John Eliot Gardiner und der Monteverdi Choir hatten ihre Zusammenarbeit im Sommer für beendet erklärt. Dirigent und Ensemble gehen getrennt auf Adventstournee, haben aber ein identisches Programm im Gepäck – und teilweise identische Auftrittsorte und Daten. Was steckt dahinter?
Bildquelle: © Chris Christodoulou
Interpretationen im Vergleich. Vorher – nachher. Etwas in Relation zu etwas ähnlichem zu setzen, ist dem menschlichen Denken ein Grundbedürfnis. In der Hamburger Elbphilharmonie gibt es in der kommenden Adventszeit jedoch eine sehr außergewöhnliche Vergleichsmöglichkeit: Zuerst stellt sich John Eliot Gardiner mit seinem neuen Ensemble Springhead Constellation vor. Eine Woche später treten der Monteverdi Choir und die English Baroque Soloists – Gardiners altes Ensemble – dort auf.
Das Pikante daran: Beide Ensembles spielen ein und dasselbe Programm. Marc-Antoine Charpentiers "Messe de minuit à 4 voix, flûtes et violons, pour Noël" und anschließend die zwei Bach-Kantaten "Schwingt freudig euch empor" und "Unser Mund sei voll Lachens". "Nur in der Elbphilharmonie gibt es die weltweit einmalige Gelegenheit, dieses spezielle Programm innerhalb kürzester Zeit in beiden hochkarätigen Interpretationen zu hören", schreibt das Hamburger Konzerthaus in seiner Ankündigung.
Beide Ensembles sind also zur selben Zeit mit einem identischen Programm unterwegs. So ganz klar ist die Aufteilung der Spielorte dabei aber noch nicht. Auf ihren jeweiligen Homepages geben beide Klangkörper teils sogar dieselben Konzertdaten für dieselben Städte an (Stand: 10. September 2024, 11:00 Uhr). Unter den Dopplungen finden sich das Wiener Konzerthaus, die Philharmonie Luxemburg und das Konzerthaus Dortmund. Die drei Veranstaltungsorte kündigen auf ihren eigenen Kanälen für die fraglichen Daten jedoch je ein Konzert von Gardiner mit seinem neuen Ensemble an.
Im Juli 2024 hatten der Monteverdi Choir und die English Baroque Soloists nach 60-jähriger Zusammenarbeit ihre Trennung von John Eliot Gardiner bekannt gegeben. Zuvor hatte der Dirigent, der als Pionier der historischen Aufführungspraxis gilt, nach einer einjährigen Pause seine Rückkehr ins Konzertleben angekündigt. Nach einem Gewaltausbruch einem Sänger gegenüber im Jahr 2023 hatte er sich zunächst aus dem Konzertbetrieb zurückgezogen. Die Gründung von "Constellation" sei ihm eine große Freude, heißt es jetzt von ihm. "Ich bin sehr aufgeregt und dankbar, dass ich wieder mit so außergewöhnlichen Musikern zusammenarbeiten kann – ohne die wichtigen Lektionen zu vergessen, die ich im vergangenen Jahr gelernt habe und lernen musste", lässt der Dirigent über die Hamburger Elbphilharmonie mitteilen.
Christophe Rousset nimmt für die Adventstournee John Eliot Gardiners Platz beim Monteverdi Choir ein. | Bildquelle: © Eric Larrayadieu
Seinen Platz als Dirigent beim Monteverdi Choir (MCO) übernimmt für die Dezember-Tournee Christophe Rousset, der gerade mit der Eröffnungspremiere bei Bayreuth Baroque triumphierte: "Ich war von klein auf ein großer Fan des MCO und seines Gründungsdirigenten. Es ist ein großes Privileg, mit diesem wunderbaren 'Instrument' arbeiten zu dürfen", so Rousset.
Wer von beiden Ensembles nun zu welchem Datum an welchem Ort auftreten wird, das ist aber offenbar – außer in Hamburg – noch nicht abschließend geklärt.
Sendung: "Leporello" am 10. September 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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