Mit dem Camper und dem Keyboard auf dem Schoß durch Norwegen fahren und die Stimmung auf die Tasten übertragen. So sieht Urlaub bei Pianist und Komponist Justus Rümenapp aus. Wenn er denn mal Urlaub macht. Hauptberuflich ist er nämlich auch noch Zahnarzt.
Bildquelle: Justus Rümenapp
Wer eine Profikarriere im Musikgeschäft einschlagen will, muss sich früher oder später irgendwann dieser Frage aus seinem Freundeskreis oder der Familie stellen: "Ist das denn sicher genug?" Justus Rümenapp aus Göttingen hat dieses Problem ganz einfach für sich gelöst: Tagsüber ist er praktizierender Zahnarzt in Göttingen, abends setzt er sich ans Klavier in seinem Schallschutzbunker im Keller und brütet seine musikalischen Ideen aus.
Ich bin total glücklich, dass ich Zahnarzt bin und trotzdem viel Zeit habe, Musik zu machen – ohne Druck!
Seine Work-Life-Balance ist zwar eher eine Work-Work-Balance, aber er ist glücklich damit, wie es gelaufen ist. Nach 15 Jahren Klavierunterricht ging es für ihn erst einmal zum Studium an die Popakademie in Mannheim. Immer auf Knopfdruck eine Komposition abzuliefern, löste in Justus eher Stress aus, weshalb er sein Zahnmedizinstudium begann. Und dann war sie auf einmal wieder da – die Kreativität. Seine zwei Jobs haben für ihn auch etwas gemeinsam: Ausdauer und Präzision. Wenn Justus wirklich mal eine Pause braucht – von Wurzelbehandlungen und Fingerübungen am Klavier – dann geht er eine Runde joggen. Gerne mit seinem Lieblingsklavierstück auf dem Ohr: "Un Sospiro" von Franz Liszt.
Inspiration für seine eigene Musik zieht Justus Rümenapp aber nicht nur aus der Musik Liszts, sondern auch aus der Natur. Bei einem Roadtrip durch Norwegen hatte er sogar ein kleines Keyboard dabei: Komponieren auf dem Campingstuhl, mit dem Fjord im Nacken. So ist zum Beispiel sein Stück "Gettare via" entstanden – Neoklassik vom Feinsten mit sanften Klaviermelodien und Streichern, die uns abheben und den Alltag für einen Moment vergessen lassen.
Der warme, weiche Klang des Klaviers fasziniert Justus Rümenapp. Gerne experimentiert er auch mit präpariertem Klavier. Ein Radiergummi hat sich bei ihm schon mal auf die Saiten verirrt, um sie abzudämpfen. Wenn sich Justus entscheiden müsste zwischen Quietscheente und Spaghetti im Flügel, würde er sich für die Ente entscheiden. "Spaghetti machen den Flügel dreckig!" Da kommt der saubere Zahnarzt wieder durch. Um seine Klavierexperimente noch ein klangliches i-Tüpfelchen aufzusetzen, bearbeitet Justus seine Tonspuren oft mit verschiedenen Effekten am Computer.
Was mit kleinen Klavierspielereien angefangen hat, ist mittlerweile mit breitem Orchesterklang unterfüttert. Justus Rümenapp hat bereits zwei Mal mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg zusammengearbeitet. Ein echtes Traditionsorchester, das die ersten Stunden des deutschen Films mitgeprägt hat – zum Beispiel bei Stummfilmerfolgen wie "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920). Als das Deutsche Filmorchester Babelsberg zum ersten Mal Justus' Musik live im Studio einspielte, bekam er sofort Gänsehaut. Schließlich hatte er seine eigenen Kompositionen zuvor immer nur am Computer gehört. Und so ein Filmorchester passt natürlich hervorragend zu seinen sphärischen Stücken, die auch gut in einen Kinosaal passen könnten. Die Musik für einen Kinofilm zu schreiben, wäre auf jeden Fall ein großer Traum von Justus Rümenapp.
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Retreat | Justus Rümenapp | Official Music Video
Solche Träume landen auch mal gern im Tagebuch – aber nicht bei Justus Rümenapp. Für ihn ist Musik sein Tagebuch, in dem er Emotionen und Erlebnisse verarbeitet. Ein Grund, warum sein neues Album mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg auch "Le Journal Intime" heißt – also Tagebuch auf Französisch.
Die beste Hörsituation? Für Justus Rümenapp zu Hause auf der Couch, mit guten Kopfhörern auf, damit man sich so richtig auf die Musik einlassen kann. Eigentlich doch auch perfekt, wenn man bei ihm auf dem Behandlungsstuhl in der Zahnarztpraxis liegt, oder? "Ich hab das mal ausprobiert", meint Justus, "aber das hat dann doch zu sehr vom Zahnarztbesuch abgelenkt. Insofern läuft jetzt ein Popradiosender."
Sendung: SWEET SPOT am 6. Februar 2025 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK