Seit 2016 ist Jakub Hrůša Chefdirigent der Bamberger Symphoniker und baut auf die lebendige, "böhmische" Tradition seines Orchesters auf. Die Musik seiner Heimat Tschechien liegt ihm sehr am Herzen, besonders die von Bedřich Smetana.
Bildquelle: BR/Andreas Herzau
BR-KLASSIK: Herr Hrůša, Bedřich Smetana wäre dieses Jahr 200 Jahre alt geworden. Wenn Sie seine Musik in drei Worten charakterisieren müssten – was würden Sie sagen?
Jakub Hrůša: Vaterland, progressiv und treu.
BR-KLASSIK: Warum treu?
Jakub Hrůša: Weil er den Idealen, die er sich als die wichtigsten in seinem künstlerischen Leben gestellt hat, immer treugeblieben ist, trotz aller Schwierigkeiten in seinem persönlichen Leben oder auch mit seinen Kollegen aus der musikalischen Welt. Und natürlich trotz seiner Krankheit. Er blieb so lange wie möglich bei den Idealen, die für ihn wichtig waren.
BR-KLASSIK: Was waren seine Ideale?
Jakub Hrůša: Musik auf höchstem Niveau zu schreiben, und auch wenn sie der Mode der Zeit nicht immer entsprochen hat. Also wirklich Musik, die im besten Sinn zeitgenössisch war. Und das wiederum kombiniert mit dem Dienst an der Nation, dem Vaterland, wie die Menschen es in dieser Zeit verstanden haben.
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BR-KLASSIK: Da sind wir auch bei dem Schlagwort "Vaterland". Wie spielt denn diese Idee der Nation in Smetanas Werk hinein?
Jakub Hrůša: Zumindest in der zweiten Hälfte seines Lebens, nachdem Smetana aus Schweden wieder nach Tschechien kam, war diese Idee der Zentralpunkt seines Lebens. Man weiß auch aus vielen seiner Briefe und Aussagen, dass er es als seine Aufgabe fühlte, der Nation zu dienen und seine schöpferischen Kräfte in diesen Dienst zu stellen. In der Musik ist das natürlich ein bisschen komplizierter, weil es heute etwas schwer zu sagen ist, inwiefern er selbst von der Volksmusik beeinflusst wurde – und wie weit er selbst das Gesicht der tschechischen Volksmusik beeinflusst hat.
BR-KLASSIK: Sie haben Bedřich Smetana als "progressiv" charakterisiert. Wo sehen Sie das Fortschrittliche und das Progressive bei ihm?
Der Komponist Bedřich Smetana | Bildquelle: BR/DocFabrik GmbH
Jakub Hrůša: Vor allem in der musikalischen Sprache. Er war in vielen Dingen sogar progressiver als Richard Wagner, so hat es schon Franz Liszt gesagt. Die Harmonik zum Beispiel in seiner Oper "Libuše", die ich dieses Jahr mit der Tschechischen Philharmonie auch zum ersten Mal dirigiere, ist ähnlich zu den Ideen des "Ring des Nibelungen". Laut Liszt hat Smetana da in der Harmonik durch seinen progressiven Stil an einigen Stellen etwas gemacht, wozu sogar Wagner nicht den Mut gehabt hätte.
Smetana galt als einer der besten Protagonisten der Neoromantik oder der sogenannten neudeutschen Schule, wenn wir sie so nennen wollen, wo die Form immer dem poetischen Inhalt der Komposition entsprechen und nicht nur aus der Vergangenheit kommen sollte. Er hat immer eine neue Form gefunden. "Mein Vaterland" ist so ein Beispiel dafür. Smetana war ein großer musikalischer Architekt und die Tektonik in seiner Musik funktioniert fast so fehlerlos wie beispielsweise bei Beethoven.
BR-KLASSIK: Wie geht es Ihnen als Dirigent mit Bedřich Smetana?
Jakub Hrůša: Mich berührt Smetanas Musik sehr, denn sie ist sehr echt und das Gegenteil von kalkuliert. Seine Musik kombiniert immer das höchste Niveau der Komposition mit dem offenen Herz. Besonders plakativ sieht man das in seiner populärsten und berühmtesten Komposition, der "Moldau". Ich kann mir vorstellen, dass jemand diese Musik hört und die Liebe zu dem Land in diesem Stück so sehr spürt, dass er das Land wirklich kennenlernen will. Man kommt da schnell an sensible Grenzen, gerade in Deutschland, wo Nationalismus natürlich ein besonders sensibles Thema ist. Und Smetana ist ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, durch etwas qualitativ sehr Hohes unbegrenzt die Liebe zu seinem eigenen Land zu zeigen, ohne chauvinistisch oder in irgendeinem Sinne negativ zu sein. Und das finde ich sehr berührend.
Sendung: "Leporello" am 1. März ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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