Kurz vor Jahresende eine neue Strafanzeige wegen Betrugs, ein abgesetzter "Jedermann" und Kritik wegen mangelnder Diversität im Programm: 2023 mussten die Salzburger Festspiele einiges aushalten. Doch hat das an der Salzach nicht schon Tradition?
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Die Salzburger Festspiele? "Ein Intrigantenstadl, dessen wichtigster Trick es ist, dass keiner erkennt, woher die Intrigen kommen", sagte Jürgen Flimm einmal. Der frühere Festspiel-Intendant ist im Februar 2023 verstorben. Wurden die Festspiele in diesem Jahr seiner Aussage gerecht? Ein Blick zurück.
Weiter anhängig ist die Klage, der zufolge das Modell unzulässig sei, nach dem die Festspiele seit Jahrzehnten die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor verpflichten. Im April war Prozessauftakt, im Dezember hat Verein "art but fair united" Strafanzeige wegen schweren Betrugs gegen den Intendanten Markus Hinterhäuser und den kaufmännischen Direktor Lukas Crepaz erstattet. Die Festspiele verwehren sich dagegen aufs Schärfste und erwägen ihrerseits Klage wegen übler Nachrede und Kreditschädigung.
Doch auch verbale Klagen verschiedener Art wurden laut. Gegen die Koalition der ÖVP mit der rechtspopulistischen FPÖ im Salzburger Landtag kamen Proteste auch aus Kunst und Kultur, Forderungen an die Festspiele eingeschlossen. Hinterhäuser hat Symbolaktionen abgelehnt, aber festgestellt, die FPÖ sei ihm "fremd, unsympathisch und in wesentlichen Punkten auch zuwider" – womit er sogar deutlicher reagiert hat als andere österreichische Festivalleiter vor demselben politischen Hintergrund.
Den "moralischen Hochsitz" und den "sich selbst auf die Schulter klopfenden Aktionismus" lehne Intendant Hinterhäuser auch bei einem weiteren Thema ab, bei Teodor Currentzis. Vom sicheren westlichen Sofa aus seien moralische Urteile nur allzu leicht gefällt, findet er. Seine Meinung mag keineswegs immer ideal transportiert worden sein, die Haltung ist jedoch konsequent: Persönliches Vertrauen zum Künstler ist Hinterhäuser wichtiger als journalistische Kritik. Das Festspielpublikum scheint das ohnehin genauso wenig zu kümmern wie der schief hängende Haussegen im Direktorium: Seit einer Neuordnung der Kompetenzen zwischen Hinterhäuser und der neuen Festspielpräsidentin Kristina Hammer ist es zumindest nach außen hin ruhig. Jetzt muss sich Kristina Hammer nur noch entwickeln wie seinerzeit Helga Rabl-Stadler.
Dass das Programm 2023 zu wenig leitende Frauen beschäftigt habe, also Dirigentinnen und Regisseurinnen, wurde auch moniert. Korrekt. Ein wichtiges gesellschaftspolitisches und symbolisches Thema, wenn auch kein künstlerisches. 2024 inszeniert jedenfalls Mariame Clément Offenbachs "Les contes d’Hoffmann", und Mirga Gražinytė-Tyla dirigiert Weinbergs "Idioten". Zusammen mit Prokofjews "Spieler" ergibt das gleich zwei Erstaufführungen rarer Opern des 20. Jahrhunderts.
Die künstlerische Bilanz 2023 war zu Pfingsten mit dem gewagten, monothematischen Orpheus-Konzept besonders gut, im Sommer bei den Opern ziemlich gemischt, im Konzert jedoch wieder hervorragend, etwa in der Ouverture spirituelle und der "Zeit mit Ligeti". Zuletzt hat das überraschende Ende von Michael Sturmingers "Jedermann"-Inszenierung mit Michael Maertens die Wogen hochgehen lassen, wobei vergessen wurde, dass Sturminger 2017 in einer ganz ähnlichen Situation, nämlich einer Umbruchphase in der Schauspielleitung, überhaupt erst zum Zug kommen konnte. Maertens liest übrigens nächsten Sommer im Schauspielprogramm der russischen Dissidentin Marina Davydova aus den Briefen des Systemkritikers Alexej Nawalny.
Bleibt die Frage nach der Verlängerung von Hinterhäusers Vertrag über 2026 hinaus: Da geht es dann parallel zum Festspielprogramm auch um eine noch nie dagewesene bauliche Sanierung und Erweiterung der Spielstätten um mehr als 350 Millionen Euro. Gewiss keine ideale Zeit ist für einen Umbruch an der Spitze. Markus Hinterhäuser kennt ihn jedenfalls schon, den Intrigantenstadl.
Sendung: "Allegro" am 12. Dezember ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Dienstag, 12.Dezember, 12:09 Uhr
Gufo
Salzburg
Bei den Festspielen sollte man wieder einmal den Barbiere di Sevilla zur Aufführung bringen mit der herrlichen Arie des Basilio " La calunnia e' un venticello ".Würde irgendwie zu Flimms Bonmot passen.
Montag, 11.Dezember, 15:08 Uhr
Robert Hutya
Intrigen
Flimm ist so zu interpretieren
Vorauseilender Gehorsam!
Bevor ich nicht dabei bin, bin ich Täter... kennen wir aus der nahen Geschichte.
Hammer hat am wenigsten damit zu tun...
Hinterhäuser braucht etwas für seinen Lebenslauf, sonst ist wenig erkennbar...