmtes Spielgefühl hat. Wenn da ein Zahn fehlt oder ersetzt werden müsste, dann wäre das ein großes Problem" sagt Caroline Rajendran. "Es ist total abhängig vom Mundstück, was man spielt. Das ist eine Wissenschaft für sich. Man kauft seine eigene Marke, je nachdem, welche Blätter darauf passen."

Rotzen, Röcheln, Röhren

Ein bisschen gekniffen ist bei der Klarinette eigentlich nur der rechte Daumen. Der muss die ganze Röhre stemmen und das sind immerhin 800 Gramm. Aber was tut man nicht alles, damit es nicht bloß tutet. Sondern rotzt, röchelt, grunzt, blubbert, schreit, singt, jodelt, quasselt, kichert und… klagt - oh ja, die Klarinette ist obendrein auch noch eine ganz große Melancholikerin. Kurz gesagt steckt in der Klarinette alles: Sie ist mal zurückhaltend, eher der Eiswürfel im Cocktail. Sie kann aber auch vorzüglich herausstechen und einen umhauen wie der Wodka in einem "Bloody Mary".

Sendung: "Allegro" am 6. Dezember 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Donnerstag, 07.Dezember, 06:30 Uhr

Felicitas

Kleine Anmerkung

Schöner Beitrag, aber meines Wissens beißt man auch auf ein Saxophon mit seinen Schneidezähnen ;-) (siehe erster Satz)

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