Erlösung im Tod, ein verklärtes H-Dur und die wahre Liebe: Die Bayreuther Festspiele starten Ende Juli mit einer Neuinszenierung von Richard Wagners "Tristan und Isolde". Am bekanntesten daraus ist der Schluss-Monolog: Isoldes Liebestod. Im Vergleich betören Martha Mödl, Birgit Nilsson, Jessye Norman und Waltraud Meier.
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Es gibt 2024 einen neuen "Tristan" in Bayreuth. Der für Bayreuth ungewöhnlich kurze Abstand zwischen zwei Neuinszenierungen desselben Stücks ermöglicht gezielt den Vergleich der Interpretationen. Von dieser Konstellation inspiriert, nimmt BR-KLASSIK den berühmtesten Monolog des Musikdramas in den Blick und empfiehlt die fünf besten Versionen von Isoldes Liebestod. Wagner-Opern dauern ja oft fünf Stunden. Bis zum Höhepunkt müssen wir uns etwa in "Tristan und Isolde" lange gedulden. Erst fünf Minuten vor dem Ende wird das musikalische Sahnestück überreicht – das Beste zum Schluss. Isolde stirbt ihrem geliebten Tristan hinterher. Während der drei Aufzüge hat sie seinen holden Namen nicht weniger als 31-mal auf den Lippen zergehen lassen – er ihren 35-mal.
Zwischen Liebestaumel und Todessehnsucht schwellen die Emotionen immer weiter an, während die tonale Harmonik bis in Grenzbereiche ausgelotet wird. Der finale "Liebestod" löst den riesigen, weit gedehnten Spannungsbogen auf, den Wagner zuvor aufbaut. Am Schluss lässt die Musik die Zeit zu einer sepiafarbigen Momentaufnahme erstarren. Ein leuchtender H-Dur-Akkord verliert die Bodenhaftung, markiert die Verklärung.
Die gebürtige Nürnbergerin Martha Mödl hat in den 1950er-Jahren großen Anteil an "Neu-Bayreuth": durch atemberaubende Rollen-Interpretationen von Brünnhilde im "Ring" und Kundry in "Parsifal". Auch für Isolde und ihren "Liebestod" bringt sie ein faszinierend abgründig gefärbtes Stimmtimbre und eine hervorragende Artikulation bewegend zur Geltung. Gezeigt wird hier ein Klavierauszug, der das Mitlesen von Gesangstext, Regieanweisungen und Noten gestattet.
Martha Mödl, Orchester der Deutschen Oper Berlin, Arthur Rother (Berlin 1955)
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Mild und leise (Liebestod); Tristan und Isolde; Martha Mödl (with score)
Der schwedische hochdramatische Sopran von Birgit Nilsson begegnet den weit gesponnenen Bögen der Musik mit langem Atem und unbändiger Strahlkraft in der Höhe. Karl Böhm steht am Pult bei einer der letzten Bayreuther Regiearbeiten von Wagner-Enkel Wieland. Zu sehen ist hier eine schwarzweiße Fotogalerie der Sängerin in verschiedenen Kostümen und Momenten ihrer Bühnenkarriere, die ihren Höhepunkt in den 1960er-Jahren erreichte.
Birgit Nilsson, Orchester der Bayreuther Festspiele, Karl Böhm (Bayreuth 1966)
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Birgit Nilsson sings Liebestod-Bayreuth Festival, 1966
Ein Kerzenmeer als Dekoration für die Studiorückwand verbreitet hier eine Andachtsstimmung, die den Ausnahmezustand der Isolde in eigensinniger, aber keineswegs kitschbefreiter Art und Weise spiegelt. Die US-amerikanische Diva Jessye Norman ist eine (Isolde angemessen) königlich anmutende Erscheinung, lässt ihre Riesenstimme strömen und strömen und strömen.
Jessye Norman, Wiener Philharmoniker, Herbert von Karajan (Wien 1987)
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Jessye Norman - A Portrait - Isoldes Liebestod (Wagner)
Eine blutende Isolde am Ende ihres Leidenswegs: beim Abschied vom Geliebten, beim Abschied vom Leben. Die gebürtige Würzburgerin Waltraud Meier durchlebt den "Liebestod", zumal mimisch, mit betörender Intensität. Es handelt sich um das Dokument einer bedeutenden Mailänder Regiearbeit von Patrice Chéreau, der 1976-80 den legendären "Jahrhundert-Ring" Bayreuths inszeniert hat.
