Jonas Kaufmann ist mit seinem dunkel timbrierten Tenor eine Marke. Mit 20 hat er in seiner Heimatstadt München ein Musikstudium angefangen und fünf Jahre später auch abgeschlossen. Erfahrungen sammeln konnte er vor allem in Zürich. Dann hat er in London und Wien Puccini, Verdi und Giordano gesungen, in Verdis "Traviata" ein sensationelles Debüt an der New Yorker MET gefeiert, ist als Italo-Tenor nach München zurückgekehrt und hat in den vergangenen 15 Jahren einen Triumph nach dem anderen eingefahren. Hier sind seine fünf beste Rollen – als sehr subjektive Hitliste von Michael Atzinger
Bildquelle: © Gregor Hohenberg / Sony Classical
Im Malerkittel macht vielleicht nicht jeder Tenor bella figura, aber Jonas Kaufmann wirkt darin ausgesprochen authentisch, wenn er im 1. Akt von Giacomo Puccinis "Tosca" in der Kirche Sant’Andrea della Valle in Rom an einem Frauenportrait herumpinselt, das seine Geliebte Floria Tosca eifersüchtig machen wird. Kaufmann zeigt in der ersten Arie der Oper den Maler als virilen Helden mit eindrucksvoll im Forte und Fortissimo durch die Kirche hallenden Spitzentönen. Und er widersteht der Versuchung, im dritten Akt kurz vor seiner Hinrichtung in der Arie "E lucevan le stelle" die Sterne anzubrüllen. Nein, da gibt er dem Hoffnungslosen, der nur noch auf den Tod wartet, ein paar erdenferne Piano-Töne mit.
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Puccini - Tosca 3 akt "E lucevan le stelle" (Jonas Kaufmann) 2010
Mut zur Gebrochenheit prägt auch Jonas Kaufmanns Portrait des etwas tumben und unglücklich verliebten Don José in Georges Bizets "Carmen". Wo manche Kollegen am Schluss der Blumenarie ihr "Carmen, je t’aime" effektheischend und testosterongeschwängert mit voller Stimme ins Opernhaus schicken, rührt Kaufmann sein Publikum mit einem kleinen Blümchen in der Hand völlig verzweifelt und mit ersterbendem Ton zu Tränen. Er leidet, er macht sich verletzlich, kehrt sein Innerstes nach außen – und ein letztes Mal muss er ihr noch sagen, wie sehr er sie liebt.
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Carmen – The Flower Song (Jonas Kaufmann, The Royal Opera)
Die Stimme: Das ist nicht nur schönes Singen in laut und leise, das ist auch transportiertes Gefühl. Betroffenheit, Trauer und Bestürzung. Gebrochene Töne für gebrochene Helden. Jonas Kaufmanns Porträts der Wagner-Helden erschüttern, begeistern – und befremden. Da wagt es einer, den Lohengrin seiner Superhelden-Kraft zu berauben. Wie sagt Jonas Kaufmann selber: "Lohengrin muss sich eingestehen, dass er sich emotional wohl zu weit aus dem Fenster gelehnt und versagt hat." Kaufmanns Entscheidung, die erste Strophe der Gralserzählung im Pianissimo zu nehmen, ist heftig diskutiert worden – und ist doch mutig und richtig. Und zum ersten Mal steht da eine nicht golden oder silbern glänzende, nicht fassbare Märchenfigur auf der Bühne, sondern – ein Mensch. Kaufmann hat die Kraft, den Glanz und das Durchhaltevermögen für die Rolle. Aber er muss es nicht unablässig beweisen.
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Jonas Kaufmann In fernem Land... Mein lieber Schwan Scala '12
"Andrea Chénier" von Umberto Giordano ist für den Titelhelden musikalisch herausfordernd, aber ein perfekter Laufsteg für einen Tenor, der auch spielen kann. Der Humor hat, Begeisterung zu zeigen vermag – und auch Liebesraserei. Wer das erste Bild der Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper noch vor Augen hat, erinnert sich an ein Wimmelbild, aus dem zwei Menschen in jeder Sekunde herausstechen, über viele Meter hinweg Kontakt halten, sich fixieren: Anja Harteros als Maddalena und Jonas Kaufmann als Chénier. Da sitzt jede Geste, da spricht jeder Blick – und man freut sich, wie intelligent dieser Historienschinken von den beiden bespielt wird. Und wie Kaufmann sich, ohne gestalterisch zu forcieren, als Außenseiter in dieser adligen Mottenkugelwelt behauptet. Da bietet einer der Dekadenz Paroli - mit Stimme und präziser Schauspielkunst. Und am Ende steigert sich Kaufmann zu einem dunkel glänzenden "Come un bel dì di maggio", mit perfektem Legato und überrumpelnder Wirkung.
