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Reaktionen auf Thielemanns Ernennung in Berlin Wohlwollend bis vernichtend

Thielemann wird Chef an der Berliner Staatskapelle. Überrascht ist davon kaum jemand. Allerdings sind sich die meisten Kommentatoren einig: Falsche Entscheidung! Wir haben einige Reaktionen gesammelt.

Christian Thielemann | Bildquelle: picture alliance/dpa | Soeren Stache

Bildquelle: picture alliance/dpa | Soeren Stache

Mit viel gutem Willen könnte man sagen: Die Reaktionen sind gemischt. Aber eigentlich sind sie's nicht. Es überwiegen deutlich die negativen Kommentare zur Ernennung Thielemanns zum neuen Generalmusikdirektor (GMD) an der Berliner Staatsoper. "Wie naiv kann man eigentlich sein?", fragt Robert Braunmüller rhetorisch auf der Plattform, die mal Twitter hieß. Natürlich sei Thielemann ein bedeutender Dirigent, so der Kulturredakteur der Münchner Abendzeitung. "Aber nun wirklich JEDER außerhalb von Berlin weiß, dass er in alles reinreden, aber sich um nichts kümmern wird. Erst große Euphorie. Und dann Krach."

Holt schon mal das Popcorn raus!
Robert Braunmüller in der Münchner Abendzeitung

Und weil Krach wohl Unterhaltung verspricht – zumindest dann, wenn man nicht ganz nah dran ist – reibt sich Braunmüller in seinem Zeitungskommentar schon vorfreudig die Hände: "Holt schon mal das Popcorn raus!", frotzelt er im Titel. Thielemann habe bislang noch bei jedem Orchester bewiesen, dass er diesseits des Grabens kein Meister der Harmonie sei ("Dem in Orchesterehen üblichen Honigmond folgten bald Rosenkriege").

Ähnlich sieht das auch der Kollege Albrecht Selge beim Onlinemagazin VAN: "Das An-die-Stirn-Hauen von Thielemanns früheren Wirkungsstätten München und Dresden ist bis nach Berlin zu hören", schreibt er. "Berlin hat ein Faible für tote Pferde." Auch ihm sei bewusst, dass Thielemann ein toller Dirigent sei, dass ihm in seinem bestimmten Repertoire sogar der Ruf des Unvergleichlichen anhafte. Betonung auf "bestimmten". Thielemanns musikalischer Horizont sei nämlich nicht der weiteste, im Wesentlichen beschränkt auf die deutsche Spätromantik. Neben den bekannten "Verhaltensmuster(n)" ein weiterer Grund, der gegen sein Engagement an der Staatskapelle spräche, so Selge.

Berlin hat ein Faible für tote Pferde.
Albrecht Selge bei VAN

Einen Funken Hoffnung lässt er dann allerdings zu: "Vielleicht findet der Berliner Christian Thielemann zurückgekehrt in seine Heimatstadt (...) zu einer ungekannten Altersrelaxtheit, wird sich auf seine Zauberei beschränken und ringsum Jüngere und Offenere ihr Ding gestalten lassen", schreibt Selge, setzt noch zwei "vielleicht" dazu und lässt so keinen Zweifel daran, dass seine Hoffnung auf Thielemanns neugefundene Arbeitsteilungsbereitschaft eine sehr, sehr brüchige ist.

Sehr viel weniger polemisch als seine beiden gerade genannten Kollegen kommentiert Reinhard Brembeck in der Süddeutschen Zeitung. Auch er benennt allerdings das Risiko des Scheiterns, das man sich mit Thielemann ins Haus geholt habe. Eine Neuausrichtung der Staatsoper sei mit dem neuen Generalmusikdirektor auch nicht zu erwarten. Doch nicht alles hänge an Thielemann. Brembeck sieht auch die designierte Intendantin Elisabeth Sobotka und den Berliner Kultursenator Joe Chialo in der Pflicht, die Berliner Staatsoper "um Thielemanns Stärken und Leerstellen herum" in die Zukunft zu navigieren. "Mit Christian Thielemann hätte Berlin den richtigen Dirigenten für die genial gemachte Romantik, also die Tradition. Intendantin Elisabeth Sobotka müsste dann für den Rest und den Aufbruch sorgen. Was aber nur funktioniert, wenn sie die volle Unterstützung von Orchester, Belegschaft, Joe Chialo und Christian Thielemann hat. Das aber könnte bei Gelingen ein grandioser Glücksfall sein."

