Pianist Lang Lang hat sein neues Album veröffentlicht. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Gina Alice Redlinger spielt er Werke von Camille Saint-Saëns. Ein Gespräch über den "Karneval der Tiere" und Inspiration durch Fußball.
Bildquelle: Harald Hoffmann
Der Pianist Lang Lang
Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Camille Saint-Saëns ist bekannt für den "Karneval der Tiere", aber er hat ja so viel mehr geschrieben. Was fasziniert Sie an diesem Komponisten?
Lang Lang: Für mich ist Saint-Saëns in gewisser Weise der französische Tschaikowsky, weil er sehr beliebte Werke produziert hat, etwa den "Karneval der Tiere" oder die "Toccata". Aber zur gleichen Zeit hat er eben auch fünf fantastische Klavierkonzerte geschrieben. Dieses Mal habe ich das Klavierkonzert Nr. 2 aufgenommen, das eines meiner liebsten romantischen Klavierwerke ist.
Für mich ist Saint-Saëns in gewisser Weise der französische Tschaikowsky.
BR-KLASSIK: Wie bringt man den "Karneval der Tiere" am besten als Interpret rüber, damit es richtig funktioniert?
Lang Lang und Gina Alice Redlinger. Die beiden heirateten 2019 in Frankreich. | Bildquelle: picture alliance/dpa/HPIC | Chen Zhiwei Lang Lang: Das Stück ist für zwei Klaviere geschrieben und ich bin sehr froh, es mit Gina spielen zu dürfen. Wir haben wirklich überlegen müssen, wie wir dieses Stück umsetzen können. Es ist gar nicht so einfach, schließlich kennt jeder die Melodien. Wir wollten für diese Aufnahme einen etwas anderen Zugang zur Musik finden und die Interpretation aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Wir mögen beide die kontrastreichen Klänge der einzelnen Sätzen, die schließlich auch als Grundlage für eine neuere Interpretation dienten. Und das andere ist natürlich, dass wir für die Aufnahme ein großartiges Orchester und einen tollen Dirigenten benötigen. Wie man vielleicht bei vergangenen CD-Aufnahmen schon feststellen konnte, habe ich bisher noch nichts mit Dirigenten der jüngeren Generation aufgenommen. Es sind immer die großen Maestros der eher älteren Generation gewesen. Dieses Mal ist also alles ganz neu für uns und wir können uns glücklich schätzen, Andris Nelson dafür gewonnen zu haben, der für mich der beste seiner Generation ist. Er legt wirklich alles an Emotionen und Energie in dieses Stück. Das Leipziger Gewandhausorchester hat eine "Saint-Saëns-Tradition" und bereits zahlreiche Werke von ihm uraufgeführt, was man auch wirklich in der Qualität der Aufnahme hören kann.
Das Münchner Rundfunkorchester hat den "Karneval der Tiere" von Camille Saint-Saëns als Film für Kinder umgesetzt - gemeinsam mit dem Nürnberger Papiertheater, der Dirigentin Mariwe Jacquot und BR-KLASSIK-Moderatorin Uta Sailer. Sehen Sie hier den ganzen "Karneval der Tiere" im Video.
BR-KLASSIK: Haben Sie irgendeine Erklärung dafür, warum zum Beispiel die Klavierkonzerte von Camille Saint-Saëns nicht so bekannt sind?
Lang Lang: Eine gute Frage. Wir mussten das Orchester auch erst davon überzeugen, dieses Stück zu spielen. Es war wirklich gar nicht so einfach, weil es nicht so bekannt ist wie Beethovens 4. oder 5. Klavierkonzert. Letztes Jahr hatte ich eine große Tournee mit den Wiener Philharmonikern, bei der wir zwölf Konzerte weltweit mit diesem Concerto gespielt haben. Nach der Tour haben sie mir dann erzählt, dass sie dieses Werk schon seit mehr als 60 Jahren nicht mehr aufgeführt hatten.
BR-KLASSIK: Unglaublich.
Lang Lang: Nach den zwölf Konzerten habe ich die Wiener Philharmoniker dann gefragt, wie sie es fanden und da meinten sie: "Das ist ja sogar ein richtig gutes Stück!" Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nächste Mal keine 60 Jahre bis zur nächsten Aufführung des Klavierkonzerts vergehen werden.
BR-KLASSIK: Da kommt ein chinesischer Pianist und bringt den Wienern französische Romantik nahe.
Lang Lang: Das ist Globalisierung (lacht).
BR-KLASSIK: Sie machen in diesen Wochen eine Tournee durch Deutschland. Was verbinden Sie mit dem Land? Bekommen Sie etwas von der deutschen Kultur mit - abseits der Klassischen Musik, für die Deutschland natürlich durchaus bekannt ist?
Lang Lang: Ja, auf jeden Fall. Ich genieße es wirklich sehr, in deutschen Städten zu spielen und auf Tour zu gehen. Für diese Tour bin ich in Baden-Baden gestartet, das eine unglaublich schöne Therme hat und einen riesigen Konzertsaal mit einer wunderbaren Akustik. Wenn ich in Deutschland bin, möchte ich auch wirklich etwas von der Kultur erleben, nicht nur in Bezug auf klassische Musik. Manchmal schaue ich Fußballspiele an. Ich bin zu einigen Bayern-München-Spielen gegangen. Nachdem Gina aus Frankfurt kommt, werde ich vielleicht auch mal dort zu einem Spiel gehen.
Fußball ist vermutlich der inspirierendste Sport für Musiker.
BR-KLASSIK: Ist Fußball für Sie als Künstler inspirierend?
Lang Lang liebt Musik - und Fußball. | Bildquelle: Haiqiang Lv Lang Lang: Absolut. Fußball ist vermutlich der inspirierendste Sport für Musiker, vor allem für Pianisten. Wir haben zehn Finger, die gleichzeitig abliefern müssen. Und im Fußball gibt es elf Spieler. Auf eine gewisse Art und Weise ist es ein ähnlicher Balanceakt. Jedes Konzert ist zwar ein bisschen länger als 90 Minuten, aber vom Aufbau recht ähnlich: zweimal 45 Minuten, dazwischen 15 Minuten Pause und die Zugabe stellt je nachdem die Verlängerung oder Strafzeit dar. Man kann das sehr gut miteinander vergleichen, brillanten Sport und brillante Kunst.
BR-KLASSIK: Aber es gibt keinen Gegner!
Lang Lang: Dein größter Gegner bist du selbst. Du musst jedes Mal mit dir in einen Kampf gehen, um besser zu werden.
Dein größter Gegner bist du selbst.
BR-KLASSIK: Und gewinnen Sie meistens?
Lang Lang: Keine Ahnung. Aber als wir in der Elbphilharmonie Hamburg gespielt haben, war es ein ziemlich tolles Konzert. Und ich freue mich auch schon darauf, im Juni in München ein Solorezital zu spielen.
BR-KLASSIK: Wir freuen uns auf das Konzert! Vielen Dank für das Interview, Lang Lang!
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