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Come Un Bel Di Di Maggio (Andrea Chenier) - Jonas Kaufmann (subtitulado en español)
"Werther" von Jules Massenet, ein Stück, das man oft mit einer Bühne wie in einem veristischen Reißer erlebt. Ein an die Rückwand gemalter Himmel. Eine riesige, mit Efeu bewachsene Mauer mit Brunnen. Zwischen Mauer und dem angedeuteten Haus des Amtmanns ein Tordurchgang. Es gibt Tenöre, die betreten diese Bühne und müssen sich erst etwas einfinden. Und es gibt Jonas Kaufmann. Verträumt, tastend, wie von einem anderen Stern. Er nimmt die Sonnenbrille ab und weiß: er ist angekommen. Nicht irgendwo, sondern im Paradies, wie er gleich singt. Und so klingt es auch. Verführerisch funkelnder Goldstaub. Und später, wenn er seinen Traum, mit Charlotte zu leben, ausgeträumt hat, fürchten wir schon um sein Leben, als er noch nicht mal an Selbstmord denkt. Jonas Kaufmann – der beängstigend intensive Sängerdarsteller, der alles hat.
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Massenet - Werther - jonas kaufmann
Kommentare (10)
Mittwoch, 17.April, 15:21 Uhr
Hartmut Wastian
Jonas Kaufmann
Ich konnte Herrn Kaufmann schon als Tristan, Don Carlo und Lohengrin erleben. Wenn er in Form ist, hat er ein wunderbares Timbre und überbetont die Rollen nicht. Schön auch, dass er nach einigen Jahren seine Stimmbandprobleme wieder in den Griff bekommen hat.
Natürlich gibt es viele Nörgler und Ätzer - leider auch hier. Wie hat schon der selige Helmut Qualtinger gewusst?
„In Wien musst' erst sterben, damit sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst' lang“
Montag, 15.April, 14:56 Uhr
Eva Callerini
Nur in Deutschland wird ...
...Jonas Kaufmann oft negativ gesehen. An seiner Stelle wäre ich auch nach Österreich ausgewandert. Dort und in Italien weiß man ihn als Ausnahmesänger zu schätzen.
Montag, 15.April, 09:36 Uhr
Petra Phillip
Ich verstehe nicht, warum Klassik-Experten Jonas Kaufmann dermaßen hofieren. Seine Stimme ist doch inzwischen kaputt, kein Glanz mehr, knödelt nur noch!
Es gibt so viele tolle Tenöre, die Sie auch mal in den Fokus ziehen könnten!
Montag, 15.April, 08:23 Uhr
Edda Bahnemann
Jonas Kaufmann
Ich habe Jonas Kaufmann im Fidelio und im Don Carlo auf der Opernbühne gesehen.
Für mich ist er ein schlechter Schauspieler: sehr introvertiert und ohne jegliche Ausstrahlung
Montag, 15.April, 08:20 Uhr
Silvana Anconelli Kampa
Jonas Kaufmann
Ich bin vollkommen einverstanden über die Beschreibung der Rollen von diesem einzigartigen Operinterpreten!
Montag, 15.April, 07:23 Uhr
Wolfgang Weigel
Jonas Kaufmann
Ich stimme weitgehend zu, aber: Man muss Jonas Kaufmann als Florestan in Beethhovens "Fidelio" gehört haben, um die Spannweite von der Qual zur Hoffnung empfinden zu können
Sonntag, 14.April, 11:42 Uhr
Gisbert Heuser
Jonas Kaufmann
Was sind wir doch in unseren Anforderungen bescheiden geworden!
Sonntag, 14.April, 11:11 Uhr
Barboncino
Kaufmann
Andrea Chenier mit Kaufmann an der Wiener Staatsoper ein kaum zu übertreffendes Gustostückerl. Knapp dahinter sein Othello mit Ludovic Tezier an selben Haus.
Samstag, 13.April, 08:35 Uhr
Tim Theo Tinn
Jonas Kaufmann
Und da können rückwärtsgewandte ewig Gestrige plärren, was sie wollen. Jonas Kaufmann ist ein Jahrhundert - Faszinosum, dem in seinen Sternstunden aktuell niemand nähern kann. Auch Joseph Calleja hat das nicht erreichen können.
13.4.2024, Tim Theo Tinn
Freitag, 12.April, 16:30 Uhr
Hannelore Simon
Beste Rollen
Ich stimme Ihnen voll zu, möchte aber noch Florestan und Parsifal hinzufügen.