Thielemann ist ein Wagner-Genie!
Peter Huth in der WELT

Für Peter Huth in der WELT ist der Glücksfall keine Frage der Möglichkeit. Der Glücksfall ist für ihn schon eingetreten. Und besteht ihm zufolge im Sieg von künstlerischer Qualität über Ideologie. Die Linken wollten Thielemann verhindern, da ist sich Huth sicher. "In Zeiten, in denen auch die Besetzung einer kreativen Spitzenposition einer Art Rasterfahndung nach richtigem Geschlecht, korrekter Haltung, womöglich passender Hautfarbe und sexueller Orientierung gleichkommt, fiel Thielemann (…) durch das Raster." Für Huth ist das alles aber nur ein "Zeitgeist-Konstrukt", das von dem ablenke, was eigentlich wichtig sei: "Können (hier Genie), Vision und Leistung. (…) Dafür braucht man keine ideologische Besetzung der Schlüsselfigur, sondern einfach den Besten seines Fachs." Und das sei Christian Thielemann – dieses angebliche Beinahe-Kulturkampfopfer – ganz bestimmt.

Ein bisschen lustig ist es natürlich schon, dass Huth Thielemann gegen Kritiken verteidigt, die keiner seiner oben genannten Kollegen gegen den designierten Staatsopern-GMD erhoben hat. Vielleicht hat er ja mal Gelegenheit, sich mit Manuel Brug darüber auszutauschen, der immerhin für dasselbe Blatt schreibt und gestern twitterte: "berlin has to live again with anti-modern conductor bully, marvellous but limited repertoire and no idea how to run opera house (…) Will see how long".

Sendung: "Allegro" am 28. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (12)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Dienstag, 10.Oktober, 19:37 Uhr

Wilfried Schneider

Christian Thielemann

Diem Meinung insbesondere des Herrn Braunmüller ist ziemlich unwesentlich. Dass er ein Thielemann-Hasser ist, weiß so ziemlich jeder. Viel wichtiger: in Dresden begreift man langsam, dass die unsägliche Frau Klepsch Gold gegen Aluminium eingetauscht hat. Der Höhenflug der Staatskapelle dürfte Dank Herrn Gatti über kurz oder lang vorbei sein. Nun ja, nach Berlin muss man, kommt man aus München, zumindest nicht umsteigen.

Mittwoch, 04.Oktober, 12:05 Uhr

Peter Brandes

Thielemann

sehr gut, es wurde Zeit

Samstag, 30.September, 19:47 Uhr

Martina Wolf

Christian Thielemanns Berufung nach Berlin

Christian Thielemann gehört zu den besten Dirigenten der Welt. Dies ist unbestritten und auch im Ausland anerkannt. So wurde er wie wenige zum zweiten Mal von den Wiener Philharmonikern eingeladen, das nächste Neujahrskonzert zu leiten. Aber auch die Musiker der Staatkapelle haben sich überwiegend für ihn entschieden und das natürlich nicht grundlos. - Jeder kann natürlich einen anderen Dirigenten bevorzugen, das ist jedem freigestellt. Doch das Genie Thielemanns anzuerkennen, das müsst selbstverständlich sein. Wo das nicht der Fall ist muss entweder Unkenntnis oder schnöder Neid mit im Spiel sein.

Samstag, 30.September, 13:44 Uhr

Felix Kugel

Thema verfehlt, setzen, sechs.

Christian Thielemann ist einer der genialsten Dirigenten des 21.Jahrhunderts. Sein Strauss ist unübertroffen. Alles Andere hat sich ihm unterzuordnen.