Waltraud Meier, Daniel Barenboim (Mailand 2007)
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Wagner - Liebestod Scala 2007 Barenboin
Für Voyeure und Connaisseure: eine kameratechnisch konsequent durchgehaltene schwarzweiße Studie des genialen Dirigenten Carlos Kleiber im "mystischen Abgrund" Bayreuths. Unvergleichlich, wie hier jemand die Ekstase der Musik gestisch visualisiert: mit fließenden, ausdrucksstarken Armbewegungen, die der Komposition buchstäblich Flügel verleihen. So heben auch wir selbst ab ...
Orchester der Bayreuther Festspiele, Carlos Kleiber (Bayreuth 1974)
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Carlos Kleiber conducts Richard Wagner "Tristan Und Isolde"
Kommentare (7)
Freitag, 12.Juli, 12:56 Uhr
Stefan Simon
Norman/Karajan
Die beste Interpretation ist für mich die von Herbert von Karajan und Jessye Norman.
Mittwoch, 03.Juli, 16:55 Uhr
Ulrich Harbott
Kleibers Isolde
Es hätte nicht geschadet, den Namen von Carlos Kleibers Isolde zu nennen. Und nicht nur, weil es seit 45 Jahren meine Lieblings-Isolde ist (ich habe 27 verschiedene Isolde live erlebt): CATARINA LIGENDZA.
Kongenial übrigens zusammen mit ihrem Tristan Spas Wenkoff. Beide habe ich oft zusammen in Berlin unter dem jungen Daniel Barenboim erlebt (leider nie unter Kleiber in BT oder Mailand - das war "vor meiner Zeit".
Mittwoch, 03.Juli, 15:09 Uhr
Monika Rowe
Carlos Kleiber
Einmalig zu hören.
Mittwoch, 03.Juli, 08:30 Uhr
Reiner Kersten
Tristan und Isolde / Carlos Kleiber
Bayreuther Festspiele 1974 - Premiere von TRISTAN UND ISOLDE von Richard Wagner unter dem Dirigat von Carlos Kleiber mit einer traumhaften Besetzung: Catarina Ligendza, Helge Brilioth, Kurt Moll sowie Yvonne Minton u.a.
Man könnte die Worte von Isoldens sogenannten "Liebestod" zitieren "ertrinken, versinken, unbewusst -höchste Liebeslust".
Das war Gänsehaut pur, was aus dem mystischen Orchestergraben aufstieg. Resultat vom Ende des ersten Aktes - Tränen und dies als Mann. Dieser Moment hat sich bei den nachfolgenden Inszenierungen in Bayreuth nie wieder eingestellt.
Dienstag, 02.Juli, 19:27 Uhr
Hilsheimer
T u. I
Tränen vor Begeisterung und Ergrliffenheit
Dienstag, 02.Juli, 17:01 Uhr
Zimmermann Michael
Herzlichen Dank BR Klassik!
Zuerst einmal grosses Kompliment für die Aufschaltung dieser grossen Künstlerinnen und Künstler der Vergangenheit auf YouTube. Wenn man bedenkt, dass man grosse „Raumstimmen“, wie zum Beispiel von Birgit Nilsson nicht optimal hat aufnehmen können, kann man sich sicher vorstellen, welches Geschenk es für diejenigen war, diese Künstlerin live im Opernhaus zu erleben. Solche Stimmen sind heute fast nicht mehr zu hören. Carlos Kleiber habe ich in den 1980iger Jahren als junger Bursche in La Traviata im Nationaltheater in München hören und sehen dürfen. Was für einen gewaltigen Eindruck er mir mit seinem wundervollen Dirigat gemacht hatte. Da fehlen einem die Worte. Noch jetzt bin ich mit grossem Glück und Dankbarkeit erfüllt, diese wunderbare Erfahrung mit erleben zu dürfen. Nochmals vielen Dank für diese Aufnahmen! Ja, die Sänger und Sängerinnen der Vergangenheit dürfen wir NIE vergessen und wie dankbar können wir sein, dass auch heute viele Junge dieses kostbare Erbe hochhalten.
Dienstag, 02.Juli, 15:24 Uhr
Maria Beatrice Callas
Tristan und Isolde
Die intelligenteste und beste Isolde für mich ist nach wie vor Astrid Varnay!