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Audi Sommerkonzerte Oksana Lyniv und ukrainisches Jugendorchester

Wenn das Youth Symphony Orchestra of Ukraine zusammenkommt, dann schwingt beim Musizieren unweigerlich der Krieg im Heimatland mit. Trotzdem zeigen die Jugendlichen größtes Durchhaltevermögen – und gehen mit ihrer Musik auf Tournee. Am Freitag spielt das Orchester in Ingolstadt.

Oksana Lyniv im Teatro Comunale di Bologna | Bildquelle: Michele Lapini / Teatro Comunale di Bologna

Bildquelle: Michele Lapini / Teatro Comunale di Bologna

Der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, ist gedanklich präsent, wenn die jungen Talente im Alter von 14 bis 23 Jahren Musik von Ludwig van Beethoven, Bohdana Froljak und Jewhen Stankowytsch proben und aufführen. In der Generalprobe am Ende der Arbeitsphase in der Landesmusikakademie Rheinland-Pfalz werden Wasserflaschen herumgereicht, alle Türen der Aula stehen sperrangelweit offen – wegen der Sommerhitze. Die Kleiderordnung im Orchester ist leger: überwiegend kurze Hosen. Aber: Die jungen Musikerinnen und Musiker tragen einheitliche blau-gelb bedruckte T-Shirts.

Sie bringen eine ganz andere Energie in die Musik rein.
Oksana Lyniv über das Youth Symphony Orchestra of Ukraine

Auch Oksana Lyniv trägt blau-gelb

Auch die Dirigentin trägt das T-Shirt dieser Arbeitsphase. Oksana Lyniv ist selbst Ukrainerin. Durch diese Tournee erhofft sie sich eine stärkere Identifikation mit dem Schicksal ihres Heimatlandes: "Wenn man diese jungen Menschen sieht, dann versteht man besser, dass hinter den Nachrichten reale Menschen stehen, reale Familien, reale Zerstörung, reale Traumata, reales Leiden." Dieses Jahr sind 39 neue Kinder dabei, erzählt Lyniv. Viele kommen aus den Ostregionen der Ukraine – aus zerstörten, zerbombten Städten. "Sie sind jetzt geflüchtet und haben kein Zuhause mehr. Und wir sitzen hier auf wunderbaren Bühnen und machen Musik. Sie bringen eine ganz andere Energie in diese Musik rein."

Hinter den Nachrichten stehen reale Menschen, reale Familien, reale Zerstörung, reale Traumata, reales Leiden.
Oksana Lyniv

Generalprobe zum Abschluss der Probenphase in der Landesmusikakademie Rheinland-Pfalz am 20.06.2023 in Engers. | Bildquelle: BR/Henning Hübert Das Youth Symphony Orchestra of Ukraine bei der Generalprobe | Bildquelle: BR/Henning Hübert Die Orchesterbesetzung für die Tournee war schwer zusammenzustellen: Für zehn der 55 teilnehmenden Orchestermitglieder mussten gleich zwei Kiewer Ministerien Reisegenehmigungen erteilen. Der Dirigent, der ursprünglich für die Einstudierung vorgesehen war, durfte nicht ausreisen. Einige der Orchestermitglieder haben ihre Wohnung in der Heimat verloren, bei anderen befinden sich die Väter in Kriegsgefangenschaft.

Uraufführung der ukrainischen Komponistin Bohdana Froljak

Von solchen Spannungen, von Niederlage und Triumph, erzählt das neue Werk "The Way" der ukrainischen Komponistin Bohdana Froljak. In der Generalprobe vor der Uraufführung herrscht bei allen Musikerinnen und Musikern Engagement und Konzentration. Die Dirigentin lächelt. Daneben spürt man aber auch eine Angespanntheit. Der Krieg ist während der Probenphase nicht weit weg, Oksana Lyniv bekommt das hautnah mit: "Es gab hier ein Volksfest mit einem Feuerwerk, und die Kinder haben Panikattacken bekommen. Sie waren erschüttert, sie haben geweint. Es ist schrecklich, was die Kriegserfahrungen mit den Menschen machen. Deswegen ist dieses Musizieren wirklich heilend für unsere Seele, einfach eine nötige Erfahrung."

Reichtum der ukrainischen Kultur zeigen

Die Konzertmeisterin Oksana Butrynska ist im dritten Jahr beim Youth Symphony Orchestra of Ukraine dabei. Die 20-Jährige studiert inzwischen in Wien Geige. Ihre Familie ist weiterhin in der Ukraine. Oksana Butrynska spricht für ihr Orchester: "Ok, wir sind Flüchtlinge, aber trotzdem ist es Zeit, dass wir zeigen, dass wir nicht nur Flüchtlinge sind. Wir wollen zeigen, dass wir eine reiche ukrainische Kultur haben, dass wir talentierte junge Menschen haben. Dass wir viel Gutes nach Europa bringen können."

BRSO-Flötistin Ivanna Ternay ist Solistin

Ivanna Ternay | Bildquelle: Astrid Ackermann BRSO-Musikerin Ivanna Ternay | Bildquelle: Astrid Ackermann Zum Beispiel die Kammersinfonie für Flöte und Orchester Nr. 3 von Jewhen Stankowytsch. Das Stück ist eine echte Entdeckung. Vor 40 Jahren komponiert, passt diese Musik ins kriegsnervöse Hier und Heute – interpretiert von Menschen, die es angeht, was sie aufführen. Solistin des Werks ist die ukrainischstämmige Flötistin des BRSO Ivanna Ternay. Sie arbeitet gerne mit dem Youth Symphony Orchestra of Ukraine zusammen und ist begeistert vom Engagement und Durchhaltevermögen der jungen Musikerinnen und Musiker.

Youth Symphony Orchestra of Ukraine auf Tournee

Das Land Rheinland-Pfalz hat das Orchester eingeladen, sie mit 33.000 Euro unterstützt und ihnen die Landesmusikakademie Engers zur Verfügung gestellt. Die Musikerinnen und Musiker nutzen diesen Ort als Ausgangspunkt für ihre Tournee, die sie auch nach Bayern und Berlin führt. Das Jugendsinfonieorchester der Ukraine spielt unter seiner Chefdirigentin Oksana Lyniv am Freitag, den 23. Juni, beim Eröffnungskonzert der Audi Sommerkonzerte im Festsaal Ingolstadt. Und am 20. August spielt das Orchester in der Bayreuther Stadtkirche, bevor es dann für das Young Euro Classic Festival nach Berlin reist.

Sendung: "Allegro" am 22. Juni 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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