Samstag, 30.September, 03:50 Uhr

Trappe

Peinliche Medien

Es ist schon unsäglich, wie unqualiziert sich Medien äußern und bezeichnend (für unsere Gesellschaft), dass die äußere Form wichtiger sei als der Inhalt. Fakt ist, dass Thielemann einer der drei größten Dirigenten unserer Zeit ist. Dies eben, wenn es um magische Momente der Musik geht. Da zählt als Zuhörer nicht, wie jemand menschlich sein mag. Die Medien müssen aufpassen, sich nicht noch mehr zu blamieren als ohnehin schon, wollen sie ernst genommen werden. Und man kann der Staatskapelle nur gratulieren: Weise, vorausschauend und das Beste genommen. Zu den Medien: Glücklicherweise wedelt der Schwanz noch nicht mit dem Hund!

Freitag, 29.September, 16:04 Uhr

Karl Bauer

Christian Thielemann

Typisch (deutsche) Presse! Noch nicht einmal im Amt und schon alles zerreden! Es ist mittlerweile schon so lästig und vor allem dumm!

Freitag, 29.September, 11:13 Uhr

Dieckmeyer

Allegro 27.092023

Der Dauerbeschimpfungsmodus durch Journalisten in fast allen Zeitungen ist ein Zeichen von Selbstverachtung und unerträglich .
Christiane Dieckmeyer

Freitag, 29.September, 09:12 Uhr

Gufo

Thielemann

Was haben sich die Medien an Barenboim abgearbeitet, der als Perfektionist sicher kein leichter Maestro war. Aber er hat in Jahrzehnten die Berliner Staatskapelle zu einem Spitzenorchester geformt. Jetzt ist also Thielemann an der Reihe,dem einige das Attribut " schwierig"verpassen.Das mag er sein. Aber wie bei seinem Vorgänger gehört eine gewisse Härte und Durchsetzungsfähigkeit dazu, wenn man ein Orchester zu Höchstleistungen bringen will, auch wenn das in der heutigen Zeit, wo das " Weichgespülte" dominiert,nicht gerade der p.c. entspricht.

Freitag, 29.September, 08:58 Uhr

Klaus Keßler

Christian Thielemann

Christian Thielemann ist ein absoluter Glücksfall für die Staatsoper Berlin. Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten sehr viele Opern-und Konzertabende besucht. Die Aufführungen unter der Leitung von Christian Thielemann standen mit Abstand musikalisch auf dem höchsten Niveau.

Freitag, 29.September, 07:44 Uhr

Annegret

Steps

Können
Vision und
Leistung
Berlin kann dankbar sein
diesen Dirigenten zu bekommen

Freitag, 29.September, 07:38 Uhr

Steffani - Grasberger

Thielemannj

Der Zug (4Stunden) von Muenchen nach Berlin wird an den Tagen der "Thielemann Operndirigaten ausgebucht sein!
Am 30.10." Figaro" Premiere in Muenchen 1/2 leer!!!! Stand gestern!!!

Donnerstag, 28.September, 19:16 Uhr

Axel Peppermueller

Thielemann

Es ist schon sehr eigenartig wie die Journalisten sich äußern zur Ernennung von
Christian Thielemann zum GMD zum GMD an der Staatsoper Berlin.
Ich finde es wird viel zu wenig gewürdigt das er ein erstklassiker Dirigent er ist!
Unlängst hier in München zu hören mit Bruckner eine Sternstunde.Ich hatte das Glück
ihn in Berlin, Bayreuth, Dresden, Salzburg und auch in Wien hören zu können und es
war i m m m e r ein Ereignis.
Was wurde über Karajan, Barenboim gemeckert.
Ich war 10 Jahre an der Staatsoper Wien im Management tätig und habe dort erleben
müssen wie Lorin Maazel von der Wiener Presse im wahrsten Sinne des Wortes abserviert
wurde.
Ich hoffe für meine Geburtsstadt Berlin das Herr Thielemann nicht nur von den Mitgliedern
der Staatsoper und dem Berliner Publikum wohl gelitten wird .Ich wünsche ihm alles
erdenklich Gute und den Erfolg den er sich verdient hat.

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