Sie ist anders, sie ist einmalig und sie wird zehn Jahre alt. Die Münchner Jazzrausch Bigband hat in den letzten Jahren international für Aufsehen gesorgt. Unser BR-KLASSIK Jazz-Moderator Ulrich Habersetzer gratuliert auf sehr persönliche Art.
Bildquelle: Sebastian Reiter
Liebe Jazzrausch Bigband, es ist ziemlich genau zehn Jahre her, da habe ich Deinen Erfinder das erste Mal gesehen. Er saß auf einer Steinbank und wartete auf ein Gespräch zur Förderung eines Jazzprojekts. Er sah etwas schüchtern aus, aber auch irgendwie entschlossen. Es ging um ein Programm für eine Bigband. Ich dachte, wieder so eine Bigband, viele Leute spielen mit und sie spielen immer laut, mehr wird nicht dahinter sein. Da habe ich Dich falsch eingeschätzt, das habe ich bald gemerkt.
Die Jazzrausch-Masterminds: Leonhard Kuhn und Roman Sladek | Bildquelle: Alescha Birkenholz
Laut wurde es, viele Menschen waren und sind beteiligt, aber "wie immer" ist bei Dir, liebe Jazzrausch Bigband, so gar nichts. Ganz ernst habe ich Dich am Anfang nicht genommen. Mit einem Weihnachtsprogramm für Bigband wurdest Du geboren, "Swinging Christmas", naja ganz nett, mehr auch nicht. Aber da gab es immer schon Deinen Erfinder mit der Posaune und mit den Ansagen, die zwischen Anarchie und Barock pendelten. Und da gab es diesen Nerd, der sich bei Dir endlich nicht mehr entscheiden musste, ob er mathematische Formeln lösen oder komplexe Musik komponieren sollte, er machte jetzt einfach beides zugleich.
Posaunist Roman Sladek und Gitarrist und Komponist Leonhard Kuhn waren und sind Dein perfekt-unperfektes Eltern-Paar: irgendwas zwischen Asterix und Obelix oder John Lennon und Paul McCartney.
Aus diesem Gespann hast Du sehr viel Energie und Inspiration ziehen können. Konzertprogramme für Stimme, Trompeten, Posaunen, Saxophone, Keyboards, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Percussion, Elektronik, sogar auch Streichern und einer Tuba sind entstanden. Musik von Anton Bruckner, Ludwig van Beethoven oder Gustav Mahler wurde für Dich bearbeitet. Kompositionen zur Philosophie von Ludwig Wittgenstein, zur Dirichlet-Funktion, zum Möbiusband und zu ziemlich vielen unterschiedlichen Dingen, die ich nicht richtig verstehe, wurden für Dich geschrieben.
Immer hast Du dabei aber nach Dir geklungen, liebe Jazzrausch Bigband, sofort konnte ich Dich erkennen. Immer hast Du zum Tanzen oder zumindest zu Kopfnicken eingeladen. Immer war der Rausch dabei, die Freude am Moment.
Bildquelle: Alescha Birkenholz Du warst auch immer erstaunlich komplex, dafür, dass Deine Klänge auch in Clubs funktionierten. Nicht nur funktionierten, sie sind in Clubs groß geworden, besonders in einem. Dein Nest hast Du Dir im Technoclub "Harry Klein" mitten in München gesucht. Du warst weltweit die erste Hausband eines Technoclubs und Du hast die Welten des Jazz, Deiner ursprünglichen Heimat, und des Techno ganz selbstverständlich und fraglos, ohne Zwang, Druck oder Überredungskunst verheiratet. Auf einmal kamen beide Stile völlig gleichberechtigt nebeneinander daher. Die einen hast Du so zum ersten Mal in ihrem Leben in einen Technoclub gebracht, die anderen zum ersten Mal in einen Jazzkeller oder auf ein Jazzfestival.
Überhaupt warst Du in vielen Dingen die erste: Die erste Bigband aus Deutschland, die im hochheiligen Lincoln Center in New York aufgetreten ist. Hat Euch der Jazz-Chef dort, Trompeter Wynton Marsalis, eigentlich zugehört? Wer weiß?
Du hast als erste Bigband eine ganze Nacht lang die riesige Philharmonie in München beschallt bei der Langen Nacht der Musik, und das gleich vier Jahre hintereinander. Du hast Menschen in Kenia, China und Russland mit Deinen Konzerten erfreut und natürlich in ganz Europa.
10 Jahre Jazzrausch Bigband
17. Februar 2024 ab 20 Uhr
Kleine Olympiahalle München
Aber Du bist auch zur Familie für ganz viele Musiker:innen aus München geworden. Du hast sie schon während ihrer Studienzeit aufgenommen, ihnen Auftrittsmöglichkeiten, eine Community, ja und auch ein Gehalt gegeben. Du hast ein Honorierungssystem entwickelt, von dem Menschen leben konnten und das, als Großensemble aus dem Jazzbereich. Durch eine weltweite Pandemie hindurch hast Du Deine Musiker:innen begleitet.
Mittlerweile bist Du ein familienfreundliches Unternehmen und die Kinder deiner Musiker:innen werden während der Auftritte hinter der Bühne betreut.
Liebe Jazzrausch Bigband, Dich haben aber längst nicht alle lieb. Du hast auch oft schon Menschen vor den Kopf gestoßen. Legendär etwa Dein Weihnachtskonzert, viele wollten Techno und es gab "Stille Nacht". Bei der traditionsreichen Jazzwoche in Burghausen hast Du viele beglückt und einige mit Deiner Lautstärke aus der Halle geschoben. Aber Du wolltest auch nie allen gefallen, Du wolltest immer Du selbst sein. Musikalische Gäste müssen erstmal mit Deiner Power zurechtkommen, oft klappt das nicht. Nur weil jemand gut spielen kann, heißt es nicht, dass sie oder er auch in Dir bestehen kann. Du bist ein eigener Kosmos und wenn Du erst Deine schicke neue Bude im Münchner Westen im Bergson hast, dann geht’s richtig ab. Du bist ja jetzt dann eigentlich ein Teen und im Teenager-Alter geht es bekanntlich besonders wild zur Sache.
Liebe Jazzrausch Bigband, lass es richtig krachen zu Deinem Geburtstag, Du hast es Dir verdient und ich bin mir sicher, Du wirst Dich niemals auf alten Erfolgen ausruhen. Der Rausch muss weitergehen, neues, anderes, noch abgefahrenes steht an. Ich freu mich drauf. Happy Birthday, Jazzrausch Bigband!
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